„Hirn aus und aufs Herz hören“ – FOX SHADOWS im mica-Interview

Kino für die Ohren: Zur österreichischen Filmproduktion „Das finstere Tal“ steuerten ANDREAS AUGUSTIN und DANIEL GERONIMO 2014 featuring LANA SHARP eine Coverversion von „Sinnerman“ bei. Entstanden ist so gemeinsam mit dem dritten Bandmitglied THOMAS VOGLREITER die cineastische Band FOX SHADOWS. Ihr Debütalbum heißt „Melancholia“ und ist am 10. Jänner 2020 bei „Ink Music“ erschienen. Mit Julia Philomena sprach die Band über Liebe, Hoffnung, Trauer, Verlust und über Menschen, die einen an das Schöne im Leben glauben lassen.

„Melancholia“ heißt euer Debütalbum. Was wollt ihr mit dem Titel ankündigen? Vielleicht auch eine Hommage an Lars von Trier?

Andreas Augustin: Einerseits entspricht der Titel der Grundstimmung der meisten unserer Songs und des gesamten Albums. Lars von Trier ist ein großartiger Regisseur und wir hatten hier natürlich auch den Film im Kopf, der mit seiner Stimmung aus unserer Sicht perfekt zum Fox-Shadows-Sound passt.

Daniel Geronimo: „Melancholia“ kann ein Zustand sein, eine Temperatur oder ein Gefühl. Was uns so fasziniert hat, war, dass man so viel in den Begriff „Melancholia” hineininterpretieren kann. Liebe, Hoffnung, Trauer, Verlust, Vertrauen. Eben alles, was ein Leben ausmacht. Und was wir vielleicht tatsächlich mit dem Film gemeinsam haben, sind Irritationen und Brüche.

„Das Gefühl steht immer im Vordergrund und alles andere ordnet sich unter.“

Gab es inhaltlich einen klaren Leitfaden oder steht jede Nummer für sich, erzählt eine eigene Geschichte?

Andreas Augustin: Das Album ist über einen Zeitraum von vier Jahren entstanden. Wir haben oft und auch sehr spontan mit den unterschiedlichsten Künstlerinnen und Künstlern zusammengearbeitet. Durchgängiges Konzept steht keines dahinter, es hat sich oft „einfach ergeben“. Durch die diversen Zugänge der Protagonisten ist dann ein tolles Album entstanden, das in sich zwar kein Konzept verfolgt, aber die Gemütsstimmung wie einen roten Faden in sich trägt.

Daniel Geronimo: Ich denke, dass sich durch unseren Einfluss – wie wir unsere Instrumente spielen und welche Sounds bzw. Synths und Effekte wir verwenden – fast schon unbewusst ein typischer Sound entwickelt hat. Das Gefühl steht immer im Vordergrund und alles andere ordnet sich unter. Ich glaube, wir haben bewusst und manchmal unbewusst immer Sängerinnen und Sänger ausgewählt, die gut zu uns passen.

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„Stay“ ist als Single mit Musikvideo bereits im Dezember 2019 erschienen. Es singt Sophie Lindinger. Worum geht’s in der Nummer? Habt ihr mit der Sängerin ebenfalls gemeinsam am Text geschrieben oder inhaltlich kooperiert?

Andreas Augustin: Die Lyrics zu „Stay“ kommen wie der einzigartige Gesang von Sophie. Sophie hat an einer sehr rohen Proberaumaufnahme weitergearbeitet und den Song zu dem gemacht, was er jetzt ist. Im Text geht es wie so oft um starke Gefühle. „You keep me high”, die starke Liebesbekundung an diejenigen, die einen Menschen, der mit seiner Identität und der Existenz kämpft, weiterhin an das Schöne im Leben glauben lassen.

Beim dazugehörigen Musikvideo führte Sabrina Reiter Regie, die bereits vor drei Jahren als Schauspielerin in eurem Musikvideo „Low Tide“ zu sehen war. Habt ihr das Konzept gemeinsam entwickelt, zumal euch das Medium Film so sehr am Herzen liegt?

Andreas Augustin: Konzept und Video kommen von Sabrina, wir haben den Soundtrack geliefert. Klar hat man im Vorfeld besprochen, in welche Richtung es etwa gehen wird – aber Drehbuch und Umsetzung kommen auch bei unseren Videos großteils von den Regisseurinnen und Regisseuren. Auch hier leben wir die Offenheit und lassen allen ihre Freiheit. In den Songs und auch den Videos finden sich daher viele unterschiedliche Handschriften, die aber als großes Ganzes ein homogenes Schriftbild ergeben.

Daniel Geronimo: Sabrina Reiter ist eben nicht nur Schauspielerin. Sie schreibt auch selber und hat schon Regie bei anderen Musikvideos internationaler Bands wie Foreign Air geführt. Als sie das erste Mal unsere Nummer gehört hat, hatte sie sofort eine Idee und Bilder im Kopf. Sie hat Idee und Konzept allein erarbeitet. Wir waren sofort begeistert, besonders vom Drehort Kuba. Sie hat das Gefühl der Nummer toll in Bildern widergespiegelt. Wir sind äußerst glücklich mit dem Ergebnis, es hätte nicht schöner werden können.

„Ich glaube, wir haben alle in den vergangenen Jahren durch die Arbeit am Album viel gelernt […]

„Souvenirs“ heißt eine eurer ältesten Nummern mit Toby Gruenzweil. Hat sich die Nummer oder generell eure Musik im Laufe der Zeit verändert?

Andreas Augustin: Durch die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Charakteren hat sich die Musik in den letzten vier Jahren von Song zu Song immer wieder verändert. Die Zusammenarbeit mit Toby war immer etwas ganz Besonderes. Seine Ideen haben uns selbst weiterentwickelt.

Thomas Voglreiter: Ich glaube, wir haben alle in den vergangenen Jahren durch die Arbeit am Album viel gelernt und haben irgendwie einen Grundsound gefunden, obwohl wir nie danach gesucht haben. Wir können mittlerweile vielleicht auch besser abschätzen, welche Elemente für einen Song wichtig sind und welche wir besser rauslassen.

Ihr sprecht vom „Leben als Film“. Welche Filme sind euch die liebsten? Oder geht es immer mehr um eine cineastische Stimmung? 

Thomas Voglreiter: Filme, die einen zum Nachdenken anregen, einen Blick über den Tellerrand ermöglichen oder auch die persönlichen Meinungen hinterfragen. Was wahr, falsch, gut und böse ist, das ist in den seltensten Fällen eindeutig zu definieren.

Daniel Geronimo: Ich glaube, wenn wir unsere Musik bei einem Filmfestival einreichen würden, wäre es das Sundance Film Festival. Independent Film.

Abgesehen von filmischer Inspiration: Was beeinflusst euch? Sind gesellschaftspolitische Ereignisse relevant für eure Musik?

Andreas Augustin: Wir sind politische Menschen und haben eine klare Meinung, aber die spiegelt sich sehr selten in der Musik wider. In unserer Musik geht es um starke Gefühle, Stimmungen und weniger um eine politische Message.

Daniel Geronimo: In der Musik leben wir mehr unsere Gemütszustände des Alltags aus. Dazu gehört natürlich auch Politik, genauso wie Liebe. Aber textlich findet man eigentlich nichts Politisches bei uns.

Bild Fox Shadows

Bild (c) Fox Shadows

„Der gemeinsame Weg ist sozusagen das Ziel […]

Offenheit ist essenzieller Bestandteil eurer Arbeitsweise. Was ist euch bei einer Kooperation wichtig?

Andreas Augustin: Jede Künstlerin bzw. jeder Künstler trägt ihren bzw. seinen Teil zum fertigen Werk bei. Es gibt keine Vorgaben oder Grenzen und wir sind jedes Mal gespannt, was jemand anders aus unseren Ideen kreiert. Der gemeinsame Weg ist sozusagen das Ziel und das hat bisher unglaublich gut geklappt.

Daniel Geronimo: Offenheit ist alles bei unserem Projekt. Nur so funktioniert es. Wir freuen uns immer wieder, mit neuen Künstlerinnen und Künstlern arbeiten zu dürfen. Wir sind so dankbar dafür.

Thomas Voglreiter: Ehrlichkeit und Emotionalität! Wir geben unseren Gastmusikerinnen und -musikern keine Melodien, fixen Arrangements oder Genres vor, sondern bestärken sie darin, sich ganz auf die Stimmung des Songs einzulassen. Hirn aus und aufs Herz hören. Unsere Hauptaufgabe während der Zusammenarbeit besteht darin, nach und nach gemeinsam den Kern des Liedes freizulegen. Und das kann dann auch mal heißen: „Hey, der Gesang, den du im Studio aufgenommen hast, ist toll gesungen und klingt super, aber eigentlich finden wir die Layoutaufnahme aus dem Proberaum viel spannender und näher dran an der ursprünglichen Emotion, die wir gemeinsam im Raum gespürt haben. Und das ist uns wichtiger als technische Perfektion.”

Elf Nummern, nur eine ohne Gesang, nämlich „Backroad Heart“. War die Nummer von Anfang an instrumental angedacht?

Albumcover Melancholia
Albumcover (c) Melancholia

Andreas Augustin: Das Ganze hat mit einer Akkordfolge auf einer Heimorgel aus den 70er-Jahren begonnen, die bei uns im Proberaum herumgestanden ist. Nach und nach kamen die anderen Parts dazu und durch das Arrangement ergab sich ein Spannungsbogen, der für uns beeindruckend genug war. Relativ schnell war klar, dass es da keinen Gesang mehr braucht, denn die Nummer ist so, wie sie ist, perfekt.

Thomas Voglreiter: Instrumentals haben bei uns immer einen großen Teil der Grundstimmung der Band ausgemacht und sind die Basis fast aller Songs. Ursprünglich waren sogar mehr Instrumentalparts auf dem Album geplant, aber durch die maximale Spiellänge einer Vinyl war dann leider kein Platz mehr.

Gibt es einen Ort, an dem ihr euch mit eurer Musik am wohlsten fühlt? Im Kino? Auf der klassischen Konzertbühne? Beziehungsweise wie sehen eure Konzerte tatsächlich aus, bei so vielen Gastmusikerinnen und -musikern?

Andreas Augustin: Das mit den Live-Gigs ist so eine Sache. Wir hatten tatsächlich erst ein Konzert, und zwar bei unserer Album-Release-Party. Mit Thomas Jarmer, Marlene Weber, David Kleinl und Toby Gruenzweil haben wir es auch geschafft, einige unserer Stimmen auf die Bühne zu bringen – wie man sich vorstellen kann, ist das aber von der Koordination her gar nicht so einfach, zumal die Künstlerinnen und Künstler ja auch nicht ständig verfügbar sind. Es wäre jedenfalls wünschenswert, in naher Zukunft ein paar weitere Gigs mit voller Besetzung zu spielen – wir arbeiten dran!

„Der größte Wunsch ist schon in Erfüllung gegangen […]

Abschließend: Was wünscht ihr euch für „Melancholia“?

Andreas Augustin: Der größte Wunsch ist schon in Erfüllung gegangen, nämlich der Release eines Albums. Die Vinyl steht jetzt in den Regalen und wartet darauf, gehört zu werden. Klar freuen wir uns über eine große Hörerschaft und wünschen den Hörerinnen und Hörern viel Freude mit unserer Musik.

Daniel Geronimo: Ja, der größte Wunsch ist wirklich in Erfüllung gegangen: die erste Vinyl in unseren Händen zu halten. Wer hätte sich vor vier Jahren gedacht, dass wir mit so vielen unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern eine gemeinsame Platte aufnehmen? Ich hoffe, dass wir ein paar Menschen mit unserer Musik was Gutes tun.

Thomas Voglreiter: Dass das Album von vielen Menschen gehört wird. Und da gehts uns nicht um Aufmerksamkeit, Verkaufszahlen oder so. Wir finden einfach, dass Musik, die berührt und eine gewisse Grundehrlichkeit aufweist, wieder mehr Platz in unserer Plastikwelt haben sollte. Pop muss nicht generisch und austauschbar sein.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Julia Philomena

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