HEART OF NOISE FESTIVAL INNSBRUCK: DON´T STOP THE DANCE! (7. – 9. Juni 2019)

Das Innsbrucker Elektronik-Festival HEART OF NOISE dreht sich 2019 endlos elegant walzerlike wie bei Stanley Kubrick, grrrrrtt und springt und hüpft über Schatten, blackt und death und noiset und dröhnt, fimmert, fickert, färbt, bleicht, singt, lädt ein von Aja bis Afrika, rollt wie Cumbia, manikt wie Singeli, schwebt wie Dröhne aus der Asche. Praise the Loud! Subvert, Hedonize, Evolve! Die Welt ist uns zerbrochen, zertrampelt die Scherben, bis sie wieder fein sind wie tanzender Sand am Strand der Glückseligen in den Gärten von Jah!

HEART OF NOISE – IM HERZ DER KLANGWELT

Das Festival Heart of Noise sucht seit 2011 nach Regionen außerhalb der Ästhetik des Kulturmainstreams und präsentiert dazu alternative Genres und Impulse des aktuellen Musik- und Kunstgeschehens. Heart of Noise ist dabei kein Festival ausschließlich für rein konzertante Auführungen, sondern vor allem als ein weit über einen bloßen Konzertauführungsort hinaus wahrnehmbarer Ereignisraum gedacht, in dem der öfentliche Raum der Stadt zu einem lebendigen Kunst- und Klangraum umgewidmet wird. Von der begleitenden Klanginstallation im öfentlichen Raum über die Livevertonung von Kinoflmen und anderen visuellen Materialien über die Fusion von Medienkunst, Musik und Tanz in der Kunstperformance eröfnet der Zugang zur aktuellen Musikkultur eine Vielfalt an Möglichkeiten von Auführungsweisen. Im Mittelpunkt eines weiter konzeptionierten Festivals stehen junge Kunst und junge Musikkultur, Medienkunst und digitale Kunst, VJ – Kunst und DJ – Culture, sprich der musikalische und künstlerische Kosmos, der sich um die neuen und allerneuesten relevanten kulturellen Strömungen entfaltet.

Bild (c) Heart of Noise

Eröffnet wird Heart of Noise 2019 endlich wieder standesgemäß im festivaleigenen Para Noise Garden am Vorplatz des Haus der Musik Innsbruck. columbosnext und ./studio3 (Universität Innsbruck) bauen diesen unter dem Titel „Disco Volante / a con-fused space“ zu einer bespielbaren Stadtraumskulptur um, denn eine Wiese ist nicht nur eine Wiese ist nicht nur eine Wiese. Über die ganzen drei Tage des Festivals wird dort eine 24 Kanal Klanginstallation des tschechischen Ton- und Medienkünstlers Jiří Suchánek den Platz vor dem Haus der Musik zum Klangraum der Stadtraumskulptur umwidmen. Bevor dann das eigentliche Musikprogramm des Festivals beginnt, weihen Performances von Peter Brandlmayr, Michaela Senn und Marco Tiberius Schaf Disco Volante als Ouvertüre für Heart of Noise und die Oper AkthamarII ein.

Heart of Noise 2019 – Tag 1

Bild (c) Aja Ireland

Im Anschluß daran wird die für Heart of Noise produzierte Oper AkthamarII den ersten Abend des Festivals beginnen. Ekehardt Rainalters AkthamarII ist ein lautes und intensives Nachdenken über Staat und Staatlichkeit, Individualität und Systematisierung, über Drama, Dramatik und Postdramatik und das im Rahmen einer Auführung neuester Musikproduktionsformen und Auführungsmöglichkeiten, also dort, wo Oper noch nicht bloß Pop geworden ist und sie auch vermutlich noch längere Zeit nicht sein wird. Auch wenn so ein intensives Musikerlebnis für so manche vielleicht schon mehr ist, als man an einem Abend überhaupt zu konsumieren gewohnt ist, ist damit aber noch lange nicht genug. Später in der Nacht folgen mit Maria W. Horn und Aja Ireland noch zwei starke Frauenstimmen aus dem Bereich der neueren extremen Tonkünste, dazu noch ein audiovisueller Ausfug in abstrakte Weiten mit Karl Lemieux und Michaela Grill, die Musik, oder vielleicht besser, die Tonage dazu kommt von Altmeister Phillip Jeck.

Heart of Noise 2019 – Tag 2

Etwas chilliger wird es am nächsten Tag am höchsten Dach der Stadt. Am Adlers Rooftop hören wir am Samstag Nachmittag zum einen die legendären Aufnahmen glamouröser türkischer Diven der 60er und 70er, neugefunden, neugesammelt und neuverstanden von der polnischen Kuratorin Kornelia Binicewicz, und zum anderen die Dekonstruktionen von Jazz und Jazzvirtuosentum durch den Intensivsaxophonisten Ben Vince, also zwei Wiederhörbarmachungen des irgendwie Vertrauten aber so im Musikmainstream nicht mehr Auffindbaren als neue Formfndung, Sichtbarmachung und auch, seien wir ehrlich, weil das macht ja nichts, als ein bisschen ein Entertainment.

Bild (c) Gazelle Twin

Zwei VirtuosInnenkonzerte von Kara-Lis Coverdale und Maja Osojnik im Para Noise Garden bilden anschließend den Übergang zur langen zweiten Nacht im Haus der Musik. Im Mittelpunkt dieses zweiten Abends stehen drei audiovisuelle Performances. Die New Yorker Legende Phill Niblock zelebrierte die Kunst der Verdichtung und Verschichtung von Klang- und Bildmedien schon an den glamourösesten Orten für modernere Künste weltweit, wie dem Institute of Contemporary Art in London oder dem Centre Pompidou, Paris. Zusammen mit Thomas Ankersmit öffnet er einen zweistündigen Klang- und Schauraum, den man unserer Erfahrung nach bloß anhand von Videos oder Berichten schwer nachvollziehen kann. Drew McDowall und Florence To präsentieren später am Abend die Visualisierung und Neuinterpretation des klassischen Albums „Time Machines“ von Coil. Abgerundet wird dieser Block von einem Auftritt der Cellistin Lucy Railton, bevor schließlich Christoph De Babalon und die Perfomancekünstlerin Gazelle Twin mit einer Aufführung ihres neuen Konzeptalbums „Pastoral“ den Abend zurück zum 4/4 Takt der technoideren Kunstformen führen, aber nicht in Form von Techno als hedonistischer Emanzipationsmusik, sondern als Träger von Erzählungen über verlorene Utopien, also über Hauntology und die Zeit aus den Fugen.

Heart of Noise 2019 – Tag 3

Heart of Noise findet wie immer nicht nur on mainstage statt, sondern auch am Pema Tower, im Kunstraum Innsbruck, oder wie am Sonntag mit einer Tramfahrt ins Innsbrucker Umland, die begleitet wird von Konzerten der georgischen Künstlerin Mika Motskobili aka Vo Ezn und dem Wiener Musikproduzenten Zanshin. Am Vorplatz des Haus der Musik hören wir anschließend nach Andrea Belfis Konzert vom Freitag noch zwei weitere Variationen zu Schlagzeug/werkkunst und digitalen Bearbeitungen mit Dj Raph aus Nairobi und dem Duo G.A.M.S. mit Andi Stecher und Guido Möbius.

Bild (c) Bamba Pana

Der dritte Abend des Festivals ist schließlich den tanzbaren Varianten der nicht mehr so industrieverordneten Musikgenres gewidmet. Dar Es Salaam und Kampala bilden zwei neue Zentren euphorischen Musikwahnsinns, bei dem ähnlich wie in der relativ neuen Bewegung des Chicago Footwork hypermanische Musikschnipsel und exzessive Rhythmikonstruktionen zu überraschend anders klingenden und doch irgendwie vertrauten Nummern und Collagen zusammengefügt werden, die sich auch vor der Wiederaufnahme der eigenen Musiktraditionen nicht scheuen. Im Zentrum steht das Label Nyege Nyege Tapes mit dem dazu gehörigen gleichnamigen Festival in Uganda, das die wichtigsten KünstlerInnen der dortigen Szenen veröfentlicht. Mit Jay Mitta, Bamba Pana und Makavelizeigt Heart of Noise gleich drei der Shooting Stars von Nyege Nyege Tapes. Auf einem völlig anderen Tempo, dem des rollenden Groove des Cumbia, bewegen sich die Peruaner Dengue Dengue Dengue, zu deutsch „Lust zu feiren, Lust zu feiern, Lust zu feiern.“
Den Abschluss der langen Nacht bildet die „Hakke Show“, ein Oldschool Rave und Hardcore Gabber Dj Set mit historischem Tanzensemble, also Alte Musik, antinostalgisch dekontextualisiert und dadurch revitalisiert und neu erlebbar. You gotta say Yes to another Excess!

Termin: 
7. – 9. Juni 2019, Haus der Musik u.a., Innsbruck

Links:
Heart of Noise
Heart of Noise (Facebook)