„He, Leute, es gibt etwas anderes!“ – ÉDUA ZÁDORY im mica-Interview

Sie ist Konzertgeigerin, grafische Künstlerin und hat etwas von der Energie und Kraft einer Hyäne. All dem begegnet man auf der ausschließlich zeitgenössische Stücke umfassenden CD „Heavy“, die Édua Zádory kürzlich veröffentlicht hat und die sowohl für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik wie auch für den International Classical Music Award (ICMA) nominiert wurde. Christian Heindl hat mit ihr gesprochen.

Frau Zádory, Ihre neue CD „Heavy“ fällt auf. Das Cover ist im wahrsten Sinn des Wortes aggressiv. Man sieht eine die Zähne fletschende Hyäne, dunkle Farben, den rot gerahmten Titel „Heavy“ und fast schamhaft zart die Namen der vertretenen Komponistinnen und Komponisten sowie der Künstlerin. 

Édua Zádory: Das soll eigentlich gleich den Einstieg für die Musik bieten. Nach dem Motto: He, Leute, es gibt etwas anderes! – Darum ist mir auch das Zitat von Pierre Boulez wichtig, das ich an den Anfang des Booklets gestellt habe: „In all diesen Jahren habe ich versucht, Leute zu überzeugen, dass die Musik nicht dafür da ist, um ihnen zu gefallen; sie ist da, um sie zu stören.“

„Schönheit allein interessiert mich nicht.“

Sie führen dann Ihre eigenen Gedanken weiter aus: „Nicht Schönheit ist entscheidend. Schönheit allein interessiert mich nicht. Beim Musikmachen zählen für mich die Kraft und das Wunder des Augenblicks.“

Édua Zádory: Genau. Musik muss nicht immer gefällig sein. Trotzdem entstand hier bildlich gesprochen ein Blumenstrauß, ein „Musikstrauß“, wenn man so will. Es handelt sich um Stücke, die über die Jahre für mich entstanden sind.

Die CD „Heavy“ enthält Werke von Nikolet Burzyńska, Juan Manuel Abras, Federico Placidi, Filip Sande, Bence Hartl und Johanna Doderer. Sie arbeiten gerne mit Komponistinnen und Komponisten, zumal der meist jüngeren bis mittleren Generation zusammen?

Édua Zádory: Ja, sehr gerne. Wobei ich leider nicht alle dann auch auf der CD vorstellen konnte. Für mich stand dabei kein dramaturgischer Bogen, sondern eine individuelle Auswahl im Vordergrund. Ich wollte mein bestes präsentieren.

Wie weit entsprechen die Stücke Ihren typischen Konzertprogrammen? Welche Aspekte Ihres Repertoires stehen im Vordergrund, welche könnte man ergänzen?

Édua Zádory: Alle Stücke mit Ausnahme von „del bianco silenzio… al limite della notte“ von Federico Placidi habe ich uraufgeführt. Da ist also eine starke Identifikation vorhanden. Drei der Stücke wurden mit Tanz konzipiert, was sich auf der CD natürlich nicht darstellen lässt. Ich habe auch weitere Ideen für Projekte mit bildender Kunst. Da stellt sich vielleicht eine etwas ruhigere Seite von mir dar.

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„Der klassische Mainstream ist für mich weniger interessant.“

Ihre Arbeitsschwerpunkte sind etwa die Mitwirkung beim Wiener Kammerorchester und sehr viele unbegleitete solistische Auftritte.

Édua Zádory: Das hat sich über die Jahre so ergeben. Wie die meisten Künstler will ich nach Möglichkeit nur meine Träume verwirklichen und sehen, was dabei herauskommt. Der klassische Mainstream ist für mich weniger interessant. Aber natürlich, wenn man mir etwa das Violinkonzert von Brahms anbietet, werde ich das sehr gerne spielen!

Man kennt Sie auch durch Ihre Arbeit im Hungaria Piano Trio und im Duo Edan. Derzeit kann man Sie nicht in ständigen Kammermusikensembles oder Duos hören? 

Édua Zádory: Das waren sehr interessante und bereichernde längere Perioden. Im Moment bin ich selbst mein fixes Ensemble. Ich will sehr vieles verwirklichen, aber ich muss es auch gerne machen.

Abseits der CD. Mit welchen Komponistinnen und Komponisten arbeiten sie aktuell?

Édua Zádory: Ich arbeite immer wieder gerne mit Johanna Doderer, deren Violinkonzert ich in Vilnius aufgeführt habe. Jetzt gibt es eine Zusammenarbeit mit Wolfram Wagner, der eine Violinsonate schreibt. Auch Marco Annau und Jörg Ulrich Krah haben mir Stücke versprochen, auf die ich mich sehr freue. Mich interessiert aber auch die ältere Generation. Ich konnte etwa tolle Werke von Friedrich Cerha, György Kurtág und Arvo Pärt spielen.

Neben Namen, die man durchaus teils schon oft in Österreich gehört hat, gibt es auf der CD auch solche, die man hier erst kennenlernen muss. Es liegt nahe, dass Sie als gebürtige Ungarin auch einen ungarischen Komponisten spielen. Wie sind sie auf den 35-jährigen Bence Hartl gestoßen?

Édua Zádory: Hartl wurde mir von einem meiner ehemaligen Professoren an der Budapester Hochschule empfohlen. Er kommt eigentlich von der Gitarre her. Sein Stück ist daher interessanterweise auch nicht im eigentlichen Sinn „geigerisch“. Es ist sehr perkussiv, arbeitet viel mit Pizzikati – und es ist extrem schwierig. Man muss es vor jeder Aufführung neu lernen.

Bild Édua Zádory
Édua Zádory (c) Maria Frodl

Sie verweisen auf die Bedeutung, die der bildenden Kunst in ihrer schöpferischen Arbeit zukommt. Auch diesbezüglich wird man im CD-Booklet eindrucksvoll fündig. Gibt es Zusammenarbeit zwischen anderen bildenden Künstlern und Ihnen als Musikerin?

Édua Zádory: Ja, ich arbeite etwa gerne mit dem in Wien lebenden Künstler Wolfgang Semmelrock. Er schafft u. a. aufblasbare Kunstobjekte. Da gibt es den Plan für ein Projekt im Mahler-Häuschen am Wörthersee, bei dem das Fragment des Mahler-Quartetts gespielt wird. Sehr gerne arbeite ich auch mit der algerisch-französischen Malerin Faiza Maghni. Und wie gesagt, ich bin ja grafisch sehr interessiert. Ich zeichne gerne. Das ist für mich meine Art des Komponierens.

„Wir als Interpreten haben auch eine große Verantwortung, was und wie wir es der Gesellschaft präsentieren.“

Sie stammen aus Ungarn, leben aber seit Ihren Studien ab 1997 in Wien. Der Gedanke an eine Rückkehr hat Sie nie ernsthaft beschäftigt?

Édua Zádory: Wenn man in Wien studiert hat, kann man eigentlich nicht so leicht wieder weggehen. Ich würde gerne auch wieder mehr in Ungarn machen, eventuell Austauschprojekte. Mittlerweile sind die Qualität und Finanzierung in Ungarn den Bedingungen hier entsprechend. Musik steht dort heute deutlich besser da als noch vor wenigen Jahren. Freilich hängt das Niveau immer von der künstlerischen Leitung ab. Ich habe immer etwas gegen Beamtenmentalität unter Musikern – sei das in Ungarn oder in Österreich. Wir als Interpreten haben auch eine große Verantwortung, was und wie wir es der Gesellschaft präsentieren. Die Leute spüren, ob es von meiner Seele kommt.

Abschließend noch einmal kurz zur CD. Ich bin schon ziemlich beeindruckt von der Cover-Hyäne. Ein Alter Ego von Édua Zádory?

Édua Zádory (lachend): Ich bin wild, emotional, habe viel Kraft. Alles wie bei einer Hyäne eben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Christian Heindl

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