Harlequin’s Glance – Ashore

Halloween wird in Österreich nicht wirklich gefeiert, verkauft werden die typischen vorgefertigten Schmink-Kits, Kürbisschmuck und Blutkapseln. Doch wer eine so richtig stilvolle Fete schmeißen möchte, muss auch die richtige Musik wählen. Wie gut, dass es eine österreichische Band gibt, die nicht nur Folk-Godfather Bob Dylan, sondern auch Tom Waits perfekt in ihr Repertoire eingefügt haben, und dass ohne den eigenen Stil zu verlieren. Harlequin’s Glance veröffentlichen nach vier Jahren das Album „Ashore“, das Mitte November herauskommen wird.

Ihren Stil kann man nicht einfach so festlegen, schließlich sind sie keine Gitarre-Schlagzeug-Bass-Band. Sie haben das Glück von ihrer musikalischen Neugier nicht nur persönlich zu profitieren, denn sie zählen unter anderem eine schwedische Fidel namens „Nyckelharpa“, ein Waschbrett und eine Orgel zu ihren Standard Instrumenten. Und dass diese Instrumente verschiedenen Traditionen zu zuschreiben sind, hört man sofort. Von Klezmer über Gipsy-Folk bis Americana, die Einflüsse lassen sich nicht negieren.

„Marlise“ ist nicht nur ein toller Opener, sondern versprüht sofort diesen Touch von verschlafenen Saloons im Sonnenlicht. Sänger Gernot Feldner lässt seine Stimme knattern wie Tom Waits, und schnurren wie ein Kätzchen. Das Lied nimmt sanft Fahrt auf, und wankt zwischen Country-Ballade und Irish-Folk. Weiter geht es mit „Them Nights“, was sich wie „Banjo Ballad“ durch eine starke Geige auszeichnet, und mit den Stempel „tanzbar“ verdient. Hier trifft auch moderner Country Swing mit der melodischen Gitarre und dem Klavier auf geigenlastigen Gipsy-Rock.

Ruhiger gehen es Harlequin’s Glance in „Further On“ und „She’s Moving Through My Mind“ an. Besonderer Wert wird auf die langsame Entfaltungsmöglichkeit der Instrumente und Melodie gelegt. Nie kreischt eine E-Gitarre hektisch, nie eilen die Finger unkontrolliert über die Saiten, alles ist abgestimmt und sehr harmonisch. Das Klischee vom „Rock-Balladen-Kitsch“ ist hier absolut nicht angebracht.

Genauso langsam, aber ganz andere Atmosphäre erzeugen die zwei Schlusslichter „Waiting For Too Long“ und „Man In The Corner“. Sie erinnern an einen alternden Bob Dylan (aber mit Stimme). Wie Schlaflieder lassen sie die Augenlieder müde werden, obwohl die Texte sehr poetisch nach dem Grund für die eigene Existenz fragen.

Selbstzweifel, Liebeskummer und das locker Lassen – Gernot Feldner widmet seine Lieder scheinbar mühelos, den immer quälenden Themen eines jeden Menschenlebens. Die Texte vertreten sehr erdige, weltliche Ansichten, in die sich ein Hauch Mystik schleicht. Die Kompositionen unterstreichen dies mit verwaschenen Naturklängen, die an windige Abende, rauschende Flüsse und knisternde Transistorradios am Lagerfeuer erinnern. Es ist ein sehr bodenständiges Album, mit vielen abgerundeten Ecken und Kanten und einer intensiven Atmosphäre.
Anne-Marie Darok