Grenzenlose Phantasie – YORGOS NOUSIS im mica-Interview

Dass es nicht unbedingt viel bedarf, um wirklich spannende Musik entstehen zu lassen, zeigte der aus Griechenland stammende und in Wien lebende Gitarrist Yorgos Nousis auf seiner aktuellen CD „My Guitar“. Er lässt einzig sein Instrument für sich sprechen und betätigt sich als zurückhaltender Klangmaler zwischen den verschiedenen Musikstilen. Der Gitarrist, Komponist und Arrangeur im Interview mit Markus Deisenberger.

Womit bist Du zur Zeit gerade beschäftigt?

Yorgos Nousis: Jetzt gerade bereite ich mich intensiv auf zwei Konzerte in Bukarest vor.

Die beiden Konzerte sind Solo-Konzerte?

Yorgos Nousis: Die zwei spiele ich solo, ja. Momentan bestreite ich mehr Solo-Konzerte, weil ich aktuell eine Solo-CD aufgenommen habe: Mein neuestes Album namens „My Guitar“.

Wie würdest Du die Musik, die darauf zu hören ist, beschreiben?


Yorgos Nousis:
Es ist eine Mischung. Eine Mischung aus Elementen der klassischen Musik, Flamenco und Volksmusik. Aber auch etwas Jazz. Ich mache sehr viele verschiedene Sachen, schreibe auch Musik für Pop- oder Rockbands.

Spielst Du bei Deinen Solo-Auftritten nur Eigenkompositionen, oder finden sich im Repertoire auch Stücke anderer Komponisten?

Yorgos Nousis:
Das ist ganz verschieden. Eigene Stücke, Stücke klassischer Komponisten, aber auch Bearbeitungen von Bartok oder Volksmusik-Bearbeitungen finden sich da, und Stücke andere Komponisten wie etwa Carlo Domeniconi oder Dusan Bogdanovic. Bach oder andere Klassiker spiele ich nicht so oft, mit Ausnahme meiner Improvisationen, die ich ganz gern zu Beginn meiner Konzerte spiele.

Wie kann man sich das vorstellen?

Yorgos Nousis: Ich nehme ein Thema von Bach, spiele es, belege es mit ein paar Effekten, loope es und improvisiere dazu. Ich nehme also eine klassische Komposition, bearbeite sie und mache neue Sachen damit. Ich improvisiere vor allem bei meinen Kompositionen und bei Bach, bei anderen Komponisten nicht so oft. Ich mache meisten davor oder danach eine Impro-Einlage, aber nicht mitten im Stück.

Das heißt, das eigentliche Stück möchtest Du möglichst original darbieten?

Yorgos Nousis:
Genau.

Welche Beziehung pflegst Du zum Rembetiko?

Yorgos Nousis: Schwer zu sagen. Rembetiko ist Volksmusik und doch wieder etwas total anderes.

Was kam bei Dir zuerst? Die griechische Volksmusik , Flamenco oder Klassik?

Yorgos Nousis: Das Hauptstudium bestand bei mir aus klassischer Gitarre und klassischer Musik. Mein Hauptinteresse darüber hinaus liegt heute bei der Volksmusik aus Griechenland, dem Balkan und aus Spanien.

Ist es in Griechenland außergewöhnlich, wenn sich ein junger Mensch für Volksmusik interessiert oder ist das normal?


Yorgos Nousis:
Naja, die Mischung zwischen klassischer und Volksmusik gibt es nicht so oft. Es gibt nicht viele, die das so machen. Viele bedienen sich nur der Elemente, machen dann aber neue Sachen. Pop halt.

Im griechischen Radio hört man ungemein viel griechische Musik. In Österreich wird derzeit wieder über die Festlegung einer Quote diskutiert. Gibt es in Griechenland eigentlich solch eine Quote?

Yorgos Nousis: Nein, es gibt keine Quote. Aber man hört im griechischen Radio durchaus viel griechische Musik, da hast Du Recht. Allerdings handelt es sich dabei nicht wirklich um Volksmusik, sondern mehr um die nach 1950 entstandene Musik. Man kann das natürlich auch als Volksmusik bezeichnen, eigentlich ist sie es aber nicht wirklich. Das ist mehr „Volkspop“.

Wie bist Du dann als Athener zur „richtigen“, alten Volksmusik gekommen?

Yorgos Nousis: Ich hörte immer schon sehr viel Musik. Ich muss immer neue Sachen hören. Aber mit der Volksmusik war es so: Meine Mutter kommt von der Insel Naxos. Und als ich noch ein Kind war, war ich sehr oft dort und habe dort sehr viel volkstümliche Musik gehört. Das hat mich stark beeinflusst. Aber auch die Musik aus dem Norden und Süden Griechenlands mit ihren ganz anderen Facetten war wichtig für meine Entwicklung.

Ein weiterer Einfluss ist Flamenco. Mit Paco De Lucia ist vor kurzem einer der wohl berühmtesten Flamenco-Gitarristen verstorben. War er ein Vorbild?

Yorgos Nousis: Ja, ein großes sogar. Ich liebe ihn und seine Musik und er war eine große Inspiration für mich. Auch als Kind schon. Die erste CD, die ich geschenkt bekam, war von Paco de Lucia.

Wirklich? Das finde ich erstaunlich. Meistens handelt es sich dabei doch um etwas, was einem später peinlich ist wie Modern Talking oder David Hasselhoff.

Yorgos Nousis: (lacht) Nein, bei mir war es tatsächlich Paco de Lucia. Ich war sehr traurig, als ich von seinem Tod erfuhr. Aber außer ihm habe ich noch viele andere Vorbilder und Musiker, die mich inspirieren. Es gibt so viele gute Gitarristen, Vicente Amigo beispielsweise oder John McLaughlin natürlich. Manchmal höre ich mir auch auf YouTube Gitarristen an, die ich überhaupt nicht kenne, die aber so toll sind, dass es mich regelrecht umhaut.

Hat das Internet und die Möglichkeit, ganz leicht tausende andere Gitarristen beim Spiel zu studieren, Deine Musik, beeinflusst bzw. revolutioniert?

Yorgos Nousis: Ja, das ist ganz wichtig. YouTube und Social Medias sind für alle wichtig, auch für mich.

Aber hat es nicht auch Nachteile? Man hat einen schlechten Tag: Alle sehen es. Man verspielt sich: Alle sehen es.

Yorgos Nousis: Wie alles hat es Vor- und Nachteile, wobei für mich die Vorteile ganz klar überwiegen. Vor allem durch die Werbung: Du spielst ein Konzert, machst ein Video davon und kannst es gleich hoch laden. Und schon hast du Zuschauer, die vielleicht zu deinem nächsten Gig kommen. Du bist dein eigener Eventmanager.

Gerade bei Deiner Musik ist aber doch die Klangqualität essenziell. Kann man das mit einem Medium wie YouTube und dem meist miserablen Sound dort überhaupt vereinbaren?

Yorgos Nousis: Was man jedenfalls braucht, sind gute Videos und grenzenlose Phantasie, sonst wird es auch auf professionellem Niveau recht schnell langweilig. Aber ob ein Gitarrist wirklich gut ist, erkennt man erst live.

Ist es denn angenehmer, vor einem „professionellen“ Publikum zu spielen, das vielleicht mehr von Musik versteht, dafür aber auch jeden Fehler hört, oder ist ein weniger geschultes Publikum angenehmer?

Yorgos Nousis: Beides hat etwas. Wenn du auf einem Gitarrenfestival spielst, hast du fast nur Profis im Publikum. Da schauen dir alle auf die Finger. Aber das macht mich nicht nervös. Im Gegenteil: Ich liebe das. Letztlich steht aber immer die Musik im Vordergrund. Und wenn du gute Musik spielst, berührst du alle gleichermaßen.

Hast Du außer den genannten (Klassik, Volksmusik und Flamenco) denn auch noch andere musikalische Vorlieben, auf die man, wenn man Deine Musik hört, aufs erste nicht kommen würde? Death Metal beispielsweise?

Yorgos Nousis: Nicht unbedingt Death Metal (lacht), aber ich habe schon einen starken Rock-Background. Ich habe mit 15 Jahren wie viele andere Jungs auch in einer Rockgruppe gespielt und liebe diese Musik immer noch. Ich spiele auch sehr gerne E-Gitarre, immer auch ein wenig Metal. Als Gitarrist ist man für Metal sowieso empfänglich, weil es einfach wirklich gute Nummern gibt. Gut komponiert und gut gespielt. Man lernt, indem man Metal hört, sehr viel dazu.

Im Jahr 2008 kamst Du nach Wien. Aber schon vorher, in den Jahren 2002 bis 2004, hast Du am Salzburger Mozarteum studiert. Wie war die Zeit für Dich am Mozarteum?

Yorgos Nousis: In Salzburg, und gleichzeitig auch in Cordoba, habe ich klassische Gitarre studiert und die Bachelor- und Masterprüfungen absolviert. Ich habe dort enorm viele Sachen gelernt, die für mich heute sehr wichtig sind. Aber, um ehrlich zu sein, finde ich Wien für mich als Musiker viel besser als Salzburg.

Weshalb?


Yorgos Nousis:
Wien ist für mich einfach die bessere Mischung aus Musik und anderen Dingen. Salzburg ist sehr klassisch und konservativ. Wien bietet einfach mehr Möglichkeiten. Hier habe ich meine erste CD aufgenommen…

„An Introduction to a Theme“?


Yorgos Nousis:
Richtig. Mit Schlagzeug, Bass, und auf einem Lied ist auch Klavier zu hören. Diese CD haben wir hier in Wien in einem öffentlichen Studio aufgenommen.

Was geschah nach der Zeit in Salzburg? Gingst Du gleich danach nach Wien?

Yorgos Nousis:
Nein, ich ging ein Jahr nach Athen. Nach Salzburg hatte ich ein paar Bands und wir haben viel gespielt. Wir haben versucht, uns mit Musik durchzuschlagen. Das war auch relativ erfolgreich – ich war damals 28 und 29. In Salzburg hatte ich viele gute Freunde gewonnen, mit denen ich mich dann in Wien zum Musizieren getroffen habe. 2008 waren wir dann in Wien und haben eben „An Introduction to a theme“? aufgenommen, Mit Alex Petkov am Schlagzeug und dem Australier Roger Lock am Bass. Clemens Novak hat für einen Song Klavier gespielt. Das war schön. So bin ich hängengeblieben.

Gehen wir zu Deiner aktuellen CD „My Guitar“. Ist „Savarez“ Dein eigenes Label?

Yorgos Nousis:
„Savares“ ist Hersteller von Gitarrensaiten und Sponsor. Aber grundsätzlich ist alles „selfmade“. Amazon und ITunes vertreiben das Album online. Und ich versuche, so viele Konzerte wie möglich zu spielen, um meine Songs und das Album dort auch gut zu verkaufen.

Lebst Du denn von der Musik oder eher vom Unterrichten?

Yorgos Nousis: Beides. Ich lebe vom Unterrichten und vom Spielen.

Was würdest Du sagen, ist das Wichtigste, das Du Deinen Schülern beibringen kannst?

Yorgos Nousis: Nicht zu planen, was in fünf oder zehn Jahren passiert. Wenn die Kids zwei, drei Jahre spielen und dann sagen „Ich liebe die Gitarre. Ich will spielen. Das ist mein Ziel“, ist das toll, aber jedes Kind ist verschieden. Jedes Kind will etwas anderes lernen. Die einen wollen Klassisches lernen, die anderen Modernes. Ich frage sie immer, was sie lernen wollen und versuche dann die Klassik mit dem Pop zu verbinden, um ihnen beides nahe zu bringen. Anfangs aber lasse ich immer die Kinder entscheiden, was sie spielen wollen. Dann später lege ich ihnen die Dinge nahe, die ich wichtig finde. Musik von den Beatles oder Queen oder sogar Avici. Das ist wichtig für alle Kinder. Auch Rock Musik von Led Zeppelin natürlich. Die Kinder sollen alles kennenlernen.
Am Konservatorium, wo ich auch unterrichte, ist es natürlich etwas anderes. Dort spielen wir nur klassische Musik. An der Volkshochschule oder im Privatunterricht gibt es darüber hinaus auch viele andere Sachen.

Wie bist Du selbst zur Musik gekommen?


Yorgos Nousis:
Wir hatten zuhause eine Gitarre. Weil mein Bruder ein bisschen spielte, hab dann auch ich begonnen. Da war ich ca. neun Jahre alt.

Relativ spät eigentlich, um professioneller Musiker zu werden.

Yorgos Nousis: Das war eigentlich relativ spät, ja. Ich konnte zwar davor schon etwas Klavier spielen, war damit aber nicht so zufrieden. Gitarre zu spielen war im Vergleich dazu relativ einfach. Und ich habe sofort eine Passion dafür entwickelt. Studiert habe ich in Griechenland, am Konservatorium bei Costas Cotsiolis, einem sehr bekannten Gitarristen, und dann auch in Salzburg am Konservatorium, und in Cordoba.

Hast Du vor, irgendwann zurück nach Griechenland zu gehen oder willst du für immer hier bleiben?

Yorgos Nousis:
Ich möchte schon irgendwann zurück. Ich weiß zwar nicht wann, aber ja. Durch die Krise ist die Situation vor allem in Athen sehr schwierig. Am Land, auf Naxos etwa, weniger. Wenn dann will ich zurück aufs Land, um die Ruhe zu genießen. In Athen gibt es zu viel Trubel. Das kann man mit Wien nicht vergleichen. Wien ist normal und ruhig. (lacht) In Athen ist es für alle hart momentan. Meiner Familie geht es gut, aber das ist eher Glück. Viele meiner Freunde versuchen einfach, etwas völlig anderes zu machen.

Beispielsweise?

Yorgos Nousis: Ich habe z.B. einen guten Freund, der Architekt ist. Er hat aber auch ein großes musikalisches Talent. Jetzt schlägt er sich gerade mit dem Musizieren und dem Schreiben von Kinderliedern durch, anstatt als Architekt Geld zu verdienen.

Und wann hast Du vor, wieder nach Naxos zurückzukehren?

Yorgos Nousis:
In den nächsten fünf bis zehn Jahren, so mein Plan. Aber ich liebe Österreich. Hier läuft alles wunderbar für mich.

Welche Konzerte sind in nächster Zeit geplant?

Yorgos Nousis: Die zwei eingangs erwähnten in Bukarest. Weitere in der Slowakei. Im Forum Wien gebe ich beim Gitarrenfestival ein Gitarrenkonzert. Im Oktober spiele ich dann im Radiokaffee im Radiokulturhaus. November bin ich in Kroatien auf einem Festival zu hören. Im Juli spiele ich einige Konzerte in Griechenland. Auch in Rumänien spiele ich demnächst auf einem Filmfestival von mir überarbeitete Soundtracks von Filmen – einige davon sind auf meiner letzten CD zu hören. Jetzt im Mai werde ich auch noch die Musik für einen Film komponieren. Eine griechische Freundin von mir dreht einen 20minütigen Kurzfilm. Ich habe noch nicht alle Infos, aber die bekomme ich Mitte Mai und komponiere dann die Musik dazu.

Gibt es schon Pläne für ein nächstes CD-Projekt?

Yorgos Nousis: Ich hoffe, dass ich bald eine CD mit zwei griechischen Freunden als Trio aufnehmen werde. Wieder mit Schlagzeug und Bass. Wie beim ersten Album, allerdings mit E-Gitarre statt der klassischen. Es wird eher ruhigere Musik, und wir wollen in Athen aufnehmen. Im Juli möchten wir ein Demo mit drei Liedern erstellen und auf dem dann ein Album aufbauen.

Wenn Du die griechische Art zu Leben mit der österreichischen vergleichst, wo liegen die Unterschiede? Was sind die Vor- und Nachteile?

Yorgos Nousis:
In Wien funktioniert einfach alles perfekt verglichen mit Athen. Es ist für mich sehr einfach hier zu leben. Ich kann hier planen. Ich weiß wann ich wegfahren muss, um rechtzeitig bei einem Termin zu sein. Im Großraum Athen leben fast 5 Mio. Leute und das macht alles komplizierter. Alles dauert länger. Und die Lebensqualität ist hier einfach besser. Man kann in Ruhe arbeiten und hat einfach mehr Zeit, um Musik zu machen und zu komponieren. Man ist frei, um zu improvisieren.

Worauf, denkst Du kommt, es an, wenn man sich musikalisch von der Masse abheben will?

Yorgos Nousis: Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Ich würde sagen, dass es am besten ist, etwas zu machen, das für einen selber gut ist. Einfach Musik machen, die dich wiedergibt und nichts kopiert. Und das ist gar nicht so leicht.

Vielen Dank für das Gespräch.
Fotos. Markus Deisenberger

Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.

http://www.yorgosnousis.com/