Gericht gibt Musikerin im Rechtsstreit gegen Produzenten recht

Eine Musikerin beginnt eine Zusammenarbeit an ihrem zweiten Album mit einem erfahrenen Musikproduzenten, der zugleich Präsident der Austrian Composers Association sowie Lehrbeauftragter am ipop der mdw–Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ist.

Sie vertraut seinem Vorschlag, anstatt einer Bezahlung Beteiligungen an zukünftigen Gewinnen, Verlagsrechten sowie Kompositionsrechten aus den gemeinsam geschaffenen Werkversionen (die Originaltitel stammen von der Musikerin alleine) zu vereinbaren.

Sie investiert Zeit sowie neben einer Förderung auch eigenes Geld in die gesamte Produktion, bei der von ihr engagierte Musiker:innen die Instrumentalspuren extern aufnehmen und anliefern, sie selbst mit eigenem Vocal-Producer Team ihre Vocalspuren in einem externen Studio aufnimmt und ebenso anliefert. Alle Songs stammen von ihr.

Letztendlich muss sie sich auf dem Rechtsweg vor einer abstrus hohen, existenzbedrohenden Geldforderung seitens des Musikproduzenten retten. Das Gericht gibt der Künstlerin recht.
Wir veröffentlichen diesen Artikel mit Nennung des Namens des Musikproduzenten. Er ist Präsident der Austrian Composers Association, der größten österreichischen Komponist:innenvereinigung, welche für die Interessen von Komponist:innen eintritt, sowie Lehrbeauftragter am ipop der mdw–Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Unmittelbarer Auslöser war eine Stellungnahme von Harald Hanisch vom 19. September 2023, in der er sich uneinsichtig zeigt. Dies ist der Fall der Musikerin Anne Eck.

Selten, aber doch wagen sich Musiker:innen, denen Unrecht widerfahren ist, mit ihren Fällen in Österreich an die Öffentlichkeit oder vor Gericht. Meistens dann, wenn der Leidensdruck so hoch ist, dass nichts anderes übrigbleibt. So auch Anne Eck, Musikerin, Komponistin und Künstlerin in Wien. Auf Instagram teilte sie im Sommer 2022 den Grund, warum ihr Album doch nicht erscheinen würde: Ihre Produktion mit dem Musikproduzenten und Präsident der Austrian Composers Association, Harald Hanisch, kommt 2021 nach ungefähr zwei Jahren fallweiser Zusammenarbeit aufgrund unüberwindbarer Diskrepanzen zum Stillstand.

Auslöser ist eine Meinungsverschiedenheit zum Mix für eine geplante Single-Auskopplung. Eck holt für diese, in Abstimmung mit Hanisch, einen neuen Mixing Engineer an Bord. Beide vereinbaren, dass die Vocalspuren von Eck und die Tonspuren von Hanisch an den neuen Mixing Engineer angeliefert werden. Jedoch weigert sich Hanisch, die Tonspuren herauszugeben, um die Musikerin in eine neue Vereinbarung zu drängen. Neben den bereits ausgemachten Beteiligungen fordert Hanisch noch weitere Besserstellungen. Die Musikerin ist überrumpelt, stimmt vorerst zu und erkennt für sich, dass damit die Ebene einer fairen Zusammenarbeit verlassen wurde, was sie Hanisch auch so mitteilt.

Kurz darauf der Schock: Eine Rechnung in der Höhe von 320.000 Euro netto, ausgestellt von Hanisch an Eck. Er bestand plötzlich auf stundenweiser Abrechnung. „Ich war fassungslos. Vor allem das Ausmaß von 1600 Arbeitsstunden war völlig absurd. Die Hauptarbeit der Albumproduktion lag bei mir“, schildert Eck. Ihr Rechtsanwalt Wolfgang Renzl, der über fünfzehn Jahre Erfahrung im Musikbusiness vorzuweisen hat, bestätigt ihr, dass dieses Vorgehen nicht branchenüblich sei und Hanisch keinen Anspruch auf Bezahlung der Rechnung habe. Seiner Meinung nach ziele das Vorgehen nur darauf ab, einen (ehemaligen) Vertragspartner zu ruinieren: „Hanisch war ja bewusst, dass die Musikerin die Rechnung niemals bezahlen könnte, er wollte also die Musikerin wirtschaftlich vernichten und in die Insolvenz drängen.“

Harald Hanisch hat dieser Rechnung als Beweismittel im späteren Gerichtsverfahren eine Stundenauflistung beigelegt. Sie hat im Verfahren keine Rolle gespielt, da die Forderung schon dem Grunde nach nicht zurecht bestand und das Gericht die Stundenauflistung daher nicht überprüft hat.

Auf der Rechnung und auf den Mahnungen sind 1600 Stunden angeführt; in der Stundenauflistung ist jedoch dann von 1167 Stunden die Sprache. Wirft man einen Blick auf die detaillierte Stundenauflistung ist diese Anzahl von Stunden nicht korrekt. Die Summe an Stunden die sich aus der Arbeitsdauer ergibt, weisen häufige Rechenfehler auf; zeitgleich werden vielfache Zeiträume einfach doppelt bis fünffach gebucht. Ein Beispiel, wie aus 8 Stunden 23 Stunden werden:

12.11.2019
Song Fake Talk            08-16
Song Hmh                    10-16
Song GFBS                  11-16
Song No Free Entry     13-16
Song We                      15-16

Auf die Rechnung folgten Mahnungen. Spätestens dann wurde Eck klar, dass sie handeln muss. „Diese Rechnung lastete auf mir so sehr, dass ich Existenzängste hatte. Ein Jahr lang war ich einem unbeschreiblichen, psychischen Druck ausgesetzt“, so Eck.

Sie ging in die Offensive und entschloss sich, nach der Empfehlung ihres Rechtsanwalts auf Feststellung zu klagen, dass die Rechnung nicht zu Recht besteht.

Anne Eck
Anne Eck (c) Pamela Rußmann

Dann die nächste Bestürzung: Obwohl die Musikerin Hanisch nur Rechte an Werkversionen eingeräumt hatte, hat Hanisch bei der AKM auch Rechte an den Originalversionen reklamiert. Die Auszahlung zu diesen Werken wurde von der AKM für sechs Monate gesperrt. Die Sperre wurde nach Ablauf der sechs Monate wieder aufgehoben, da von Hanisch kein Nachweis der Miturheberschaft erbracht wurde.

Anne Eck gewinnt die Feststellungsklage in erster und zweiter Instanz. Trotzdem blieb ein enormer Schaden: Kein Album, demnach keine kommenden Einnahmen. Finanziell sowie psychisch trieb es die Musikerin beinahe in den Ruin.

„Diese gesamte Situation – die Höhe der Rechnung, der massive psychische Druck, das Ohnmachtsgefühl mit der AKM-Sperre –, all das hätte ich nie für möglich gehalten. Das hat zum damaligen Zeitpunkt meinen Glauben an die Menschen sehr erschüttert.

Ich hatte sehr reale Existenzängste, habe über ein Jahr lang gekämpft für meine Arbeit und für mich als Künstlerin. Mein Album ist natürlich als Konsequenz nie erschienen und ich musste neue Wege finden. Mit der Unterstützung meines Anwalts, den Kreis der Menschen um mich herum und mit Therapie konnte ich die Kraft finden, diesen Prozess zu überstehen und auch endlich Recht zu bekommen. Dafür bin ich sehr dankbar, weiß aber, dass es ohne diese Hilfe auch sehr anders hätte aussehen können.“

Exzerpt des Gerichtsurteils

Das Gericht hat in zwei Instanzen (Urteil Landesgericht für Zivilrechtssachen vom 31.8.2022 und Oberlandesgericht Wien vom 12.12.2022) folgendes festgestellt:

Herbst 2019: Beginn der Zusammenarbeit.

Die Klägerin stellte die Vocal-Spuren bereit und organisierte die Musiker, der Beklagte bearbeitete diese aufgenommenen Vocal- und Musiker-Tonspuren, und stimmte sie aufeinander ab. Beide Parteien arbeiten an der Übersetzung von englischsprachigen Liedern der Klägerin ins Deutsche.

Zwischen beiden Parteien wurden für die Erbringung von Arbeitsleistungen keine wechselseitigen Zahlungspflichten vereinbart, sondern es wurden Beteiligungen eingeräumt, um die Aufteilung der Anteile an den zukünftigen, erhofften Einnahmen aufgrund der Werke (§ 1 Urheberrechtsgesetz) und der Tonaufnahmen (§ 76 Urheberrechtsgesetz) zu vereinbaren.

Bei der Bearbeitung des Liedes „Stück Papier“ kam es zu Meinungsverschiedenheiten.

7.6.2021: Dem Beklagten wurden Miturheberrechte an insgesamt 12 Liedern eingeräumt.

9.6.2021: Die Klägerin schreibt dem Beklagten, dass die in der Vereinbarung vom 7.6.2021 eingeräumten Beteiligungen nicht die Werthaltigkeit der Leistungen des Beklagten widerspiegeln würden. Sie unterbreitete das Angebot, dem Beklagten für seine bisherige Arbeit EUR 12.000 zu bezahlen (neun Lieder zu je EUR 1.300,–), ihm eine 25%-Beteiligung aller ins Deutsche adaptierten Songs einzuräumen, ihn als Produzent anzuführen und die weiteren Kosten selbst zu tragen. Für den Fall der Nichteinigung erklärte die Klägerin die Beendigung der Zusammenarbeit.

Der Beklagte Harald Hanisch lehnte den Vorschlag ab und teilte der Klägerin mit, dass er im Falle einer einseitigen Kündigung der Verträge seine bisherige Arbeitszeit voll und ganz verrechnen werde.

15.6.2021: Der Beklagte stellte seinerseits eine Rechnung in Höhe von EUR 320.000 netto auf der Basis einer Arbeitszeit von 1.600 Stunden zum Stundensatz von EUR 200,–.

31.8.2022 und 12.12.2022: Das Gericht hat der Klägerin Recht gegeben und in zwei Instanzen festgestellt, dass die Rechnung in Höhe von EUR 320.000 zu Unrecht gestellt wurde.

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Wenn sich mehrere Personen zusammenschließen, um durch eine bestimmte Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen, liegt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor. Der Beitrag der Gesellschafter kann sich auf die Leistung von Diensten beschränken (Arbeitsgesellschafter). Durch die Zusammenarbeit und die wechselseitige Einräumung von Beteiligungen sowie Miturheberrechten haben die Klägerin und der Beklagte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts geschlossen.

Arbeitsgesellschafter:innen können für die Vornahme der von ihnen geschuldeten Tätigkeiten kein Entgelt verlangen, es steht somit kein Aufwandsersatz zu. Es steht auch kein Schadenersatz zu, weil zwischen den Parteien Beteiligungen und Urheberrechte eingeräumt wurden, über die der Beklagte weiterhin verfügt.

Die Stellungnahme von Harald Hanisch

Hanisch schreibt der Redaktion, dass er „mit viel Herzblut und Enthusiasmus“ auf der Basis von Gewinnbeteiligungen und Rechteeinräumungen an einer Album-Produktion mit der Künstlerin Anne Eck gearbeitet hat. Der Tonträger sollte vom Label von Anne Eck vermarktet werden, der Verlag war jener von Harald Hanisch.
Die Beendigung der Zusammenarbeit sei für ihn aus heiterem Himmel gekommen.

Eine Rechnung hätte er gestellt, weil sich durch die Beendigung der Zusammenarbeit „das Ergebnis von zwei Jahren Arbeit in Schall und Rauch aufgelöst“ hätte. Er sei weder alleiniger Urheber der produzierten Songs noch deren Interpret, und somit gäbe es für ihn auch keine Möglichkeit, die vorliegenden fast fertigen Ergebnisse in irgendeiner Art und Weise weiterzuverwenden. [Anmerkung der Redaktion: Diese Möglichkeit gab es auch für Anne Eck nicht.]

Zur [Anmerkung der Redaktion: letztlich irrelevanten, da zu Unrecht gestellten] Rechnung bzw. der hohen Stundenanzahl verweist Hanisch auf den auf Perfektion ausgerichteten, qualitativen Produktionsstandard, der sich in den vergangenen 40 bis 50 Jahren etabliert hätte. Bei der Produktion mit Anne Eck wäre es darum gegangen, ein auf die Besonderheit der Stimme perfekt abgestimmtes klangliches Sounddesign – das heißt, ein in sich perfektes Gefüge – zu kreieren. Zwei Jahre Arbeit für eine Produktion wären in der Tat eine lange Zeit, allerdings im Bereich qualitativ hochwertiger Produktionen in der Branche durchaus nicht unüblich.

Außerdem hätte er vor Klagserhebung durch Anne Eck das Angebot gemacht, die Summe zu reduzieren. Zu den Doppel- bis Fünffachbuchungen schreibt Hanisch, ihm seien unter Zeitdruck Fehler passiert. Bei der Verwertungsgesellschaft AKM hätte er nicht die Rechte an den Originalversionen reklamiert.

Die Austrian Composers Association (ACOM)

Harald Hanisch ist Lehrbeauftragter am ipop/mdw und auch Präsident der größten österreichischen Komponist:innenvereinigung Austrian Composers Association. Diese tritt für die Interessen der österreichischen Komponist:innen ein.

Hanisch hat einen Tag nach dem Gerichtstermin am09. Juni 2022 eine Nachricht an alle ACOM-Mitglieder abgeschickt, um sein Vorgehen zu rechtfertigen. Auch die Verwendung eines Vereinsverteilers für eine subjektive Schilderung in eigener Sache wirft Fragen nach dem rechtmäßigen Umgang mit personenbezogenen Daten des Vereins auf.

Dazu schreibt Hanisch, er hätte die E-Mail an die Mitglieder der ACOM als Reaktion auf die Social-Media-Postings von Anne Eck ausgesendet. Aufgrund einer Vielzahl von Anfragen bezüglich dieser Sache sei er gezwungen gewesen, seine Sicht der Dinge darzulegen.

Zwei Vorstandsmitglieder der ACOM sahen sich unter anderem auch aufgrund der Enttäuschung über mangelnde Transparenz in Zusammenhang mit der Causa Eck/Hanisch dazu veranlasst, im Sommer 2022 von ihrer Vorstandsfunktion bei der ACOM zurückzutreten: „Man soll Vorbildwirkung zeigen, wenn man eine Zunft vertritt“, formuliert eines dieser Vorstandsmitglieder seine Unzufriedenheit mit dem Umgang in dieser Angelegenheit im Vorstand der ACOM. Anne Eck hätte aus Sicht dieser Vorstandsmitglieder die Gelegenheit gegeben werden sollen, dem Vorstand der ACOM ihre Version der Sache darlegen zu können. Alle Bemühungen in diese Richtung scheiterten allerdings an der Ablehnung von Hanisch und weiterer Mitglieder des Vorstands. 

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Stellungnahme der ACOM:

Mit 13.11.2023 ist Herr Prof. Harald Hanisch von seiner Funktion als Präsident der Austrian Composers (ACOM) zurückgetreten. Der Austrian Composers (ACOM)-Vorstand enthält sich in der Folge jeder weiterer Äußerungen.

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Links:
Anne Eck
Austrian Composers