Georg Vogel und Alexander Yannilos (Verein Freifeld) im Interview

Es war eine sehr arbeitsintensive, aber auch sehr erfolgreiche Freistunde-Saison, welche der Verein Freifeld hinter sich gebracht hat. Die Konzertreihe, die sich als Plattform für progressive Musik versteht, hat es zur Freude aller geschafft, sich zu etablieren und darüber hinaus auch viel neues Publikum anzulocken. Georg Vogel und Alexander Yannilos, die beiden Initiatoren der Reihe, im Gespräch mit Michael Ternai.

Nun ist die zweite Saison eurer Konzertreihe Freistunde zu Ende gegangen. Wenn ihr das vergangene Jahr einmal Revue passieren lasst, was lässt sich sagen, welche Entwicklung hat sie für euch genommen. Als außenstehender lässt sich auf jeden Fall wahrnehmen, dass wirklich viele Leute zu Besuch waren. Vor allem viel junges Publikum.

Georg: Ja, das stimmt. Wir haben es mit unserer Programmierung auch ein wenig darauf angelegt. Eben viele verschiedene Leute zu präsentieren, die wiederum ein unterschiedliches Publikum ansprechen. Uns war es wichtig, ein so buntes Programm wie möglich anzubieten. Was in diesem Jahr ja auch passiert ist. Einige Sachen, die wir für die Reihe bereits einmal angedacht haben und auch schon letzte Saison schon ein wenig umzusetzen begonnen haben, haben sich nun doch eingespielt. Auch hat sich der Umzug für uns in den Raum des mica, mit dessen tollen akustischen Voraussetzungen, die wir auch selbst noch weiter verfeinert haben, ausgezahlt. Das alles hat uns letztlich auch ermöglicht, uns mehr auf unsere eigentlichen Ziele zu fokussieren, und zwar darauf progressiver Musik eine Plattform zu bieten und diese auch zu dokumentieren. Ein Unterschied nämlich auch zur ersten Saison ist auch, dass wir diesmal fast lückenlos alle Konzerte mitgeschnitten haben und sie nun auf unserer Homepage in gesammelter Form, abschnittweise oder zur Gänze, abrufbar sind.

Alex: Inzwischen handelt es sich doch schon über 30 Stunden Material. Und man kann auch schon sagen, obwohl wir noch keinen ganz genauen Einblick haben, dass auch viel auf dieses zugegriffen worden ist. Bei manchen Mittschnitten sind es viele hunderte Leute, die sich einen solchen angesehen haben. Und das sind nur die, die wir über bestimmte Links nachverfolgen können. Uns haben sogar schon Leute aus den USA, die uns  entdeckt oder empfohlen bekommen haben, anschrieben, die meinten, sie hätten sich die Konzerte angehört und angesehen. Auf diese Weise haben sie Bands kennen gelernt, die sie vermutlich sonst nicht entdeckt hätten. Wer weiß, was sich daraus in Zukunft noch ergeben könnte.

Habt ihr das Gefühl, dass euer Verein und die Konzertreihe eine Art Marke geworden ist? Dass heute mit eurem Namen doch mehr Leute als wie noch vor einem Jahr mit diesem etwas anfangen können?

Alex: Also, ich glaube schon. Jetzt nach insgesamt zwei Saisonen hat sich, denke ich, sowohl für uns, wie auch für das Publikum die ganze Sache doch konkretisiert. Zum einen hat sich unsere Stellung gefestigt und zum anderen hat sich auch die Zahl derjenigen, die uns kennen, gesteigert. Es gibt Leute, die inzwischen regelmäßig kommen und solche, die immer neu dazu stoßen. Eben weil sich unser Ruf doch auch eine gewisse Weise verbreitet.  Man kann auch sagen, dass wir einiges dazu gelernt haben, dass wir schnell erkannt haben, was in der Vergangenheit vielleicht ein wenig falsch gelaufen ist, und wie wir manche Dinge besser machen könnten.

Georg: Man kann es vielleicht auch so sagen, dass wir mit dem Verhältnis, in dem wir uns das Ganze am Anfang vorgestellt haben, und wie es sich heute darstellt, wirklich zufrieden sind. Vor allem auch mit der Arbeit am Online-Archiv, die wir, als wir hierher in mica gezogen sind, noch einmal versucht haben zu forcieren.

Habt ihr vor zwei Jahren, als ihr mit der Reihe begonnen habt, eigentlich vorstellen können, in welch positive Richtung diese sich entwickelt?  Und vor allem das es so schnell geht, ein doch wachsendes Publikum zu generieren?

Alex: Da würde ich weiterhin dabei bleiben und sagen, dass wir schon ganz am Anfang, noch bevor wir noch irgendwelche großen Erfahrungen in dieser Richtung gehabt haben, gewusst haben, dass wir, wenn wir mit aller Energie dahinter sind, die Sache auch gut machen werden. Auch war uns klar, dass es immer auch Leute geben wird, bei denen nicht unbedingt die Gage der ausschlaggebende Punkt ist, sondern die zu uns kommen, weil sie etwas wirklich Kreatives und Fortschrittliches machen wollen. Und auf der anderen Seite, haben wir gehofft, dass es eben auch die Leute gibt, die sich genau so etwas anhören wollen.

Georg: Genau. Unser Konzept war niemals darauf angelegt, ein Veranstalter für ein großes Publikum zu sein. Uns geht es um die Sache, um die Musik.

Alex: Was wir niemals werden wollen, ist ein Club, der nach kommerziellen Aspekten agiert  Eine der Erkenntnisse des vergangenen Jahres ist, dass es sehr wichtig ist, dass den Leuten, allen, den MusikerInnen wie auch dem Publikum,  klar ist, wofür wir stehen. Dass unsere Intention es eben nicht ist, den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen. Wir kommen ja nach wie vor komplett ohne irgendeine Förderung aus. Es soll klar sein, dass der von uns nach dem Prinzip „Pay as you wish“ angelegte Eintritt,  wirklich das Geld ist, das an die MusikerInnen fließt und auch sonst die ganze Sache am Laufen hält. Bei uns ist nach wie vor alles auf die Initiative der einzelnen angelegt und nicht nach einem wirtschaftlichen Standpunkt.

Georg: Natürlich helfen uns dabei auch das Umfeld und die Infrastruktur. Dass wir hier im mica einen Ort gefunden haben, an dem wir unsere Vorstellungen verwirklichen können. Aber im Grunde läuft die Aktion weiterhin über die Eigeninitiative und das eigene finanzielle Risiko. Daran hat sich nicht geändert.

Um jetzt kurz von der Publikumsseite hin zur MusikerInnen-Seite zu wechseln. Mich haben schon einige MusikerInnen danach gefragt, wie man mit euch in Kontakt treten kann, um bei euch zu spielen. Offensichtlich dürfte eure Konzertreihe in der Szene doch schon ordentlich die Runde gemacht zu haben.

Alex: Es gibt inzwischen wirklich schon extrem viele Anfragen. Und wenn wir jetzt jede Anfrage verbuchen würden, müssten wir die Konzerte schon für das übernächste Jahr planen. Darüber hinaus glaube ich, wenn wir das machen würden, doch viel von unserer Idee verloren ginge, nämlich das wirklich aktuelle Geschehen in der jungen Jazzszene abzubilden. Es taucht nämlich immer etwas Neues auf, das es wert ist, präsentiert zu werden. Und diesem Neuen sollte man schon den Platz lassen. Natürlich wäre es schön, würden alle ihren Platz kriegen. Aber man muss schon auch realistisch sein.

Georg:
Wir haben ja auch nicht den Anspruch allen einen Platz zu bieten. Das ginge ja auch nicht. Wir wollen vor allem diesen Sachen eine Plattform bieten, bei denen es  genau in diesem Moment wichtig ist, dass sie präsentiert werden. Und aus meiner Sicht ist dies auch der einzige Weg, wie das Ganze funktionieren kann.

Alex:
Das ist eben der Punkt. Wir bekommen nämlich auch schon Anfragen von MusikerInnen und Bands, die von uns die gleichen Konditionen erwarten, wie von einem Club, der rein profitorientiert agiert. Mir ist wichtig, dass die Leute wissen, an welcher Adresse sie bei uns sind, dass sie bei uns eben nicht nach standardisierten Konditionen spielen. Es hat sich gezeigt, dass es den Bands und MusikerInnen, die bei uns gespielt haben, sehr gefallen hat. Dass sie  unser Konzept kennen und auch sehr schätzen. Und genau diesen Leuten wollen wir die Bühne geben. Dadurch ergibt sich eine Win/Win Situation, von der alle, die MusikerInnen, das Publikum und wir profitieren. Bei uns verlässt niemand das Konzert mit einem schlechten Gefühl, wenn er weiß, woran er bei uns ist.

Georg: Was aber natürlich nicht bedeutet, dass wir ausschließlich Bands und MusikerInnen aus unserem Dunstkreis einladen. Natürlich sind solche auch dabei, aber nicht nur.

Was mir an eurem Programm auffällt, dass es kaum Wiederholungen gibt, dass eben immer andere Bands spielen. Klar sind manche MusikerInnen in unterschiedlichen Formationen schon einmal öfters bei euch aufgetreten, dennoch, ihr bringt immer etwas Neues, noch Unbekanntes. Eure Reihe ist schon ungewöhnlich vielfältig.

Alex: Diese Vielfalt entsteht auch daraus, dass man sich eben nicht damit begnügt, alleine nur bereits arrivierte und bekanntere Leute einzuladen.

Georg: An irgendwelchen großen Namen orientieren wir uns soundso nicht.

Alex: Bei uns sind vorwiegend Leute zu Gast, deren Namen noch nicht so oft auf Plakaten zu lesen waren. Aber genau die wissen das zu schätzen, was ich vorher schon erläutert habe. Sie wissen für was die Freistunde steht. Sie kommen oft zu den Konzerten, um etwas dazu beizutragen, sie nützen das Archiv und geben auch Feedback. Genau diese Dinge sind es, die für uns zählen. Wir verdienen aus der Reihe keinen Cent für uns, weil wir auch nicht die Ambition haben eine profitable Sache daraus zu machen. Die Idee der Freistunde soll eher aus dem Ideal heraus wachsen.

Georg: Profitabel soll es schon sein. Aber nicht im Sinne eines finanziellen Gewinns. Was aber nicht heißt, dass wir uns nicht mit finanziellen Fragen auseinandersetzen. Das schon. Aber sollte einmal mehr Geld zur Verfügung stehen, dann würde das alleine in die Reihe fließen.

Alex: Genau. Es soll dieses Prinzip des Gebens und Nehmens auf jeden Fall aufrecht bleiben. Je mehr wir bieten können, desto mehr kann auch jeder beitragen.  Und das tut ja jetzt ohnehin  schon jeder, der bei uns zu Gast ist, indem für Konditionen gespielt wird, die nicht das große Geld erwarten lassen. Manchmal kommt auf der Pay as you wish Basis eben weniger Geld zusammen, manchmal aber auch, und das ist das besonders Schöne, doch so viel, dass wir den Leuten doch eine brauchbare Gage auszahlen können.
Vielleicht sollte man auch erwähnen, dass jetzt Philip Harnisch ein Mitglied des Vereins geworden ist, was vor allem für die kommende Saison eine Verstärkung bedeuten wird. Wir haben schon diverse Pläne, und die erfordern doch ein größeres Maß an Unterstützung. Aber nicht nur aus diesem Grund ist er zu uns gestoßen. Er identifiziert sich auch mit unserer Idee. Wir freuen uns schon, wenn unser Verein immer weiter wächst, bis eben eine richtige Plattform entstanden ist.

Georg: Wir stehen für alle Leute offen, die eine Idee haben, die unserem Verein weiterhelfen und uns auch Feedback geben, was wir vielleicht besser machen könnten.

In wieweit versteht ihr euch schon als eine Art Knotenpunkt für die Wiener Jazzszene? Vor allem im Sinne, dass sehr viele Leute aus den unterschiedlichen Jazzkreisen bei euch zusammenkommen und Konzerte spielen.

Alex:
Wenn man meint, dass wir eine Plattform sind, auf der Leute aus den unterschiedlichsten Richtungen zusammenkommen, dann kann man vielleicht von einem Knotenpunkt sprechen. Wenn man es so deuten will, dass es sich bei uns um einen erlesenen Kreis handelt, dann ist das mit Sicherheit nicht der Fall. Wir haben viel in der Hinsicht gelernt, mitbekommen und selber am eigenen Leib erlebt, die Schattenseiten dieser Freunderlwirtschaft. Wenn das Ideal nicht das Wichtigste ist, dann sollte man aufhören. Auch in dem Wissen darüber, dass man selber immer up to the Date bleiben wird, aber auch sehen kann, wie manche Leute den Kontakt zum eigentlichen Geschehen verlieren und nur noch, und das ist die andere Art von Knotenpunkt, ihren Kreis bedienen, wollen wir eine solche Entwicklung auf jeden Fall verhindern. Wir wollen eine Anlaufstelle für möglichst viele und später noch auftauchende MusikerInnen sein.

Ihr habt vorher erwähnt, dass ihr schon einige neue Ideen habt. Was wird in der nächsten Saison anders sein?

Georg: Was sich ändern wird, ist, dass unsere Gruppe, unser Verein  größer wird.  Wir waren zwar mal schon mehr Leute als jetzt, aber es war doch im letzten Jahr so, dass Alex und ich den Betrieb alleine aufrecht gehalten haben. Und nun erhoffen wir uns, dass doch noch mehrere Leute hinzukommen, die unterstützen wollen. Und das muss jetzt nicht unbedingt ausschließlich in der Unterstützung der Konzertreihe münden. Wir sind auch offen für andere Ideen, für Dinge, auf die wir selbst bislang noch nicht gekommen sind.

Alex: Wir wollen darüber hinaus in den nächsten Jahren noch autonomer werden und vielleicht auch einen Vorteil daraus machen, dass wir nicht von Förderungen abhängig sind. Vielleicht erreichen wir einmal die Position, die eine solche für uns eh nicht mehr notwendig macht.

Habt ihr die Hoffnung, jemals eine Förderung zu erhalten, schon aufgegeben?

Alex: Vielleicht wollen wir wirklich darauf warten, dass unsere Position noch gefestigter ist. Weil wenn wir eine je bekommen sollten, diese einzig dazu dienen soll, dass Ganze auf ein neues Level zu heben. Wir wissen, dass der Betrieb, wie er jetzt funktioniert, abhängig ist von viel unbezahlter Arbeit. Uns unterstützen Leute, die vielleicht nicht offiziell beim Verein sind, aber dennoch jedes Mal mithelfen, bei der Gastro etwa usw. Wenn wir jetzt wirklich einmal frei über die Ressourcen verfügen könnten, wäre das Ideal vielleicht doch auch, dem Ganzen einmal auch ein eigenes Dach zu geben, unter dem noch mehr möglich sein könnte. Wer weiß, ob es alleine bei einer Konzertreihe bleiben muss. Vielleicht ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten.

Denkt ihr eventuell auch über ein mehrtägiges Festival nach?

Alex: Da gab es schon auch immer wieder Überlegungen. Aber man auch sagen, dass es wir beide durch die Reihe eigentlich voll ausgelastet sind und jedes zusätzlich über diesen Rahmen hinausgehendes Projekt ein viel mehr an Arbeit bedeuten würde.

Georg: Mit den Ressourcen, die uns im Moment zur Verfügung stehen, wäre so etwas schon sehr schwierig, wobei wir für die Zukunft natürlich nichts ausschließen wollen.

Alex: Was ich eher noch anstreben würde, ist, die Frequenz der Konzerte zu steigern. Das ist zwar Zukunftsmusik, aber wenn sich die Situation stimmt und man alles noch besser vorbereiten und effizient nützen kann, dann könnte man sich das schon überlegen.

Inwieweit habt ihr schon eine Vorstellung vom Programm für die nächste Saison?

Alex: Zumindest bis Neujahr wissen wir schon ungefähr, was passieren wird. Erfahrungsgemäß tut sich dann doch noch immer etwas, es können ja immer einmal Sachen ausfallen, aber dennoch in groben Zügen steht das Programm einmal.

Fotos: Freifeld

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