„[…] prinzipiell möchte ich vom Rock-Gestus ein bisschen wegkommen“ – GEORG ALTZIEBLER (SON OF THE VELVET RAT) im mica-Interview

Mit „Dorado“ (Fluff & Gravy) veröffentlichten SON OF THE VELVET RAT erstmals ein Album in den USA – ein logischer Schritt, wie GEORG ALTZIEBLER, der Kopf der Band, im Gespräch mit Jürgen Plank erklärte. Außerdem sprach er über Tourneen in Polen und Nordamerika, über LUCINDA WILLIAMS, die in den USA große Verehrung genießt und mit SON OF THE VELVET RAT bereits zusammengearbeitet hat – und GEORG ALTZIEBLER erzählte auch, warum er auf der anderen Seite des Großen Teichs bescheidener wurde.

Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, waren Sie unmittelbar vor dem Beginn einer Tournee nach Polen. Wie war es dort?

Georg Altziebler: Das ist schon etwas länger her, aber es war, soweit ich mich erinnern kann, eine spannende Reise mit tollen Leuten. Viele Kilometer. Die Locations waren zum Teil super, zum Teil haben die Veranstalter etwas improvisiert. Das ist normal bei so einer Tour, da begegnet man unterschiedlichen Graden von Professionalität.

„Desert Stories“, die letzte EP, haben Sie in der eigenen Garage aufgenommen. Wie war es bei der CD „Dorado“?

Son of the Velvet Rat (c) Dieter Sajovic

Georg Altziebler: Dieses Mal waren wir nicht in der Garage, sondern wir haben im Studio von Ryan Freeland mit dem Produzenten Joe Henry, den wir über einen gemeinsamen Freund – Peter Jesperson, Ex-Manager von The Replacements – bekommen haben, aufgenommen. Jesperson hat unsere Demos weitergeleitet und weil Joe Henry die Songs sehr gut gefallen haben, haben wir einen Termin ausgemacht. Joe Henry hat seine Musiker mitgebracht – und so war das das erste Album, das ich mehr oder weniger live aufgenommen habe.

Aufgenommen wurde in einem relativ schnellen Prozess. Wie war es, schnell zu arbeiten?

Georg Altziebler: Man muss sich in die Situation hineinfallen lassen. Es gab natürlich so viele Takes, wie ich wollte, aber mir wird nach drei Takes sowieso fad – und ich glaube, den Musikern auch. Der gute Take ist meistens der erste, zweite oder dritte. Natürlich klingt es etwas rau, aber man muss eine CD als Momentaufnahme begreifen.

Die neue CD erscheint erstmals bei einem amerikanischen Label. Ist dies nun der endgültige Schritt in die USA?

Georg Altziebler: Ich möchte keinen endgültigen Schritt irgendwohin machen. Allerdings möchte ich auch nicht darauf festgenagelt werden, in Österreich zu leben. Ich kann mir vorstellen, überall zu leben. Nachdem wir den überwiegenden Teil des Jahres in den USA leben, war es logisch, ein amerikanisches Label zu suchen.

„Wer heutzutage ein Label aufrecht erhält, macht das hauptsächlich aus Enthusiasmus und nicht um reich zu werden – das ist hier wie dort so“

Haben Sie Unterschiede zwischen Europa und den USA, was die Herangehensweise vonseiten der Labels betrifft, bemerkt?

Georg Altziebler: Im Prinzip funktioniert das System dort genau so, wie es hier funktioniert. Wer heutzutage ein Label aufrechterhält, macht das hauptsächlich aus Enthusiasmus und nicht, um reich zu werden – das ist hier wie dort so.

Die Sängerin Lucinda Williams hat bei einer Ihrer früheren Veröffentlichungen mitgewirkt. Haben Sie einen positiven Einfluss durch Williams als Multiplikatorin bemerkt? Sie hat sich sehr positiv über Ihre Musik geäußert.

Georg Altziebler: Es hat mich zwar niemand ganz konkret darauf angesprochen, aber ich glaube schon, dass die Leute das mitkriegen. Lucinda Williams genießt drüben eine fast ikonenhafte Verehrung. Ich habe schon das Gefühl, dass das ein bisschen geholfen hat. Mein Publikum besteht in den USA oft aus Songwriterinnen und Songwritern: Da kommen die Songwriterinnen und Songwriter aus der Gegend und hören zu. Das ist lustig, weil sie meinen Auftritt aus ihrer Profession heraus sehen. Wenn man also jemanden wie Lucinda Williams dabeihat, erweckt man sozusagen das Interesse einschlägiger Kreise. In dieser Szene hat das Gewicht.

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Hat sich Ihr Zugang zu Musik durch die Aufenthalte in den U.S.A. verändert?

Hat sich Ihr Zugang zu Musik durch die Aufenthalte in den USA verändert?

Georg Altziebler: Ja, man wird bescheidener und mehr willens, mit widrigen Situationen umzugehen. Es ist bei uns viel gemütlicher, vor allem was den Stress betrifft, und wenn man drüben viel unterwegs ist, lernt man, damit besser umzugehen.

Wo waren Sie zuletzt unterwegs?

Georg Altziebler: Ich habe erst im Jänner eine 14-tätige Tour durch den Nordwesten der Staaten gemacht. Das war eine gute Schule dafür, flexibel zu sein und seine Sache trotz schwieriger Umstände gut zu machen. Man muss eine gute Show bieten und es interessiert niemanden, ob man vorher Stress gehabt hat oder nicht.

„Beim Konzert waren relativ wenig Leute und ich habe genau 1 Dollar verdient“

Gab es da ein besonderes Erlebnis?

Georg Altziebler: An einem Tag habe ich in San Francisco gespielt und dort war ein so starker Sturm, dass der Regen waagrecht dahergekommen ist. Der Boden war übersät mit umgestülpten Regenschirmen und die Leute sind nur von einem Unterstand zum nächsten gerannt. Beim Konzert waren relativ wenig Leute und ich habe genau einen Dollar verdient, was lustig war, denn die anderen beiden Performer haben auch nur je einen Dollar bekommen. Am nächsten Tag war ich in Boulder Creek. Dort war es total voll und ich habe relativ gut verdient und ein sehr enthusiastisches Publikum gehabt. Man kommt von einem Extrem ins andere und wieder zurück – und das ist spannend.

Auf der neuen Platte „Dorado“ ist das Lied „Angela“ noch einmal drauf, in einer neuen Version. Warum?

Georg Altziebler: Weil mir dieses Lied aus irgendeinem Grund sehr nahe ist. Ich spiele diesen Song auch live sehr gerne und ich wollte ihn nochmals mit einer Band live aufnehmen.

Wie muss man sich Ihre Live-Auftritte vorstellen? Gibt es zwei Bands, eine in Europa und eine in Nordamerika? Gibt es doppelte Proben oder spielen Sie auch oft im Duo?

Son of the Velvet Rat (c) Dieter Sajovic

Georg Altziebler: Wir haben drüben eine Band und wir haben hier eine Band. Wir spielen auch viel im Duo und manchmal auch im Trio. Solo bin ich recht viel unterwegs, vor allem wenn die Gagen dürftig und die Locations klein sind. Ich merke schon den Mehraufwand, man muss die Musiker hier und dort auf neues Material einschulen. Oft es so, dass ich drüben etwas vorspiele, was die Musiker hier gespielt haben. Das hilft dann manchmal, aber der Aufwand ist natürlich schon größer. Die Bands sollen gut spielen und nicht nur die Songs können.

„Wir haben kaum mehr verzerrte Gitarren“

Bei einem Ihrer letzten Auftritte in Wien waren Sie sehr rockig, die neue Platte geht eher in eine ruhigere Richtung. Wie wird sie live umgesetzt?

Georg Altziebler: Es gibt schon auch ein paar lautere Nummern, aber prinzipiell möchte ich vom Rock-Gestus ein bisschen wegkommen. Wir haben kaum mehr verzerrte Gitarren, von den Sounds her ist es eher clean. Es soll weggehen vom harten Gerocke, aber prinzipiell ist die Live-Umsetzung auch durch die neue Platte leiser geworden.

War das Ihre Entscheidung oder hat da der Produzent Joe Henry mitgesprochen?

Georg Altziebler: Das war mein Wunsch. Man weiß nie, wie es ausgeht, aber es ist gut ausgegangen.

In der Presseinfo steht, die neuen Lieder seien Geschichten von unterwegs. Inwiefern stimmt das?

Georg Altziebler: Der Ausdruck „von unterwegs“ bezieht sich eher auf meinen Geisteszustand, weil ich mich in Österreich nicht verwurzelt fühle. Auch in Amerika nicht. Ich bin insofern unterwegs, als es mir schwerfällt, mich irgendwo zu Hause zu fühlen.

Dann sind Sie sozusagen immer unterwegs?

Georg Altziebler: Ja, zumindest im Kopf – dort, wo die wahren Abenteuer sind.

Vielen Dank für das Gespräch.

Jürgen Plank

 

Son of the Velvet Rat live
10.03. Lichtspiele Gerungs, Groß Gerungs
11.03. Theater am Saumarkt, Feldkirch
17.03. Die Brücke, Graz
18.03. Galerie Rauminhalt, Wien
23.03. Schloss Hartberg, Hartberg
25.03. Real Music, Lauchhammer
31.03. Spring Festival, Feldbach
01.04. Ku:L Öblarn, Öblarn
07.04. Lendhafen, Klagenfurt
08.04. Astnersaal, Wörgl
20.04. KUD Channel Zero, Ljubliana (SLO)
05.05. Container25, Wolfsberg
06.05. Kulturkeller, Gleisdorf
12.05. Marenzihaus, Leibnitz
13.05. Sargfabrik, Wien
19.05. Kino Ebensee, Ebensee
20.05. PPC, Graz
03.06. Galao, Stuttgart (D)
04.06. Sänger und Sirenen, Hamburg (D)
10.06. Tivoli, Dornbirn
11.06. Lost Weekend ‘The Munich Sessions’, München (D)
12.06. Live Club, Bamberg (D)
14.06. Knust, Hamburg (D)
15.06. Frapé, Aalen (D)
22.06. Rhiz, Wien
29.06. Wunderbare Weite Welt, Eppstein (D)
01.07. Scheune, Wredenhagen (D)
02.08. UFO, Bruneck (ITA)

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