„Für mich war das ja Neuland […]“ – WOLFGANG PUSCHNIG im mica-Interview

Spontan und zufällig hat sich WOLFGANG PUSCHNIGS Zusammenarbeit mit dem KOEHNE QUARTETT ergeben. „Ich wollte einfach einmal eine meiner Nummern mit einem Streichquartett aufnehmen”, so der Saxofonist. Nun folgen ein gemeinsames Album und ein Auftritt beim JAZZFESTIVAL SAALFELDEN. Der Künstler sprach mit Markus Deisenberger über musikalisches Neuland, die Lust am Experiment und über Quartette, die grooven können.

2016 war ein sehr umtriebiges Jahr für Sie: Es gab gleich zwei Veröffentlichungen und jede Menge Konzerte. Was hat sich seither getan? 

Wolfgang Puschnig: Bis jetzt war es eher ruhig, weil eben letztes Jahr so irrsinnig viel los war, nicht nur wegen der Veröffentlichungen, sondern eben auch, weil ich zu meinem runden Geburtstag sehr, sehr viele Konzerte gegeben habe. Da hat sich relativ viel abgespielt. Was heuer noch kommt, ist die Wiederveröffentlichung eines im Jahr 1995, also vor mehr als zwanzig Jahren, aufgenommenen Albums – ein Projekt mit dem schönen Titel „Mixed Metaphors“, das ich damals in Saalfelden aufgeführt habe.

Wie kann man sich das Projekt vorstellen? 

Wolfgang Puschnig: Als eine Mischung aus Spoken Word und Musik. Da war der Ernst Jandl dabei, ein Rapper, Linda Sharrock, und eine gute Rhythmusgruppe, Jamaladeen Tacuma am Bass nämlich und Milton Cardona an der Percussion. Davon kommt ein Reissue, das noch im August erscheinen soll. Ja, und mit dem Koehne Quartett werde ich aufnehmen. Das heißt, wir gehen, bevor wir in Saalfelden gemeinsam auf der Bühne stehen werden, vorher ins Studio, um gemeinsam etwas einzuspielen – nicht das Programm, das wir in Saalfelden spielen werden, das wird wieder ein wenig anders werden.

„Ich fühle mich auch nicht wie ein großer Komponist, dazu passt meine Geschichte nicht.“

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Koehne Quartett?

Wolfgang Puschnig: Das hat sich mehr oder weniger spontan und zufällig ergeben. Ich wollte einmal eine meiner Nummern im Streichquartett ausprobieren. Und weil ich Joanna Lewis schon lange kenne, habe ich auf den Kontakt zurückgegriffen, bin ans Koehne Quartett geraten und wir haben im Studio was gemacht. Mir hat das sehr gut gefallen. Danach dachte ich, ich würde da gerne noch mehr probieren. Für mich war das ja Neuland, ich hatte noch nie zuvor mit einem Streichquartett gearbeitet. Ich fühle mich auch nicht wie ein großer Komponist, dazu passt meine Geschichte nicht. Kurzum: Ich bin kein Klassiker. Aber der Klangkörper eines Streichquartetts als solcher ist natürlich schon super und hat mich beim Herumprobieren schlichtweg eingefangen. Und so habe ich mir einfach gedacht, dass man da einmal etwas machen sollte. Inzwischen habe ich ausreichend Material gesammelt und wir werden versuchen, das gemeinsam umzusetzen.

In Saalfelden ist noch eine Rhythmusgruppe dabei, das heißt Schlagzeug und Bass? 

Wolfgang Puschnig: Ja, Achim Tang am Bass und Patrice Heral an den Drums. 

Wieso die Erweiterung?

Wolfgang Puschnig: Ich wollte einfach nicht das Gleiche wie bei den Aufnahmesessions machen, sondern in Saalfelden etwas ganz Besonderes und Einmaliges bieten.

Gibt es, was die Live-Umsetzung anbelangt, schon genauere Pläne oder steht es noch in den Sternen, wohin sich das genau entwickelt?

Wolfgang Puschnig: Da werde ich nach den Aufnahmen mehr wissen, die aber wie gesagt nur mit dem Streichquartett und mir stattfinden. Ich habe jetzt genug Song-Material und werde mal schauen, wie das funktioniert. Für Saalfelden kommt dann eben noch die Rhythmusgruppe dazu.

Wie Sie ja bereits angedeutet haben, ist es immer schwer, zu beschreiben, in welche Richtung die eigene Musik geht. Können Sie es trotzdem probieren? Sind das auskomponierte Songs? Wird viel oder wenig improvisiert? 

Wolfgang Puschnig (c) Gerhard Maurer

Wolfgang Puschnig: Das sind schon auskomponierte Songs, aber natürlich gibt es auch freie Passagen. Das ist dann mein Ding, die mit Leben zu füllen. Es ist also immer auch Improvisation dabei, teilweise auch von den Streicherinnen, die der Improvisation sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Im Grunde genommen ist das, was wir bieten, also schon strukturiert und es gibt wirklich auskomponierte Songs. Aber es wird auch ausreichend Raum für Improvisation geben.

Eines Ihrer letzten Alben enthielt Duette, war also der Begegnung mit anderen Musikerinnen und Musikern gewidmet. Inwiefern unterscheidet sich nun die Begegnung mit einem Streichquartett von den bisherigen? 

Wolfgang Puschnig: Das ist ein riesengroßer Unterschied. Im Duett eins zu eins ist das etwas ganz anderes. Ein Streichquartett ist ja ein Klangkörper an sich. Das heißt, man ist nicht mit einer Person, sondern gleich mit vier Personen konfrontiert, d. h. vier Individuen und dem Klangkörper als solchen. Ich denke, man muss solch ein Streichquartett auch als Gesamtklangkörper sehen. Traditionell ist so ein Quartett eigentlich ein schwer beladenes Ding, gleichzeitig sind das aber eben auch vier einzelne Damen, deren Eigenschaften und Vorstellungen es zu berücksichtigen gilt. Das ist für mich absolutes Neuland, ein Experiment.

Muss man sich da selbst auch ein wenig zurücknehmen, um diesem Klangkörper gerecht zu werden?

Wolfgang Puschnig: Ja, das ist auf jeden Fall meine Intention in Saalfelden, wobei „sich selbst zurücknehmen“ vielleicht der falsche Ausdruck ist. Aber ich werde auf jeden Fall nicht so viel spielen, wie ich das in einer normalen Besetzung tun würde. Das aber ist mein eigener Wunsch, damit der Klangkörper – oder das, was ich mir darunter vorstelle – wirklich gut zur Geltung kommen kann.

Wird das genremäßig auch in Richtung „zeitgenössisch“ gehen? 

Wolfgang Puschnig: Na ja, zeitgenössisch ist ja alles, was im Moment geschieht. Meinen Sie in Bezug auf die moderne Klassik?

Ja. 

Wolfgang Puschnig: Ich weiß es nicht, da tue ich mir mit Genre-Klassifizierungen echt schwer. Es werden ganz normale Songs dabei sein, die mit Improvisation angereichert werden – wie das sonst auch geschieht. Für mich ist es jedenfalls ein total spannendes und neues Gebiet.

„Das sind keine maßgeschneiderten Klassikerinnen, die vor dem anderen zurückscheuen würden.“

Wenn Raum für Improvisation da ist, liegt es für einen aus dem Jazz kommenden Saxofonisten auf der Hand, diesen auch zu nutzen. Nutzen ihn die klassisch ausgebildeten Quartett-Musikerinnen gleichermaßen? Die Tradition, aus der sie kommen, ist doch eine ganz andere.

Wolfgang Puschnig: Das kommt natürlich immer auf die involvierten Personen an. Beim Koehne Quartett sind jedenfalls zwei dabei, die auf jeden Fall Erfahrung auf dem Gebiet der Improvisation haben: Joanna Lewis und Melissa Coleman sind wirklich ausgefuchste Improvisatorinnen, nicht im Jazz-Idiom vielleicht, aber als Improvisatorinnen. Und die anderen beiden scheuen auch nicht davor zurück, in die Bresche zu springen und etwas auszuprobieren. Und genau das ist so super, weil das Verständnis für das andere auf jeden Fall vorhanden ist. Die blicken gerne und gekonnt über den Tellerrand. Das sind keine maßgeschneiderten Klassikerinnen, die vor dem anderen zurückscheuen würden. Nein, nein, das ist eines der wenigen Quartette, das auch grooven kann.

Aber das Verständnis beruht schon auf Gegenseitigkeit, nehme ich an. Bei Ihnen ist doch auch ein tief greifendes Interesse für das klassisch Geprägte vorhanden, oder? 

Wolfgang Puschnig: Ja, natürlich. Das muss auch so sein, sonst wäre es eine getrennte Sache, bei der jeder sein eigenes Ding macht. Mein Interesse besteht darin, dass wir ein Amalgam zusammenkriegen.

Ihr Verhältnis zu Saalfelden ist ein sehr intensives, oder?

Wolfgang Puschnig [lacht]: Es ist in der Zwischenzeit auf jeden Fall ein sehr historisches. Wie oft ich gespielt habe, weiß ich gar nicht mehr. Wenn es auch in den letzten Jahren nicht mehr so oft war – „Two Rooms“ war schon 2008 –, war ich früher, bevor die Zäsur kam, einer der Musiker, die am häufigsten gespielt haben. Ich dachte immer, das wären irgendwelche US-Amerikaner gewesen, aber als ich das Jubiläumsbuch durchblätterte, musste ich feststellen, dass ich da in puncto Häufigkeit ganz oben rangiere. Nicht nur unter meinem Namen, sondern in den verschiedensten Konstellationen und mit den verschiedensten anderen Menschen. Auch in den unterschiedlichsten Genres. Saalfelden war immer auch ein super Platz, um Sachen auszuprobieren und Experimente vorzustellen.

Aber so ganz experimentell wird es dieses Mal wohl nicht werden, wenn die Aufnahmen schon vorliegen und den Sound in einer gewissen Weise geprägt haben?

Wolfgang Puschnig: Einerseits können wir auf eine gewisse Klangerfahrung zurückgreifen. Einen gewissen Klang im Ohr zu haben, erleichtert die Arbeit ungemein. Andererseits wird das Ganze dadurch, dass eine Rhythmusgruppe dazu kommt, schon auch wieder sehr anders.

Also keine gediegene Basis?

Wolfgang Puschnig [lacht]: Nein, von einer gediegenen Basis kann man da wirklich nicht sprechen.

Wie wird die CD heißen? Gibt es schon einen Arbeitstitel? 

Wolfgang Puschnig: Ja, der Arbeitstitel ist schlicht und ergreifend „Songs and Strings“.

Wie wird sich „Songs and Strings“ im Vergleich zu den früheren Konzerten, die Sie in Saalfelden gespielt haben, anhören?

Wolfgang Puschnig: Natürlich wird der Sound aufgrund der Instrumentation ein eher akustischer sein und es wird zum Teil auch – das ist mein Faible – lyrisch sein.

Lyrisch? Inwiefern? Wird es introspektive, ruhige Momente geben?

Wolfgang Puschnig: Ja, auf jeden Fall. Zum Teil wird es richtig balladesk.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger

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