„Für mich klingt das neue Album erwachsener“ – AVEC im mica-Interview

Eine Künstlerin, die erwachsen geworden ist. Zumindest was das Musikalische betrifft, denn mit ihren 23 Jahren ist die aus Oberösterreich stammende AVEC immer noch weit vom Altsein entfernt. „Heaven/Hell“ (earcandy recordings), das neue Album der in den letzten Jahren viel Staub aufwirbelnden Senkrechtstarterin, offenbart sich als der von vielen erhoffte Schritt nach vorne, als die Weiterentwicklung, die man der schüchtern wirkenden Liedermacherin mit der unverwechselbaren gefühlvollen weich-rauen Stimme immer zugetraut hat und die nun ihre eindrucksvolle Bestätigung findet. AVEC sprach mit Michael Ternai über das neue Album, ihren Wunsch, musikalisch etwas kantiger zu werden, und die Themen, über die sie in ihren Liedern singt. 

Sie sind vor ein paar Jahren wie aus dem Nichts auf der Bildfläche erschienen. Ihr Debüt wurde in den höchsten Tönen gelobt, sie waren viel im Ausland unterwegs und auch sonst haben Sie einen echten Bilderbuchstart hingelegt. Die Erwartungshaltung ihrem neuen Album gegenüber ist hoch. Wie sehr haben Sie sich dieses Mal unter Druck gesetzt gefühlt?  

AVEC: Druck habe ich eigentlich nicht wirklich verspürt. Zumindest keinen von außen. Weder vom Label noch vom Management. Das, glaube ich, würde auch nicht funktionieren. Ich bin jemand, der für das Songschreiben einfach Zeit und Ruhe braucht. Wenn es Druck gab, war es einer, den ich mir selbst gemacht habe. Ich wollte mit dem zweiten Album unbedingt einen hörbaren Schritt nach vorne machen und dem Debüt eins draufsetzen.

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Wie ist „Heaven & Hell“ entstanden? Wie lange haben Sie an dem Album gearbeitet?

AVEC: Ich habe eigentlich gleich nach dem Erscheinen von „What If We Never Forget“ gemeinsam mit meinem Gitarristen und Produzenten Andi [Häuserer; Anm.] begonnen, neue Songs zu schreiben. Wir haben also gleich weitergemacht und den Flow, in dem wir uns zu dieser Zeit gerade befanden, genutzt. Wir haben uns im Studio eingebunkert und haben komplett ohne jeden Druck weiterarrangiert und -produziert. Deswegen hatten wir dann eigentlich schon recht früh an die zwanzig Songs für das zweite Album ready to go.

Was beim Durchhören sofort auffällt, ist, dass Sie Ihr musikalisches Spektrum deutlich erweitert haben. Neben den ruhigen, stillen und melancholischen Songs, die man schon von Ihrem Debüt her kennt, erklingen dieses Mal auch erstaunlich flotte, ja fast schon tanzbare Nummern. Inwieweit war die Entscheidung, auch diese musikalischen Pfade zu betreten, eine bewusste?

AVEC: Es war jetzt keine bewusste Entscheidung. Wir haben uns nicht hingesetzt und gesagt, dass wir jetzt auch flotte und tanzbare Nummern brauchen. Ich glaube, das hat sich einfach ganz auf ganz natürliche Weise ergeben. Es ist auf jeden Fall schön zu sehen, dass es zwischen „What If We Never Forget“ und „Heaven/Hell“ einen Sprung gibt und eine Weiterentwicklung erkennbar ist. Für mich klingt das neue Album erwachsener. Und in gewisser Weise fühle ich mit diesem mehr verbunden als mit dem ersten. Als mein Debüt erschien, war ich mit meinen 18, 19 Jahren ja noch sehr jung. Das heißt nicht, dass ich mit 23 jetzt alt bin, aber ich habe in den letzten Jahren viel dazugelernt und bin mit der ganzen Geschichte mitgewachsen.

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Hatten Sie zu Beginn des Songschreibens eine Idee, in welche Richtung es gehen sollte?

AVEC: Unser Plan war, dass das neue Album auf jeden Fall kantiger und weniger rund werden sollte. Wir wollten es bewusst nicht perfekt haben. Nicht von der Produktion her und auch nicht von den Texten. Die Musik sollte einfach Ecken und Kanten haben. Warum sollte man etwas ändern und zurechtschneiden, was im Moment so passiert und so perfekt die Stimmung einfängt. Ich glaube, von dem her hat sich mein Stil im Vergleich zum Debüt doch verändert. Es gibt schon noch Songs – wie der Opener „Love“ –, die sich am ersten Album orientieren, auf der anderen Seite gibt es aber Nummern, die herausstechen und komplett anders sind. Ich bin schon gespannt, wie diese Songs ankommen.

Was ebenfalls auffällt, ist, dass Sie in den neuen Nummern auch öfter von den herkömmlichen Songformaten abgehen und es unvorhersehbar werden lassen.

AVEC: Das war mir auch ein Anliegen. Und ich habe das zwischen den beiden Alben auch erst lernen müssen, dieses Offenerwerden, dieses einfach nur Probieren und Schauen, ob es funktioniert. Wenn eine Idee aufgeht, ist es cool, wenn nicht, dann hat man sie auf jeden Fall probiert. Wir haben uns einfach gesagt: „Why not? Warum sollten wir diese Soundscapes oder dieses ärgste Schlagzeug-Outro nicht machen, wenn es einfach aus dem Gefühl heraus passiert und aufregend klingt?“ 

Bild AVEC
AVEC (c) Kidizin Sane

„Das Leben ist für mich wie eine Achterbahnfahrt.“

Was für Geschichten inspirieren Sie zu Ihren Texten?

AVEC: Es sind einfach aus dem Leben gegriffene Themen. Es geht um Liebe und Selbstreflexion. Im Song „Underwater“ geht es um den Umgang mit Depressionen.
Der Albumtitel „Heaven/Hell“ drückt eigentlich ganz gut aus, worum es sich in meinen Liedern dreht.  Das Leben ist für mich wie eine Achterbahnfahrt. Man bewegt sich eigentlich ständig zwischen diesen beiden Welten und versucht, sie irgendwie auszubalancieren. Manchmal schafft man es, manchmal nicht.
Natürlich spiegelt sich auch der Prozess des Erwachsenwerden in den Texten wider. Ich sehe manche Dinge heute in einem anderen Licht, ich fühle und beschreibe sie anders.

Sie haben ja einen Raketenstart hingelegt. Wie sind Sie damit umgegangen? Waren Sie vom plötzlichen Erfolg überrascht? 

AVEC: Auf jeden Fall. Lustigerweise habe ich erst vor Kurzem mit meiner Mutter darüber geredet. Ich kann es immer noch nicht so richtig glauben, dass Leute Karten für meine Konzerte kaufen oder auf Spotify den Namen AVEC eingeben und sich die Musik anhören. Als ich damals mit dem Musikmachen angefangen habe, habe ich das ausschließlich für mich getan, um bestimmte Sachen zu verarbeiten. Ich war nie so wirklich gut darin, über meine Gefühle zu reden, und tat dies daher in meinen Texten. Dass jetzt Leute meine Musik hören und sie ihnen gefällt, das ist für mich immer noch etwas surreal.

Was genießen Sie mehr, die Zeit im Studio oder diejenige live auf der Bühne?

AVEC: Das ist eine interessante Frage. Ich stehe eigentlich nicht gerne im Mittelpunkt, was ja lustig ist, weil ich in meinem Leben ja oft auf der Bühne stehe und es liebe, Konzerte zu spielen. Was ich hasse, ist, auf der Bühne zu sprechen und anzumoderieren. Das ist ganz, ganz schlimm. Ich kann aber jetzt nicht wirklich sagen, ob ich lieber auf der Bühne stehe oder im Studio bin. Ich glaube, das hält sich die Waage. Ich arbeite unglaublich gerne im Studio, weil man sich da einfach einsperren und genau das machen kann, was man machen will. Was beim Livespielen schön ist, ist, dass man Fehler machen kann und es wird einem verziehen. Im Studio kannst du einen Take zehnmal einspielen, live ist eben live.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

 

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