SUSAN BLAKE hat in Ungarn Jazz-Gesang und Kirchenorgel studiert, inzwischen hat sie auch Posaune gelernt. Seit rund 20 Jahren lebt die umtriebige Musikerin in Wien, Jürgen Plank hat mit SUSAN BLAKE über Woody Allen, Talente-Shows und Dieter Bohlen genauso gesprochen wie über den Eurovisions-Songcontest, bei dem sie an einer Vorausscheidung teilgenommen hat – deren Ausgang stand allerdings schon vor dem Beginn fest. Außerdem erzählt BLAKE von Sexismus, den sie in der Musikbranche erlebt hat. Im Genre Dixieland schreibt BLAKE eigene Lieder, lässt dabei Einflüsse wie Gypsy- und sogar Latino-Rhythmen zu und nennt ihre Mischung Dixie-Pop. Im September 2023 präsentiert sie ihr zweites Album „Love Shock“ (Jive Music) im Metropoldi in Wien.
Wie bist du zur Musik gekommen, stammst du aus einem musikalischen Elternhaus?
Susan Blake: Musik war immer in meinem Leben. Meine Mutter hat gesagt, dass ich früher gesungen als geredet habe. Ich habe immer Musik gehört und habe immer gesungen. Beim Spielen mit den Puppen habe ich Pop-Songs gesungen, „We are the world“ und ähnliche Lieder. So habe ich für mich eine eigene Welt geschaffen. Mein Vater hat gerne Musik gehört, auch ungarische Lieder und mein Großvater hat als Priester immer mit Musik zu tun gehabt, er war Solo-Sänger in einem Chor in Budapest. Er hat fünf Instrumente autodidaktisch gespielt, auch Kirchenorgel. Die Einfühlsamkeit, die wir Musiker:innen haben, ist nicht weit weg von der Arbeit der Priester.
Du hast in der Folge selbst auch Kirchenorgel studiert.
Susan Blake: Musik bedeutet für mich wie für meinen Großvater: Liebe und Mitgefühl zu verbreiten, Geschichten zu erzählen. Ich habe Klavier in der Musikschule gelernt, dank meines Großvaters habe ich den Schlüssel zur Kirche gehabt und hatte Zugang zur Orgel. Der Klang der Orgel hat mich sehr interessiert, im Sommer bin ich immer wieder zu Orgel-Kursen in Debrecen gegangen.
Eine musikalische Richtung, in die du auch gegangen bist, ist Country-Music. Wie kam das?
Susan Blake: Die Citera war mein allererstes Instrument, das ist eine Zither, die aus der ungarischen Volksmusik kommt. Country-Music ist sozusagen amerikanische Volksmusik und ungarische Volksmusik hat wegen der Pentatonik auch Ähnlichkeiten zu Jazz. Vor der Country-Music habe ich schon begonnen, Dixieland-Musik zu machen.
Und wie bist du zur Dixieland-Musik gekommen?
Susan Blake: Das ist eine schöne Geschichte. Ich habe an einer Musikschule ein Jahr lang Gesangsunterricht von einer alten Dame bekommen. Sie ist dann in Pension gegangen und die neue Lehrerin war eine Opernsängerin und sie war sehr überheblich. Ich habe mir gesagt: Für mich ist Musik heilig. Wie kann jemand, der so überheblich ist, Musik unterrichten? Der neue Direktor der Musikschule hat mir zwei neue Lehrer:innen vorgestellt, eine Banjo-Spielerin und einen Klavier-Spieler, die waren Teil einer lokalen Dixieland-Band. Mit denen habe ich dann Lieder von Barbra Streisand oder Whitney Houston gesungen. In Budapest habe ich bald mit den beiden bei einem großen Festival gespielt, da war ich etwa 17 oder 18 Jahre alt.
„DIXIELAND IST FRÖHLICH, AUCH TRAURIG, WIE SARKASTISCHER HUMOR“
Was fasziniert dich an Dixieland als Musikrichtung?
Susan Blake: Dixieland ist fröhlich, auch traurig, wie sarkastischer Humor. Nicht umsonst ist Woody Allen Dixieland-Klarinettist. In seinen Filmen beschreibt er seinen Humor: zu Selbstironie und Sarkasmus passt diese Musik genau. Damit kann ich mich absolut identifizieren. Ich habe auch schwierige Phasen in meinem Leben gehabt, nachträglich kann ich selbstironische Liedtexte schreiben, die zum Beispiel fragen: wie konnte ich nur so blöd sein? Die größte Form von Intelligenz ist Humor. Wenn ich meine Lieder spiele, strahle ich, weil es mir einfach Spaß macht.
Ist in diese Richtung gedacht das Lied „Awful Love“ von der neuen Platte zu hören, von dem du auch eine Latino-Version gemacht hast?
Susan Blake: Unterschiedliche Situationen zwischen Mann und Frau, auch schräge Situationen sind in fast allen Liedern drinnen. Ich nenne mein Genre Dixie-Pop, weil ich eine moderne Version von Dixieland mache und diese Musik aus den 1920er und 1930er-Jahren ins 21. Jahrhundert transportiere. Auf meiner neuen Platte gibt es auch Jazz-Balladen.
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Es gibt schon einige junge Dixieland-Bands in Europa, aber die spielen meistens Standards, ich kenne keine, die eine ganze Platte mit eigenen Liedern füllt. Vielleicht auch, weil das Publikum die bereits bekannten Lieder hören möchte.
Das neue Album hast du mit der Miskolc Dixieland Band aufgenommen. Werden dich diese Musiker bei der Album-Präsentation im Metropoldi begleiten?
Susan Blake: Nein, ich habe auch eine Band aus Wien zusammengestellt. Bei einem Dixieland-Konzert in Wien habe ich einen Trompeter und einen Klarinettisten spielen gesehen. Ich habe sie angesprochen und jetzt spiele ich mit ihnen. Sie sind mobiler und es würde auch zu viel kosten die Miskolc Dixieland Band nach Wien zu bringen, Miskolc liegt im Nord-Osten von Ungarn. Viele Jazz-Lokale können nicht Tausende Euro aufbringen für ein Konzert, aber ich möchte nicht, dass es daran scheitert, meine Musik zu spielen.
Du hast – damals noch in Ungarn lebend – an der Vorausscheidung für den Eurovisions-Songcontest (ESC) teilgenommen. Welche Erfahrungen hast du mitgenommen?
Susan Blake: Ich habe gelernt, dass die Leute begeistert sind, wenn sie in meinem Lebenslauf Eurovisions-Songcontest lesen. Das ist eigentlich schlimm! Die zweite Erfahrung: Meine Punkte waren schon eingestellt, bevor ich auf die Bühne gekommen bin.
Das Ergebnis der Vorausscheidung war schon vorab festgelegt, also ein abgekartetes Spiel?
Susan Blake: Ja. Das war so. Ich sage nicht, dass es hier in Österreich auch so ist.
„DAS GENRE DIXIELAND IST EINE NISCHEN-MUSIK, DAMIT KOMMST DU NICHT INS RADIO“
Keine Ahnung. Vielleicht ist es besser, am ESC nicht teilzunehmen?
Susan Blake: Nein, ich habe das lustig gefunden. Mein Verlag hat mich jetzt bei „Die große Chance“ angemeldet. Talente-Shows oder der Eurovisions-Songcontest sind gute Referenzen. Es ist einfach lustig. Auch wenn du nicht gewinnst: die Leute sehen dich. Es ist eigentlich schlimm, dass die Medien so wichtig sind, dass du bekannt wirst. Ich habe bei „Stimme des Jahres“ in Ungarn den zweiten Platz erreicht, die Leute schauen einfach fern und sehen dich. Es ist ein Problem, dass die Leute glauben, dass du nur gut bist, wenn du im Fernsehen bist.
Das Genre Dixieland ist eine Nischen-Musik, damit kommst du nicht ins Radio. Und in Ungarn wäre ich längst berühmt geworden, wenn ich mit dem einen oder anderen ins Bett gegangen wäre. In Ungarn ist das so.
Welche Formen von Unterdrückung, Benachteiligung, Sexismus hast du erlebt?
Susan Blake: Sexismus habe ich in Ungarn immer wieder erlebt. Deswegen habe ich Dixieland sehr gemocht, weil das eine Szene für sich ist, mit viel Geborgenheit und familiärer Atmosphäre. Aber im Pop-Bereich habe ich zum Beispiel erlebt: der Vertrag liegt am Tisch, dann wirst du abgeknutscht und da schwingt sofort mehr mit. Beim Casting für ein Musical habe ich die Hauptrolle bekommen, auch in diesem Fall wurde ich abgeknutscht. Da habe ich gesagt: „Hey, Musik ist für mich heilig, ich beschmutze Musik nicht!“ Ich finde es arg, wenn jemand eine Machtposition ausnützt. Ich habe den Vertrag nicht unterschrieben, habe mich umgedreht und bin gegangen. Solche Situationen hat es jede Menge gegeben.
Wie ging es nach der ESC-Vorausscheidung weiter?
Susan Blake: Nach der Vorausscheidung habe ich meinen ersten eigenen Song geschrieben: „One Man Show“. Ein Dixieland-Song, der Arrangeur hat das Lied mehr in Richtung Country-Music gehört, diese Genres sind nicht weit voneinander entfernt. Und so bin ich in die Country-Richtung gegangen, das ist auch recht gut angekommen, aber ich konnte mich nicht damit identifizieren. So ist die Idee entstanden, doch Alben mit eigenen Dixie-Songs zu machen.
Du hast auch an Talente-Shows teilgenommen. In diesem Zusammenhang denke ich an Dieter Bohlen, der in der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ zum Teil beleidigendes, verletzendes Feedback gegeben hat. Würdest du es jungen Musiker:innen dennoch empfehlen, sich in einer Talente-Show zu präsentieren?
Susan Blake: Ja. Bohlen drückt sich geradlinig aus, er liegt aber eigentlich jedes Mal richtig. Verletzen sollte man nicht: Musik ist heilig. Jeder, der sich dem Publikum stellt, muss aber damit rechnen, dass eine negative Rückmeldung kommt. Da musst du sehr stark sein. Auch anderes Publikum ist zum Teil beinhart. Natürlich ist Bohlen zum Teil verletzend zugunsten der Quote, denn die Medien brauchen um jeden Preis Stoff.
„LIEBE IST MEIN LIEBLINGSTHEMA“
Was ist ein „Love Shock“, das ist der Titel deines neuen Albums?
Susan Blake: Meine erste Platte hat „Love won’t wait“ geheißen, das neue Album heißt „Love Shock“. Liebe ist mein Lieblingsthema. „Love Shock“, der Titelsong des neuen Albums, ist ein besonderes Lied für mich. Das ist eine mittelschnelle Nummer, die zusammenfasst, was ich brauche und was die Menschen auch brauchen würden. Die Welt geht meiner Meinung nach in eine neutrale Richtung, Gefühle sind da eher nicht zu fühlen. Jeder zieht sich zurück und Emotionen sind kaum mehr zu übermitteln. Wir Künstler:innen haben die Aufgabe, diese Flamme zu zünden, die noch im Herzen drinnen ist. Dazu braucht man starke Emotionen, deswegen braucht man einen „Love Shock“. Kein Mittelmaß, sondern einen Schock. Auch wenn das explosiv ist, es geht auch darum, das zu sagen, was man denkt. Der Song ist eigentlich ein Hilferuf, angesichts der Globalisierung Werte und richtige Liebe zu spüren. Das brauche ich.
Und das möchtest du mit deiner Musik generell vermitteln?
Susan Blake: Ja, eindeutig. Und Dixieland ist dafür perfekt.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Susan Blake live:
Fr. 15.09.2023, Metropoldi, Hernalser Hauptstraße 55, 1170 Wien, 20h
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