Die PHILHARMONIKER vorneweg, FALCO und noch drei Bands gingen letztes Jahr in Österreich auf Platin. Alle mit Dialekt. Dazu gehören PIZZERA & JAUS, sie kommen aus dem Kabarett, spielten in Jeans und Converse auf allen Kleinkunstbühnen des Landes, bis sie sich vor drei Jahren zusammentaten, als der neue Austropop bereits durch Feuilletons und Zeltfeste rollte. Heute füllen sie die WIENER STADTHALLE. Alles ging ziemlich schnell, obwohl kein großes Label half. Während des Gesprächs mit Stefan Niederwieser drückten sich PAUL PIZZERA und OTTO JAUS Bussis auf die Stirn, bedankten sich siebenmal beim Kellner und brachten die Sätze des anderen zu Ende.
Wann war die Französische Revolution?
Paul Pizzera: [Wie aus der Pistole geschossen] 1789! … und was war 1889?
Das 100-Jahr-Jubiläum der Französischen Revolution.
Paul Pizzera: Richtig.
Das haben Sie auch Robert Kratky gefragt. Aber wo waren Sie eigentlich am 21. 11. 2013?
Paul Pizzera: Keine Ahnung …
An dem Abend haben Sie sich kennengelernt.
Otto Jaus: Das kann sein, Leoben.
Paul Pizzera: 2013, das kann nicht stimmen … oder das erste Mal gesehen vielleicht.
Das steht auf Ihrer Website.
Paul Pizzera: Arg, da wissen Sie mehr als wir. Wenn alles so schnell passiert, fliegen die Jahre so vorbei [lacht]. Dass wir was gemeinsam was machen, ist 2015 passiert.
Warum eigentlich?
Paul Pizzera: Wir haben uns privat und künstlerisch sehr zu schätzen gelernt und gesagt: „Bauen wir das zusammen auf.“
Otto Jaus: Es gab den Moment, an dem wir wussten: Da führt kein Weg vorbei. Er war in Graz, ich in Niederösterreich, aber weil wir solche Ehrgeiz-Haufen und Egomanen sind, wussten wir, wenn wir das machen, dann Vollgas.
Paul Pizzera: Allein kommst du irgendwann an deinen Grenzen, zu zweit kannst du viel mehr machen.
Die ersten Videos zu „Wir gewinnt“ und „Absätze > Hauptsätze“ sehen ziemlich teuer aus.
Paul Pizzera: Schau, lustig, das ist ein Zufall. [Deutet auf den Fernseher, der im Lokal hängt, auf dem auf ORF eine Ankündigung für das Konzert tags darauf in der Stadthalle läuft.]
Otto Jaus: Scheiß mich an. [Mann am Nebentisch mischt sich kurz ein: Was habt’s ihr dafür bezahlt?]
Paul Pizzera: Wir haben die Fotografin vorher umbringen lassen … [Gelächter]
Otto Jaus: Nein also, wir haben gesagt, wir gehen das richtig an. Und wenn man sich auskennt, sieht man, dass die Videos nicht billig waren.
Paul Pizzera: Wir wussten, wir müssen das Beste geben, nur dann können wir uns später keinen Vorwurf machen. Und wir haben ein super Team, in dem alle ihren Rayon hat, im dem sie sich auskennen.
Gab es bei „Jedermann“ nicht einen Punkt, an dem Sie sich gedacht haben, dass das Streicherarrangement für Ö3 schwierig werden könnte?
Paul Pizzera: Das haben wir uns bei jedem Lied gedacht. Unser Produzententeam meinte, also mit dem da …
Otto Jaus: Umso schöner ist das jetzt.
Paul Pizzera: Dass Austropop jetzt wieder legitim ist, hat uns auch den Weg bereitet, das trifft den Geschmack und die Menschen.
Wie wichtig waren Voodoo Jürgens, Wanda, Nino aus Wien usw.?
Paul Pizzera: Ich glaube, die Tür richtig aufgestoßen hat „Ham Kummst“ von Seiler und Speer. Und natürlich sind Bilderbuch, Wanda wichtig, gerade Voodoo Jürgens … der ist ein super Storyteller.
Sie haben schon immer im Dialekt geschrieben. Vor fünf Jahren war das auf Ö3 eher die Ausnahme.
Paul Pizzera: Auf jeden Fall, für uns ist einfach ehrlicher. Das Zeitfenster ist jetzt da.
Otto Jaus: So red ma. Und hoffen wir, dass es noch lange offen ist.
Wie viel Dialekt verträgt ein Text bei Ihnen? Marco Wanda überlegt sehr genau, wie er einzelne Wörter einsingt.
Otto Jaus: Wir überlegen uns das nicht wirklich, wenn wir anders singen würden, das wären nicht wir. Ich finde Dialekt schön, man darf ruhig auch Wörter benutzen, die vielleicht nicht alle kennen.
Paul Pizzera: Wir passen es aber dem Flow der Musik an, bei „Jedermann“ müsste ich eigentlich „Jedermaoun“ singen, aber es soll sich eben auf „Leben lang“ reimen.
Versteht man Sie noch nördlich des Weißwurstäquators?
Otto Jaus: Bis zum Weißwurstäquator. Ich glaub auch, es ist wurscht, ob man dich wirklich versteht. Du kannst dir auch Theater in einer anderen Sprache ansehen, du bist trotzdem fasziniert, weil es wahnsinnig schön ist, was da passiert.
Haben Sie Comedy-Vorbilder?
Paul Pizzera: Es gibt viele Leute, die ich wahnsinnig witzig finde. Für mich ist der witzigste Kabarettist in Österreich nach wie vor Mike Supancic, der beste ist Martin Puntigam.
Otto Jaus: Der Nia [Niavarani; Anm.] ist für mich in jeder Hinsicht ein Wahnsinn.
Trifft Monty Python auch Ihren Humor?
Otto Jaus: Auf jeden Fall. Nicht alles. Es ist auch wahnsinnig schwer, so etwas zu spielen.
Die EAV machen grob so etwas wie Sie.
Otto Jaus: Ich liebe die.
Paul Pizzera: Ich glaube, die EAV war damals, was heute Alligatoah, Antilopen Gang und K.I.Z. sind, gerade noch spielbar, viel anecken. Thomas Spitzer ist jedenfalls einer der besten Texter, die Österreich je gehabt hat.
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Wann ist ein Songtext fertig? Wie oft gehen Sie drüber?
Otto Jaus: Manchmal hat der Pauli – der für mich die österreichische Antwort auf Eminem ist – einen Text fixfertig, da denk ich mir: „Wie macht er das, auch so schnell?“ Manchmal passiert es, dass ich dabei bin, dann dauert es länger [lacht].
Paul Pizzera: Manchmal sitzen wir bei einer Zeile drei Stunden …
Otto Jaus: … denken uns, dass wir das besser können, und müssen dann den Kopf freibekommen.
Paul Pizzera: Vor zwei Wochen haben wir dieselbe Frage Hubert von Goisern gestellt, wann für ihn ein Lied fertig ist. Er hat sich bei „Koa Hiatamadl“ und „Brenna tuats guat“ gesagt: „Scheiße, das passt noch nicht, aber ich weiß nicht, was fehlt.“ Dann gingen die Songs auf die Nummer eins, da hat er sich gedacht: „Genial!“ [lacht]. Das kann ich ihn wirklich gut verstehen, bei „Jedermann“ sind wir aus dem Studio raus mit dem Gefühl … na jo.
Otto Jaus: Mit dem wenigsten Selbstbewusstsein.
Paul Pizzera: Wir haben es rausgebracht, weil viele Leute danach gefragt haben, als ich es noch solo gespielt habe. Der Otto haut eine Stimme darüber, bei der mir schlecht wird vor Neid, dann haben wir das zusammengefügt. Als es Nummer eins geworden ist, dachten wir uns auch: „Genial!“ [lacht]. Wir haben dafür viele Genres durchprobiert, auch Rap, wir kannten das Lied schon ganz anders, wir sind nach dem Studio essen gegangen und haben uns gesagt: „Jetzt lassen wir das mal so, wir kommen auf keinen grünen Nenner.“
Sie haben 13-mal im Grazer Orpheum gespielt, in Wien sind Burgtheater, Stadthalle und Gasometer innerhalb von fünf Monaten an der Reihe. Organisieren Sie diese Shows selbst? Und ist „DIALEKT’S MI AM OASCH“ Ihr Label?
Paul Pizzera: Wir haben ein Wahnsinnsteam. Das ist unser Label, wir machen das alles selbst.
„Nach dem zweiten Bier haben wir schon wieder die Gitarre in der Hand.“
Sie waren schon gemeinsam auf Urlaub, könnten Sie gemeinsam unter einem Dach leben?
Paul Pizzera: Wenn wir nicht im selben Bett schlafen müssen.
Otto Jaus: Ein bisschen Privatsphäre ist wichtig, wir sehen uns eigentlich viel zu selten nur privat. Nach dem zweiten Bier haben wir schon wieder die Gitarre in der Hand.
Paul Pizzera: Wir sind mittlerweile bei den besten Freunden des anderen dabei, das ist schon gut, dass wir uns privat wirklich mögen.
Machen Sie wirklich keine Solosachen mehr? Und für wie lange?
Paul Pizzera: Solange es uns freut. Wir lehnen beide alle Solosachen ab, jetzt passt es, wir planen das nicht so.
Otto Jaus: Und manchmal machst du etwas, weil es sich einfach zeitlich ausgeht. Aber den Oasch auf vielen Kirtagen, das ist kontraproduktiv, es ist mehr als genug.
Paul Pizzera: Wir haben auch momentan den Luxus, dass wir gerade nicht müssen.
Die besten Kollaborationen gehen meistens irgendwann wegen Geld in die Brüche. Bei Nazar und Raf Camora war das angeblich so, bei Kruder & Dorfmeister auch. Haben Sie das bombenfest geregelt oder muss man sich Sorgen machen?
Paul Pizzera: Wir haben eine offene Gesellschaft zu zweit, wenn was behoben wird, wird der gleiche Betrag behoben. Bei jedem Lied, wurscht wer was geschrieben oder gesungen hat, machen wir immer halbe-halbe, bei jedem Deal, bei jedem Auftritt. Und du hast völlig recht, meistens geht es leider Gottes ums Geld.
Otto Jaus: Wenn mal diese Frage zwischen uns steht, dann ist die Freundschaft schon im Oasch.
Paul Pizzera: Bei uns war zuerst die private Harmonie da, wir haben uns nicht zusammengetan, weil wir wussten, dass es funktioniert. Und wir sagen uns offen, was uns anfuckt.
Was darf denn Satire?
Paul Pizzera: Alles, wenn die Empfängerin bzw. der Empfänger bereit ist für Satire. Wenn du auf ein Drahdiwaberl-Konzert gehst und dich nachher aufregst, dass du angespritzt worden bist, irgendwo selbst schuld. Und wenn ich höre, dass jemand einen Witz über Kinderkrebs gemacht hat, und ich weiß, dass mich der gerade leicht brüskieren kann, dann höre ich mir den doch gar nicht an.
Es gibt doch sicher eine Menge Witze, von denen Sie wissen, dass Sie sie nicht bringen können, oder?
Paul Pizzera: Oh, da gibt es viele Sachen, ganz viele. Die sind dann privat. Die eigene Qualitätspolizei haben wir.
Otto Jaus: Wir wissen, wann wir uns sagen müssen: „Okay, das war jetzt sehr lustig, wir haben sehr gelacht, aber die Kiste ist noch zu heiß oder ist überhaupt zu heiß.“
Paul Pizzera: Und wenn du zweit spielst, kann der eine was sagen und der andere dagegen sein. So ist auch viel mehr möglich.
„Wenn ich wem wehtue, dem eh schon so viel wehgetan wurde, ist das was ganz anderes.”
Wie gehen Sie mit Witzen über Frauen oder Ausländerinnen und Ausländer um?
Paul Pizzera: Wenn es um benachteiligte Gruppen geht, habe ich einen anderen Zensurleutnant in mir als bei tiafen Witzen. Wenn ich wem wehtue, dem eh schon so viel wehgetan wurde, ist das was ganz anderes.
Otto Jaus: Mit einem Augenzwinkern, mit schwarzem Humor, da finde ich das in Ordnung. Wenn es aus einem puren Hass gegen eine Gruppe passiert, ist das einfach nicht mehr schön.
Ist das österreichische Schulsystem gut so, wie es ist?
Paul Pizzera: Oarger Themenwechsel [lacht]! Also … ist das ernst gemeint?
In der Biografie steht etwas von sieben Fünfern.
Otto Jaus: Ach so, ich bin sehr oft geflogen. Aber das war, weil ich faul war, ich war ein Träumer, mich haben die Sachen nicht interessiert. Mathe hab ich nicht mal verstanden, wie soll ich das lernen. Beim Schulsystem kenn ich mich nicht aus, aber ich glaube, Schulbücher werden nicht für die Schülerinnen und Schüler geschrieben, sondern für das Lehrpersonal. Vorbild bin ich deshalb trotzdem keines, man muss halt das finden, was man machen will, und hoffen, dass Eltern einen ermutigen. Dass man es allein geschafft hat, ist kompletter Schwachsinn, ich glaube, es sind immer Leute dabei, die einen unterstützen.
Welches Sackerl hat Ihre Mama denn unterm Bett gefunden?
Paul Pizzera: Für mich war das eben ein schönes Bild für den Song, klassisch, der Bua hat einmal ausprobiert zu kiffen, und genau dann findet die Mama das.
Planen Sie einen Film – wäre bei Ihnen aufgelegt – oder zumindest ein Album?
Otto Jaus: Album sind wir dabei, aber das letzte ist erst rausgekommen.
Paul Pizzera: Beim Film wüssten wir zumindest schon, wer die Musik macht. Das wäre cool, das ist aber noch weit hin, das ist so ein riesiges Projekt. Aber natürlich haben wir schon mal darüber geredet.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Stefan Niederwieser
Pizzera & Jaus live
02.03. Kulturzentrum, Eisenstadt
04.03. Gasometer, Wien
10.03. Stadttheater Berndorf, Berndorf
15.03. Koralmhalle, Deutschlandsberg
16.03. Koralmhalle, Deutschlandsberg
17.03. Koralmhalle, Deutschlandsberg
23.03. Gewäxhaus Ennsdorf, Ennsdorf
24.03. Johann-Pölz-Halle, Amstetten
06.04. Stadthalle Ybbs, Ybbs
07.04. Gleichenberg-Halle, Bad Gleichenberg
12.04. Bühne im Hof, St Pölten
20.04. Orpheum Graz, Graz
21.04. Orpheum Graz, Graz