Francis Burt im 87. Lebensjahr verstorben

„Vorübergehend ständig“ wollte der am 28. April 1926 in London geborene Francis Burt ursprünglich hier bleiben, als er 1956 dreißigjährig nach Wien kam. Viele Jahre später – da bereits Ehemann, Hochschulprofessor und österreichischer Staatsbürger – strich er dann doch das „vorübergehend“, um sich auf das „ständig“ einzulassen, bei dem es schließlich mehr als ein halbes Jahrhundert lang bleiben sollte. Er ließ sich nicht gern als „englischer“ Komponist bezeichnen, lag doch sein gesamter Schaffensschwerpunkt in Österreich, vielmehr war er korrekt als aus Großbritannien gebürtig zu bezeichnen. Manches von einem Engländer blieb ihm in sympathischer Weise erhalten: ein nobles, nicht aufdringliches Auftreten und die Art und Weise, wie er sich im Stillen, aber mit Nachdruck für sich und noch viel mehr für andere einsetzte. So mancher Kollege, Schüler und Freund ist ihm diesbezüglich zu Dank verpflichtet, und so mancher hat es vermutlich nie erfahren, wessen Fürsprache er ein (gerechtfertigtes) positives Ereignis verdankte. Wie wunderbar war sein hintergründiger Humor und wie herrlich der kaum nachahmbare Akzent, „very British“ und bis zuletzt keine Spur verwässert. Ob er eigentlich auch „Wienerisch“ konnte, blieb mir bis zuletzt verborgen.

Durch den Militärdienst zunächst in seiner Ausbildung unterbrochen, lernte er in Afrika die Musik einheimischer Stämme kennen, die ihm zeitlebens unvergessen blieb und sein eigenes Verständnis des Rhythmischen und Tänzerischen prägte. In London studierte Burt an der Royal Academy of Music bei Howard Ferguson (1948–51) und anschließend in Berlin bei Boris Blacher, dessen gestischer Ansatz ihm mehr entgegenkam. Nicht zuletzt die bei Blacher geprägte Freundschaft mit Gottfried von Einem führte ihn schließlich nach Wien. Mit der Berufung als Professor für Komposition an die Wiener Musikhochschule (1973–92) erhielt Burt die österreichische Staatsbürgerschaft. Mit zahlreichen Auszeichnungen würdigten Stadt und Republik in der Folge seine Bedeutung für unser heimisches Kulturleben.

Die umfassendste Darstellung seiner Arbeit erfuhr Burt als einer der Hauptkomponisten bei Wien Modern 1995. Augenfällig am Komponisten Burt ist der relativ geringe Umfang seines Werkkatalogs, der kaum mehr als zwei Dutzend Stücke enthält. Auch wenn man sie nie auf einer Bühne gesehen hat, „weiß man“ anhand der Partituren, dass die Opern Volpone und Barnstable oder Jemand auf dem Dachboden zu „entdecken“ wären. Rund drei Jahrzehnte ist es her, seit das Ballett Der Golem gar an der Wiener Staatsoper zu erleben war. Orchesterwerke wie Jamben, Espressione Orchestrale, Fantasmagoria und Morgana tauchen sträflich selten in Konzertspielplänen und Radioprogrammen auf – ihre klingenden Titel freilich merkt man sich ebenso wie jene der beiden vokalsymphonischen Werke Unter der blanken Hacke des Monds sowie Und GOtt [sic!] der Herr sprach. Um einiges besser sieht es mit Aufführungszahlen der Ensemblestücke und Kammermusik aus – ein generelles Symptom innerhalb der aktuellen Präsentationsmöglichkeiten neuen Musikschaffens: die immer wieder angesetzten Echoes für neun Spieler und die herrlich fein ziselierte „bukolische Fantasie“ Hommage à Jean-Henri Fabre für fünf Spieler. Ein Muss bei der Annäherung an Burts Schaffen sind auch die immer wieder vor allem vom Kohene Quartet gespielten (und auf CD nachhörbaren) beiden Streichquartette. Am 23. November des Vorjahres spielte das Klangforum Wien unter Emilio Pomàrico sogar eine der ganz seltenen Burt-Uraufführungen: Mohn und Gedächtnis (für Paul Celan) (2010/11).

Was man dem Jubilar damals zu seinem „85er“ neben der unerlässlichen Gesundheit vor allem wünschte, ging leider nicht mehr in Erfüllung: Dass es ihm und uns Freunden seiner Musik bald beschieden sein würde, noch eine ganz bestimmte weitere Premiere zu erleben: Die nach rund zwanzigjähriger Vorbereitung und weiterer zwanzigjähriger konkreter Kompositionsarbeit vor wenigen Jahren vollendete Oper Mahan, ein spätes Meisterwerk eines – man wiederholt sich – Großen unserer Musik. Die postume Uraufführung ist ihm die Nachwelt schuldig!

Christian Heindl

Foto: Universal Edition/Eric Marinitsch

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