Faire Verträge und faire Vergütung

Die spartenübergreifende INITIATIVE URHEBERVERTRAGSRECHT forderte in einer Pressekonferenz die faire Vergütung von Urheber*innen. Was genau steht zur Debatte? Und was davon wird auch umgesetzt werden?

In Österreich gibt so gut wie kein Urhebervertragsrecht, kritisierte Gerhard Ruiss, Autor und Publizist, eingangs der Pressekonferenz. Ruiss kämpft in vielen Funktionen, u.a. als Geschäftsführer der IG Autoren, seit Jahrzehnten für bessere Bedingungen von Autoren im Speziellen, und Urheber*innen im Allgemeinen. Dieser Mangel, so Ruiss, führe zu einer großen Rechtsunsicherheit und zu einer relativen Rechtlosigkeit des einzelnen gegenüber großen Plattformen wie Youtube & Co, aber auch in Produktionsverhältnissen, die ein so genanntes “Buy Out” mit sich bringen, d.h. die pauschale Abgeltung einer Rechteabtretung, ohne an künftigen, unter Umständen intensiveren Nutzungen beteiligt zu werden.

Genau deshalb gibt es die Initiative Urheberrecht. Es sei historisch, wie breit aufgestellt sie sei, so Ruiss, aber eigentlich auch kein Wunder, denn das Problem unzureichender Vergütung für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke ist nicht auf einige wenige Sparten beschränkt, sondern betrifft im Grunde genommen alle Kunst- und Kulturschaffende quer durch alle Sparten. Das schlug sich auch in der Zusammensetzung der Pressekonferenz wider: Caesar Sampson, Sänger und ehemaliger ESC-Teilnehmer, und Christine Sprenger, Schauspielerin, vielen bekannt als Fernsehkommissarin (SOKO Kitzbühel), waren zugegen, aber auch der bildende Künstler Michael Kos. Sie alle kommen aus völlig unterschiedlichen Bereichen, haben aber mit den gleichen Problemen zu kämpfen.

Online-Konsum steigt

Die Pandemie hat gezeigt, in welche Richtung wir uns bewegen, was das Nutzungsverhalten anbelangt. Im Bereich Film etwa wurden Kinos geschlossen, Dreharbeiten fanden nicht statt, erzählt Sprenger. Die Onlineplattformen hingegen feierten große Erfolge, weil mehr denn je gestreamt wurde. Das Dilemma: Die Mehrnutzung im Onlinebereich spiegelt sich nicht im Einkommen der Künstler*innen wider. Im Gegenteil: Für jene, die den Content liefern, blieb wenig bis gar nichts übrig. Buy-Out Gagen würden Mehrnutzungen nicht abbilden, beklagt Sprenger. Zum Zeitpunkt eines solchen Deals könne man den Erfolg ja nicht abschätzen. „Es wäre an der Zeit, dem Rechnung zu tragen und Nachbesserungen im Falle besonders erfolgreicher Produktionen zu ermöglichen.” Konkret heißt das: Am Erfolg sollen nicht nur Plattformen, sondern auch jene partizipieren, die den Inhalt künstlerisch verantworten. Caesar Sampson nahm zur Vergütungssituation bei Streamingdiensten Stellung. Die sei intransparent. „Es gibt zu viele Zwischenstationen. Keiner hat die Hand auf der Materie.” Egal wie hoch die Plays sind (etwa 12,7 Mio. Streams für einen seiner Songs), die Zahlen seien so gering, dass man zu wenig darauf achtet, weil man ohnedies von etwas anderem leben müsse. Betroffen von der Situation (zu niedrige Vergütung, Intransparenz, Pauschalvergütungen ohne Chance auf Nachbesserung) sind viele: In Österreich sind mehr als 100.000 Bezugsberechtigte in Verwertungsgesellschaften Mitglied. Mehr als 300.000 Menschen sind im professionellen oder Amateurbereich an der Schaffung von geschützten Werken beteiligt, referiert Ruiss.

Historische Chance auf Urhebervertragsrecht

Die Initiative nun fordert einen Anspruch auf eine angemessene und verhältnismäßige Vergütung, „nicht nur, aber auch für Online-Nutzungen”, wie Gernot Schödl, Geschäftsführer der VDFS betonte. Ruiss nimmt dafür die Regierung in die Pflicht, indem er sie an ihr eigenes Programm erinnert. Darin nämlich kündigte sie zu Beginn der Legislaturperiode an, ein Urhebervertragsrecht einführen zu wollen und propagierte ein „modernes Urheberrecht, das Knebelverträge ausschließt und verhindert, dass KünstlerInnen gegenüber Produzenten und Vertriebsgesellschaften von vorneherein in der schlechteren Position sind”. „Wenn die Regierung das ernst nimmt, gibt es tatsächlich eine historische Chance, ein Urhebevertragsrecht einzuführen”, so Ruiss. Die Ausgangssituation ist tatsächlich eine spannende: Die Umsetzung der Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt steht unmittelbar bevor. Bis spätestens Juni 2021 muss sie in innerstaatliches Recht gegossen werden, sonst drohen die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie und Strafzahlungen.

Textgenaue Umsetzung der Richtlinie

Ein erstes Arbeitspapier wurde vom österreichischen Justizministerium ausgearbeitet. Viele der Vorschläge, die von der Initiative in den letzten Monaten vorgebracht worden waren, finden sich darin wieder, stellt Schödl zufrieden fest. Ein erster Erfolg. Das Papier zeige, dass man sich an der deutschen Rechtslage orientieren will, was grundsätzlich in Ordnung, aber noch zu wenig sei. Was es jetzt braucht, sei die textgenaue Umsetzung der EU-Richtlinie. Tatsächlich scheint die größte Gefahr in der Verwässerung der zu Grunde liegenden Intention zu liegen. Schon die Diskussion auf europäischer Ebene war durch teils heftige lobbyistische Einflussnahmen seitens der großen Plattformen geprägt, die letzten Endes zwar die Richtlinie als solche nicht verhindern konnten, ihren Inhalt aber zugunsten eines Kompromisses, mit dem alle Stakeholder leben können, abschwächte. Es ist zu befürchten, dass die großen Player das nun auf nationaler Ebene fortsetzen, d.h. den biegsamen Entwurf auch hier zu ihren Gunsten beeinflussen wollen. Die Initiative fordert einen direkten Vergütungsanspruch gegen die Plattformen, der allerdings von einer Verwertungsgesellschaft eingehoben wird, da der einzelne schwer auf gleicher Augenhöhe mit Youtube verhandeln kann. Es wird daher Rahmenverträge brauchen. Das vorliegende Arbeitspapier hat in diese Richtung etwas vorgesehen, aber das sein noch sehr vage, wie Schedl betonte. Weitere Forderungen der Initiative: Faire Vertragsbedingungen, Abschaffung von Vertragsdiktaten, wo sie de facto bestehen, Beteiligung bei Mehrerfolg (vor allem im Online-Bereich, da hier die Nutzungen weiter steigen werden).

Wie geht es weiter?

Da die Richtlinie wie gesagt bis 7. Juni 2012 umzusetzen ist, dürfte es schon bald den ersten Gesetzesentwurf geben. Dann beginnt das Begutachtungsverfahren, d.h. alle betroffenen Parteien bzw. Stakeholder erhalten noch einmal Möglichkeit zu umfassender Stellungnahme. Wie schwierig und entscheidend zugleich die nächsten Monate sein werden, wird deutlich, wenn man sich die aktuelle APA-Meldung zu diesem Thema vergegenwärtigt. Da kommen nach den Künstler*innen auch die Produzent*innen und der ORF zu Wort und es wird die Befürchtung geäußert, durch die Einführung eines Urhebervertragsrechts könnte „die gute Balance des bestehenden Urheberrechtsgesetzes kippen”. Wenn man denn überhaupt von einer Balance reden kann, so ist sie angesichts der Zahlen – diesbezüglich ist auf die beiden Studien zur sozialen Lage der Künstler und zahllose Artikel über die Bezahlung für Streaming-Plattformen zu verweisen – nur aus der Sicht jener gut, die den Urhebern und Urheberinnen immer noch einseitig die Vertragsbedingungen diktieren. Genau das soll sich ändern.

Markus Deisenberger

 

Link:
Initiative Urhebervertragsrecht