Dass man musikalisch nicht unbedingt immer die bereits vielfach eingeschlagenen Pfade beschreiten muss, sondern diese sehr wohl auch verlassen kann, diesen Beweis liefert die vierköpfige Wiener Formation EXISTENZHENGSTE auf ihrem nun erscheinenden Debüt „du hängst“ (Freifeld Tonträger).
Hinter der Band mit dem eher ungewöhnlichen Namen verbergen sich die vier jungen Jazzer Andreas Broger (Tenorsaxophon, Klarinette), Alexander Kranabetter (Trompete), Martin Burk (Kontrabass) und Alexander Yannilos (Schlagzeug). Was das Quartett auf seinem Erstlingswerk praktiziert, ist der Versuch einer modernen Deutung dessen, was man geläufig unter dem Begriff „Jazz“ zusammengefasst glaubt. Das heißt, eine Anlehnung an die traditionellen Spielarten ist von dieser Band nicht zu erwarten.
Ganz im Gegenteil, bei EXISTENZHENGSTE werden die klassischen Regeln hintangestellt, musikalische Grenzen überwunden und Brücken zwischen den unterschiedlichsten Formen des Jazz geschlagen. Mit dieser offenen und scheuklappenbefreiten Art zu Werke gehend, verwirklicht der Vierer so seine eigene musikalische Sprache und lässt Stücke entstehen, die vor allem in einer großen klanglichen Vielfalt ihren Ausdruck finden.
Moderner Jazz mit vielen Facetten
Die musikalischen Bögen, die von den Beteiligten gespannt werden, reichen vom Minimalistischen und Reduzierten bis hin zum Vertrackten und Komplexen, von einer gediegenen Note bis hin zum aberwitzig Experimentellen, von überaus stimmungsvollen und weiten Melodiebögen bis hin zu sehr eigenwilligen und schrägen Improvisationen. So mannigfaltig sich die Elemente des Sounds der Musik dieses Vierergespanns im ersten Moment auch lesen, so homogen und rund werden sie im Ergebnis zum Erklingen gebracht.
Auch weil bewusst der Gruppenklang in den Mittelpunkt gerückt wird. Endlose Soloeinlagen finden sich auf „du hängst“ keine, vielmehr funktionieren die einzelnen Versatzstücke perfekt zusammen. Die sehr abwechslungsreiche und dynamische Rhythmusarbeit von Burk und Yannilos, das harmonische und ideenreiche Miteinander der beiden Bläser Broger und Kranabetter, es passt einfach. Hinzu kommt, dass die vier Musiker sich nie dazu verleitet fühlen, sich in der Sperrigkeit zu verlieren. Sie lassen es richtiggehend fließen, wodurch sich die Nummern auch recht schnell erschließen.
EXISTENZHENGSTE macht auf „du hängst“ auf jeden Fall vor, dass es im Jazz mich zwangsläufig immer nur verkopft zugehen muss. Er kann auch einmal aus einer zugänglicheren Richtung kommen, ohne dabei irgendetwas von seiner Qualität einzubüßen.
Michael Ternai
Termine:
15.02. Brick-5, Wien
18.02. Milla-Club, München (D)
19.02. Glashaus, Rankweil
20.02. Kulturverein Bahnhof, Andelsbuch
21.02. Tangente, Eschen, (FL)
13.03. Refektorium, Rottweil (D)
Freifeld Tonträger