„Es war immer wichtig, eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen“ – VALENTIN GEISEDER (Festival ROCK IM DORF) im mica-Interview

Ein Musikfestival zu veranstalten ist eine Herkulesaufgabe. Im besten Fall bekommen die Besucherinnen und Besucher nicht mit, wie viel wirklich dahinter steckt. Benji Agostini hat sich mit VALENTIN GEISEDER getroffen, der seit 2013 das Festival ROCK IM DORF in Oberösterreich mitveranstaltet, um einen Einblick in die Organisation eines 2000-Besucher-Festivals zu erhaschen. VALENTIN GEISEDER erzählte, warum das Festival heuer zum ersten Mal an einem See veranstaltet wird, was die großen Herausforderungen eines Festivalveranstalters sind und was passiert, wenn alles ins Wasser fällt.

Was hat euch dazu bewegt, das Festival an einen anderen Ort zu verlegen?

Valentin Geiseder: Wir haben in den letzten Jahren immer daran gearbeitet, das Festivalerlebnis für die Besucherinnen und Besucher besser zu machen. Angefangen haben wir als Schülerverein, der ein Festival organisiert, aber mittlerweile gibt es das Rock im Dorf seit sieben Jahren und die Organisation und Produktion verbesserten sich von Jahr zu Jahr. Dadurch haben wir uns jetzt den Luxus leisten können, zu schauen, was man noch besser machen kann. Dieses Jahr hat sich dann die Möglichkeit ergeben, das Festival an einen See zu verlegen, und das ist für die Besucherinnen und Besucher natürlich ein großes Plus. Man hat einen Badestrand und kann Konzerte auf Booten veranstalten. Solche Sachen waren dann letztendlich die ausschlaggebenden Kriterien. Das ist natürlich auch mit einem größeren Aufwand für uns verbunden, aber wir waren mutig und haben den Schritt dieses Jahr gewagt.

Atmo Stausee (c) Haidlmair GmbH

Wie groß ist euer Team mittlerweile?

Valentin Geiseder: Das Kernteam besteht aus sieben Personen, aber in unserem Verein sind mittlerweile über hundert Mitglieder aktiv, die das Festival freiwillig unterstützen und beim Auf- und Abbau und während des Festivals helfen.

Ein großes Augenmerk legt ihr darauf, ein „Green Festival“ zu sein. Was war euer Gedanke dahinter?

Valentin Geiseder: So etwas ist heutzutage einfach sehr wichtig und ich finde, es gehört auch zum Besucherkomfort dazu, dass ein Festival sauber ist und nach den zwei Tagen keine Stromaggregate, Badewannen und was auch immer, was auf großen Festivals so anfällt, übrig bleiben. Ich finde, es sollte die Aufgabe eines jeden Festivals sein, sich um solche Aspekte zu kümmern.

RiD Crew (c) Christoph Weiermair

Fällt durch diese Positionierung sehr viel mehr Arbeit an? Um sich „Green Event“ nennen zu können, muss man sich ja auch an Vorgaben halten.

Valentin Geiseder: Natürlich gibt es Richtlinien, aber die sind unter anderem sehr flexibel. Man versucht, die Vorgaben, die zum Festival passen, zu erfüllen und gleichzeitig darüber hinauszudenken.

Was habt ihr in dieser Hinsicht umgesetzt?

Valentin Geiseder: Die Anreise mit dem Zug ist beispielsweise wichtig. Dass wir in der Nähe eines Bahnhofs sind, dieser gut erreichbar ist, wir gratis Shuttlebusse zu Verfügung stellen und die Besucherinnen und Besucher mit Getränken belohnt werden, wenn sie mit dem Rad oder Zug anreisen. Wenn sich Leute um den Müll kümmern, gibt es auch spezielle Belohnungen.

Wie ist die Arbeit mit den Behörden? Stellen sich diese bei manchen Dingen quer oder sind sie kooperationswillig?

Valentin Geiseder: Es gehört wahrscheinlich dazu, dass man als Behörde eine gewisse Härte zeigt, aber man muss bei manchen Dingen einfach Kompromisse finden. In den letzten Jahren hat die Zusammenarbeit aber gut funktioniert. Klar kommen einem gewisse Maßnahmen – wie die Registrierkassenpflicht mit ewig langen Belegen – zu streng vor, aber man muss das auch irgendwie einsehen.

„Dass wir ohne Förderungen arbeiten können, funktioniert auch nur, weil wir den Verein haben und die Leute freiwillig helfen.“

Hat sich für euch als Festival etwas geändert, seit sich die Landesregierung neu aufgestellt hat? Ich denke da zum Beispiel an Förderungen.

Valentin Geiseder: Man muss sagen, dass wir uns nicht über Förderungen finanzieren, sondern ausschließlich über Tickets und zu einem kleinen Teil über Sponsorinnen und Sponsoren. Wir haben uns auch nie großartig um Förderungen bemüht, weil ich das Gefühl habe, dass die Bewerbung dafür mehr Zeit und Aufwand bedeutet, als wenn ich mir wirklich Gedanken dazu mache, wie man das Festival gut gestalten kann. Wir erhalten Förderungen, weil wir ein „Green Event“ sind, aber die sind nur minimal. Dass wir ohne Förderungen arbeiten können, funktioniert auch nur, weil wir den Verein haben und die Leute freiwillig helfen. Wenn wir die alle bezahlen müssten, würde sich das niemals ausgehen.

Ist das auch ein Grund, warum ihr das Festival nicht großartig expandiert?

Valentin Geiseder: Das stand eigentlich nie zur Debatte. Es war immer wichtig, dass wir eine gemütliche Atmosphäre schaffen können, und die Besucherzahlen haben sich auch nie so entwickelt, dass wir mit einem sehr viel größeren Zustrom rechnen können. Aber wir haben heuer das Line-up etwas größer und internationaler gestaltet, um zu sehen, wie sich das noch entwickeln kann.

Rock im Dorf (c) Arne Muesele

Was sind die wichtigsten Erfahrungen, die du über die Jahre als Festivalveranstalter gemacht hast?

Valentin Geiseder: Als Vereinsobmann – der ich ja mittlerweile nicht mehr bin – lernt man, wie man mit Leuten umgeht, die freiwillig arbeiten, und ihre Motivation aufrechterhält. Wie gesagt, ohne sie würde unser Festival nicht funktionieren.

Ein großes Thema auf Festivals ist immer wieder, wie man sexueller Belästigung vorbeugt beziehungsweise wie man damit umgeht. Wie funktioniert das bei euch?

Valentin Geiseder: Ich habe zum Glück noch nie mitbekommen, dass so etwas bei uns passiert ist. Ich habe bis jetzt sowohl von den Besucherinnen und Besuchern als auch vom Sicherheitspersonal gehört, dass es immer friedlich bei uns bleibt. Gerade unsere Securitys sind da wohl am wichtigsten. Die holen wir extra aus Wien, weil wir am Land noch kein Unternehmen gefunden haben, das passt. Vor allem achtet die Security-Firma darauf, dass beim Personal auch immer Frauen dabei sind.

Auf Instagram hat man mitbekommen, dass ihr euch immer wieder mit anderen österreichischen Festivalveranstalterinnen und -veranstaltern trefft. Was wird dort besprochen?

Valentin Geiseder: Ja, das ist uns sehr wichtig. Mittlerweile trägt das den offiziellen Titel „Netzwerk österreichischer Festivalfreunde“ [http://www.noeff.at/]. Wir treffen uns seit zwei oder drei Jahren und tauschen dabei Erfahrungen aus, besuchen gegenseitig die Festivals und geben uns Feedback. Dadurch lernt jede und jeder von der bzw. dem anderen und es ergeben sich coole Synergien.

„Wenn man es schafft, die Marke des Festivals zu etablieren, ist man finanziell gesehen nicht so abhängig vom Wetter.“

Atmo Stausee (c) Haidlmair GmbH

Wie bereitet ihr euch auf schlechtes Wetter vor?

Valentin Geiseder: Wenn man ein Festival veranstaltet, muss man langfristig denken. Gerade als Open-Air-Festival. Man muss es schaffen, dass man das Event so interessant gestaltet, dass sich die Besucherinnen und Besucher die Tickets im Vorverkauf besorgen und man nicht von Abendkassaverkäufen abhängig ist. Wenn man es schafft, die Marke des Festivals zu etablieren, ist man finanziell gesehen nicht so abhängig vom Wetter. Ich kann mich erinnern, dass wir in den ersten Jahren in etwa 50 Prozent der Tickets an der Abendkassa verkauften. Im ersten Jahr, als wir das Festival vom alten Verein übernommen hatten, war das Ganze durch das schlechte Wetter ein richtiges Fiasko. Erstens natürlich vom finanziellen Aspekt her, aber auch die Grundeigentümer waren sauer, weil die Wiese dementsprechend zerstört wurde. Viele Leute haben dann auch noch beim Abbauen nicht geholfen. Das war wahrscheinlich das Schlimmste daran. Aber gerade aus solchen Sachen lernt man. Wir haben bei schlechtem Wetter aber heuer zum Beispiel ein großes Zelt, auf das wir ausweichen können, falls es so weit kommen sollte.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Benji Agostini

Termin:
5.–6. Juli 2019, Stausee Klaus, Oberösterreich
Line-up: Friska Viljor, Lola Marsh, Leoniden, Cari Cari, Erwin & Edwin, Buntspecht, Scheibsta & die Buben, Naked Cameo, My Ugly Clementine, Anger, Pabst, Restless Leg Syndrome, Oehl

Links:
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