„Es hat ein bisschen mit Weltmusik zu tun“ – ZENO STANEK (SCHRAMMELKLANG FESTIVAL) im mica-Interview

Eigentlich ist ZENO STANEK Theaterregisseur und vor rund 25 Jahren als Theatermacher nach Litschau gekommen. Mitte der Nuller-Jahre hat er dort das SCHRAMMELKLANG FESTIVAL begründet und ist dessen Intendant. Heuer geht es in reduzierter Form als SCHRAMMELKLANGERL ab 3. Juli über die Bühne. Darauf folgt in Litschau das ebenfalls von STANEK mitorganisierte Theaterfestival HIN & WEG. Im Interview mit Jürgen Plank erzählt ZENO STANEK von den historischen Hintergründen der Schrammelmusik und von das Genre prägende Protagonisten wie ROLAND NEUWIRTH, KARL HODINA und KURT GIRK.

Warum passt das Schrammelklang-Festival perfekt zum Ort Litschau im Waldviertel?

Zeno Stanek: Das hat sich ergeben, weil der Vater der berühmten Gebrüder Schrammel – Johann und Josef – ein Litschauer war. Genauer gesagt war er aus Hörmanns, das ist ein kleiner Vorort von Litschau. Er ist Mitte des 19. Jahrhunderts nach Wien gegangen, war ursprünglich Weber und hat selbst Klarinette gespielt. Auf einem hohen, professionellen Niveau. In Wien hat er das zu seinem Beruf gemacht, er war Klarinettist und Musiker. Die beiden Buben hat er ans Konservatorium zum Geigenstudium geschickt und sie haben sich danach wieder zurück zur Volksmusik orientiert. Sie waren ausgebildete Musiker und professionelle Geiger und haben mit der Schrammelmusik quasi eine eigene Musikgattung begründet.

Wie ist das Festival üblicherweise ausgestaltet?

Zeno Stanek: Dadurch, dass ich vom Theater komme, ist das Festival eine große Inszenierung rund um die Schrammelmusik. Mit vielen Bühnen, die sich um den Herrensee erstrecken. Es wird unplugged gespielt und das Festival hat viel mit Theater, mit Inszenierung zu tun, mit Genuss und Kulinarik und sinnlichem Erleben. Das ist eigentlich das Geheimnis des Festivals. Die Menschen in Litschau haben das Festival sehr schnell zu ihrem eigenen gemacht und helfen tatkräftig mit. Durch das Schrammelklang-Festival ist Litschau zur Kunst- und Kulturstadt geworden.

Bild Karl Hodina Roland Neuwirth
Karl Hodina und Roland Neuwirth (c) Stephan Doleschal

Was hat sich seit den Gebrüdern Schrammel in der Entwicklung des Genres Schrammelmusik getan?

Zeno Stanek: Das sind Wellenbewegungen. Nach den Schrammeln ist es mit Anfang des 20. Jahrhunderts und dem Ende der Monarchie etwas stiller um die Schrammelmusik geworden. Es gab viele Aufzeichnungen und die sind Gott sei Dank auch erhalten geblieben. Die Musikgattung ist in einen Bereich abgeglitten, der dann nur mehr mit Heurigen zu tun hatte und eher vom Kammermusikalischen weg gegangen ist. Anfang der 1960er und 1970er ist die Richtung von Karl Hodina wieder wach geküsst worden. Er hat wiederum andere aktiviert, etwa Roland Neuwirth und so ist diese Art von Musik wieder in den hochkulturellen Bereich übergegangen und es sind immer mehr Ensembles entstanden, die nicht nur beim Heurigen gespielt haben, sondern Konzerte gegeben haben. Roland Neuwirth hat es geschafft mit den Extremschrammeln einen richtigen Kult zu entwickeln, mit eigenen Liedern.

“Vor 14 Jahren hat es nicht so viele Musiker und Musikerinnen gegeben, die man diesem Genre zurechnen konnte”

Wie war die öffentliche Wahrnehmung der Schrammelmusik in der Gründungsphase des Festivals?

Zeno Stanek: Wenn ich zurückdenke: Vor 14 Jahren hat es nicht so viele Musiker und Musikerinnen gegeben, die man diesem Genre zurechnen konnte. Die Jungen interessieren sich wieder dafür und es ist sehr viel Musik für dieses Schrammelquartett komponiert worden: 2 Geigen, 1 Knopfharmonika und die Kontragitarre. Das ist ein ideales Kammermusik-Ensemble, weil ja durch die Kontragitarre auch der Bass dabei ist. Es gibt sehr viele alpenländische Einflüsse auf die Schrammelmusik. Die Schrammelmusik wurde auch mit Klassik verbunden, ein bisschen Balkan wurde dazu gemischt und Musik aus diesem Dunstkreis ist beim Schrammelklang-Festival dabei und gehört emotional für mich dazu. Es hat ein bisschen mit Weltmusik zu tun. Und es hat ein bisschen mit Dialektlied zu tun, wobei das eine ganz andere Gattung ist. Aber daraus hat sich eine Wiener Mischkulanz gebildet, eine Melange, bei der nicht immer die Instrumentierung da sein muss, sondern die Schwingung muss da sein.

Wie ist das Publikum beim Schrammelklang strukturiert?

Zeno Stanek: Die Entwicklung aktuell ist sehr positiv, weil viele junge Leute sich für diese Musik interessieren und sie beleben, dadurch natürlich auch verändern. Wenn ich das Publikum von vor 14 Jahren mit dem Publikum von heute vergleiche, dann ist ein Riesensprung in Richtung jüngere Generation gemacht worden.

Bild radio.string.quartet & Roland Neuwirth
radio.string.quartet & Roland Neuwirth (c) Michael Zottl

Karl Hodina und Roland Neuwirth haben Sie bereits erwähnt, die beiden sind nicht nur Traditionalisten, sondern auch Weiterentwickler. Wie ist denn Neuwirth mit dem Festival verbunden?

Zeno Stanek: Er hat eine ganz wichtige Bedeutung für das Festival. Roland Neuwirth war einer der ersten Gäste und mit den Extremschrammeln unter den ersten Ensembles, die gespielt haben. Wir haben vor 14 Jahren mit einem Theaterstück über die Gebrüder Schrammel eröffnet, zusammen mit den Neue Wiener Concert Schrammeln. Roland saß im Publikum und es hat ihm gefallen, am nächsten Tag hat er auch selbst gespielt. Im Jahr 2009 haben wir dann seine Schrammeloperette produziert und den ganzen Sommer hindurch gespielt. Das war sicherlich ein Meilenstein! Er war immer ein kritischer Begleiter des Festivals und hat sich auch mit den jungen Ensembles beschäftigt, die bei uns gespielt haben. Ich freue mich sehr, dass er heuer mit dem radio.string.quartet dabei ist.

Bild Der Nino aus Wien
Der Nino aus Wien (c) Pamela Russmann

Ihr verwendet im Rahmen des Festivals einen erweiterten Begriff von Schrammelmusik. Warum wollten Sie Nino aus Wien dabei haben und inwiefern passt er eben doch dazu?

Zeno Stanek: Das ist eine berechtigte Frage. Wir haben ja auch noch das Theaterfestival Hin & Weg und da ist es so, dass Ernst Molden ein künstlerischer Co-Leiter ist. Für mich ist das letzte Wochenende beim Schrammelklang schon ein Übergang zum Theaterfestival und daher passt dieser Übergang mit Nino aus Wien. Er spricht viele junge Leute an und hat eine sehr ruhige und gemütliche Ausstrahlung, die auch wieder für das Festival stimmt. Ich würde ihn nicht als Schrammelmusiker bezeichnen, überhaupt nicht. Aber als Wiener Musiker, als Wienerlied-Schreiber. Als modernen, jungen Wienerlied-Schreiber. Er hat in den letzten Jahren eine unglaubliche Entwicklung hin zum Bühnenmenschen hingelegt.

Bild Neue Wiener Concert Schrammeln
Neue Wiener Concert Schrammeln (c) Stephan Mussil

Im Zuge des Schrammelklang-Festivals haben sich extra Formationen gebildet bzw. Musikerinnen und Musiker haben einander hier getroffen und miteinander gespielt.

Zeno Stanek: Durch uns ist die Konstellation Neue Wiener Concert Schrammeln und Willi Resetarits entstanden. Trio Lepschi sind sehr früh bei uns aufgetreten. Noch bevor Trio Lepschi entstanden ist, habe ich Stefan Slupetzky gefragt, ob er bei uns etwas lesen will, damit wir seine Literatur mit Musik verbinden. Heuer feiern Trio Lepschi die ersten zehn Jahre ihres Bestehens und hätten einen großen Abend mit Kollegium Kalksburg, den Strottern und Gesangskapelle Hermann gespielt. Wenn die auf den Naturbühnen zusammentreffen, passiert immer etwas Großartiges. Letztes Jahr zum Beispiel musste Trio Lepschi die Bühne von Gesangskapelle Hermann entern, weil die nicht aufgehört haben zu singen. Dadurch ist – mit dem Publikum auf einer Welle – etwas sehr Lustiges entstanden.

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Was habt ihr noch initiiert?

Zeno Stanek: Wir haben sicherlich Karl Ferdinand Kratzl als Textschreiber zu dieser Musik gebracht. Das ist lustig, weil sein Großvater, Karl Kratzl, hat „Das Glück is a Vogerl“ geschrieben. Und dann gibt es sicher einige andere, die sich bei uns kennen gelernt und in weiterer Folge miteinander gearbeitet haben. Weil – und das ist das Besondere bei uns – die meisten zum Festival kommen, spielen und blieben und wieder spielen. So lernen die MusikerInnen einander kennen und haben auch Ideen miteinander. Nach Litschau kommt man auch, um zu bleiben.

Was konnte aufgrund der Reduktion des Festivals heuer nicht stattfinden?

Zeno Stanek: Für Kurti Girk hätten wir heuer eine Matinee mit seinen Wegbegleiterinnen und -begleiter gemacht. Das machen wir nächstes Jahr. Kurti Girk hat sehr viele Leute zu dieser Musik und zum Wienerlied-Singen gebracht.

Kurt Girk, der 2019 verstorben ist, war ein so genannter Natursänger.

Zeno Stanek: Das ist ein ganz wichtiger Punkt bei der Schrammelmusik, dass die Sängerinnen und Sänger eben keine ausgebildeten Stimmen haben. Das sind Naturstimmen. Auch die zwei Schrammelbrüder haben sich mit den Natursängern zusammengetan. In dieser Musik hat es nie Hierarchien gegeben, auch beim Publikum nicht. Kurti Girk war eine dieser großen Naturstimmen, er hat dieses Vibrato im Gesang gehabt.

“Ich habe immer gesagt: wir finden statt” 

Wie gehen Sie im Rahmen des Schrammelklangerls 2020 mit der Corona-Situation um?

Zeno Stanek: Ich habe immer gesagt: wir finden statt. Denn absagen kann ich immer noch, theoretisch einen Tag vor Beginn. Ich habe überlegt, was wir in dieser Zeit des Abstands tun können. Mir war klar, dass wir kein Festival mit 2500 Leuten machen können, bei dem alle relativ eng oder an Tischen sitzen. Ich habe mir gedacht: weniger Leute, dafür öfter. Deswegen bespielen wir jeweils am Freitag und Samstag den Abend, für nur 300 Gäste. Das ergibt unterm Strich: die Hälfte an Leuten, aber mir war es eben ganz wichtig, die Künstlerinnen und Künstler nicht fallen zu lassen. Ich wollte mich den KünstlerInnen gegenüber solidarisch erklären, denn sie haben diesen Aufwind – wie eingangs erwähnt – gebracht. Toll an dieser Krise ist, dass viele erkannt haben: ich werde niemals dieses gemeinschaftliche Erlebnis als Publikum haben, wenn ich mir etwas im Internet anschaue. Das Bewusstsein für das Live-Erlebnis wurde geschärft und wir werden es in Zukunft mehr schätzen, das erleben zu dürfen.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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Schrammelklangerl
03.07. bis 01.08.2020, Litschau

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