„Es gibt wenige Dinge, die mich so euphorisieren wie ein guter Song” – VERENA DOUBLIER und FLORIAN KARGL (PRATER WG) im mica-Interview

VERENA DOUBLIER kennt man vom Duo WIENER BLOND, FLORIAN KARGL ist seit einigen Jahren mit der Band FREISCHWIMMA unterwegs: Gemeinsam mit der Bassistin EMILY SMEJKAL und der Schlagzeugerin RAPHAELA FRIES bilden die beiden die Band PRATER WG. Jetzt liegt das Debüt-Album „Im Leo” (Monkey Music) vor, das gleichberechtigt Lieder der beiden Songwriter enthält. Im Interview mit Jürgen Plank geht es außerdem um Austropop-Geschichte, die Beatles und um die Frage, was die Band von Corona-Sitzkonzerten in Rockclubs hält.

Wie lautet der Gründungsmythos der Band Prater WG, spielt da nicht ein Lokal im 2. Wiener Gemeindebezirk eine Rolle?

Florian Kargl: Ja, ein ehemaliges Szenelokal im 2. Bezirk spielt da eine Rolle, dort hat früher viel Livemusik stattgefunden, das war ein klassischer Treffpunkt für Musiker und Musikerinnen. Dort hat man sich halt getroffen. Wien ist ja in diesem Sinne ein Dorf und so haben wir einander kennen gelernt. Wir haben einander nicht gekannt, aber die Bandprojekte des jeweils anderen gekannt. Und dann sind wir drauf gekommen, dass wir beide über Kastanienbäume singen und so haben wir beschlossen, dass wir diese Lieder mal miteinander im Lokal singen, was dann sozusagen zur Bandgründung geführt hat.

Warum brauchst du neben Wiener Blond auch Prater WG?

Prater WG
Prater WG (c) Christoph Stiller 300

Verena Doublier: Wir haben bei Wiener Blond eine ausgesprochene Regel, nämlich dass wir keine klassischen Liebeslieder schreiben. Das kann ich bei der Prater WG und da passt es gut. Und ich mag Rockbands. Zuerst haben wir zu zweit und dann mit Kontrabass gespielt. Aber als wir gesagt haben, dass wir ein Album machen, war für mich klar, dass ich ein Schlagzeug dabeihaben will. Damit der Sound rotzig wird. In diese Richtung habe ich dann auch die Lieder geschrieben. So sind dann Lieder wie „Zwischen Spittelberg und Handelskai” entstanden, weil ich den Bandsound schon im Kopf hatte. 

Ein Lied von dir trägt den Titel „Keine Szene”. Ich fand den Song rätselhaft, aber du erklärst in einem Kurzvideo, dass es da um die Musikszene geht und nicht um eine „Szene” in einem Streit. Oder gehört das doch zusammen? 

Verena Doublier: Es gehört dazu, denn wenn du dich als Frau über etwas aufregst, dann machst du gleich eine Szene. Ich habe auch gesagt: es geht um mich als Frau in der Musikszene. Ich habe das Gefühl, dass mir überhaupt nicht zugehört wird, wenn ich mich darüber aufrege, dass ich Nachteile in der Musikszene habe. Ich möchte, dass einfach mal zugehört wird und nicht gleich widersprochen. Ich habe auch gemerkt, dass mich dieses Musikszenen-Ding gar nicht so interessiert. Ich bin keine gute Netzwerkerin. Mir ist wichtiger, dass man eine Idee hat, wo man hinwill und dass das Lied in diesem Fall nicht ganz so klar ist, finde ich okay.

„Ich habe das große Glück, dass ich Leute habe, mit denen ich auf Augenhöhe super arbeiten kann”

Welche Benachteiligungen in der Musikszene hast du für Frauen festgestellt?

Verena Doublier: Ich suche ja keine Schuldigen, es ist halt so, wie es ist. Der große Nachteil ist, dass ich mich nicht mit allen die ganze Nacht an einen Beisltisch setzen kann. Es müssen erst Räume geschaffen werden, damit ich mich auf einem anderen Weg vernetzen kann. Das ist oft gar nicht so einfach. Ich habe das große Glück, dass ich Leute habe, mit denen ich auf Augenhöhe super arbeiten kann. Eben mit Florian und Sebastian und noch einigen anderen. Insgesamt ist die Szene nicht sehr offen für Frauen und es gibt auch sehr wenige Frauen, die etwas machen. Ich habe auch kein Allheilmittel, ich will sagen: für mich ist das nicht gleich wie für euch und hört euch mal meine Seite an, vielleicht werdet ihr dann auch anders darüber denken.

Verena, mir ist aufgefallen, dass du bereits in zwei Musikvideos als Kellnerin aufgetreten bist. Passt diese Figur gut zu Wien?

Verena Doublier: Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, aber damit hat das sicher etwas zu tun. Denn Kellner und Kellnerinnen sind wichtig in Wien. Im Video „Schau Ma Mal” von Wiener Blond haben wir stark mit Klischees gearbeitet, das würden wir heute nicht mehr so machen. Und im Video zu unserem Lied „Zwischen Spittelberg und Handelskai” geht es um die Bar und das geht nicht ohne Kellnerin. Das ist eine Illustration des Alltags in dieser Stadt.

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In einem der Kurzclips zum neuen Album „Im Leo” sagst du, zwar im Scherz, dass sich durch deine Lieder ein Wien-Bild ergibt. Ist das dennoch ein übergeordnetes Thema für dich?

Verena Doublier: Es hat sich ergeben. Ich habe vor rund 6 Jahren damit begonnen, Kleinstudien über Phänomene zu machen, die mich interessieren und darüber dann Lieder zu schrieben. Das ist bei diesem Album nicht anders. Die Lieder sind zwischen 2015 und 2018 entstanden und behandeln Themen, die bei Wiener Blond nicht hineinpassen. Am neuen Wiener Blond-Album wird es auch wieder so sein, dass ich mich mit neuen Ecken beschäftige, vor allem mit Tagesrändern: wenn die Sonne aufgeht und wenn du Sonne untergeht. Da werde ich in den Liedern auch wieder Bilder von Wien malen. 

Was kannst du, Florian, bei Freischwimma nicht machen, was bei Prater WG möglich ist?

Florian Kargl: Ich kann Lead-Gitarre spielen, wenn ich möchte und ich klebe nicht nur an der Rhythmus-Gitarre. Und ich kann mit drei Frauen spielen, das macht einen Unterschied in der Zusammenarbeit. Ich kann Hochdeutsch singen und Verena und ich können viel zweistimmig machen, das ist cool. Außerdem bin ich nicht alleine fürs Songwriting zuständig. Auf dem Album sind Lieder von Verena und von mir drauf. 

Musikhistorisch könnte man von euch eine Parallele ziehen zu Lennon & McCartney: auch bei Prater WG sind zwei Menschen, die Lieder schreiben und man erkennt, wer die jeweils geschrieben hat.

Florian Kargl: Wer bin ich dann?

Verena Doublier: Ich glaube, du bist eindeutig John Lennon! Lustigerweise war es für mehrere Leute gar nicht so einfach, zu unterscheiden, wer welches Lied geschrieben hat. Es hat sich stilistisch ein bisschen aneinander angepasst. Ich habe gehört, welche Songs Florian einbringt und er hat gewusst, was ich mache, und wir haben so ausgewählt, dass es ein homogenes Ganzes ergibt. 

„Es ist immer schön, wenn man nicht alleine fürs Songwriting zuständig ist”

Wie siehst du die Polarität beim Songwriting, Florian?

Florian Kargl: Bereichernd. Es ist immer schön, wenn man nicht alleine fürs Songwriting zuständig ist. Denn dann ist die Gefahr geringer, dass man sich wiederholt. Man hat halt seinen Stil und seine Zugänge und wenn man nicht nur alleine für die Songs zuständig ist, bekommt man einen anderen Input.

Bild Prater WG
Prater WG (c) Alexander Lausch

Apropos Wiederholung: Du hast das zweite Lied der österreichischen Popgeschichte über Heidelbeeren geschrieben, das erste war von Wilfried – “Highdelbeeren”.

Florian Kargl: Das ist mir gar nicht bewusst gewesen, ich bin manchmal nicht so firm in der Popgeschichte, aber ich werde mir das Lied anhören. Sind die Heidelbeeren in Wilfrieds Lied schon reif?

Ja, Wilfried isst sie.

Florian Kargl: Bei mir war es ganz einfach, ich habe meine Eltern im Waldviertel besucht und es gab frische Heidelbeeren, die habe ich gegessen und ein Lied darübergeschrieben. Man kann das Lied natürlich als Irr-Suche im Wald des Kapitalismus hören, wenn man möchte. Wir haben einen Text von Jura Soyfer vertont, das ist eine eindeutig politische Haltung. Ich bin ein politischer Mensch, ich bin Humanist und deswegen kann man den Kapitalismus in seiner jetzigen Ausprägung schon kritisch betrachten, weil es da nicht mehr um Humanität geht, meiner Meinung nach.

Wie kam es zur Auswahl des Soyfer-Textes „Lied des einfachen Menschen”?

Florian Kargl: Ich bin musikalisch über Willi Resetarits auf Soyfer gestoßen, da gab es ein Album von Resetarits und Sabina Hank mit Texten von H.C. Artmann und Soyfer. Diese Vertonung habe ich schon lange vor Gründung der Prater WG gemacht und es hat zur Band gepasst und da singe ich Hochdeutsch. Es ist leider ein zeitloses Lied.

Wie siehst du denn deinen musikalischen Weg vom Kiddy-Contest bis zur Jura-Soyfer-Vertonung mit Prater WG?

Verena Doublier: Musik ist eine Konstante in meinem Leben und die einzige Konstante in allem, was ich kreativ mache. Dass mir das Performen wichtig ist, sieht man vom Kiddy-Contest bis zu fast schon Tausenden Konzerten mit verschiedensten Bands. Mein Fokus hat sich von der Unterhaltung weg verschoben, Texte sind mir wichtig geworden. Ich habe als Sängerin und Performerin angefangen und das Schreiben und die Inhalte zur Musik sind mir immer wichtiger geworden. Damals bin ich auf Songwriter wie Elton John oder Billy Joel gestanden. Es gibt wenige Dinge, die mich so euphorisieren wie ein guter Song. 

Wie steht ihr zu Sitzkonzerten in Musikclubs wie dem Chelsea, wo ihr euer Album präsentieren werdet? Ist das eher eine ungünstige Anordnung für Pop- bzw. Rockmusik?

Florian Kargl: Mir ist es egal, ob die Leute sitzen, liegen, hüpfen, stehen oder lachen. Wichtig ist, dass wir gut spielen und dann kommt etwas rüber und dann kommt auch etwas zurück. Früher hat es mich immer geärgert, wenn die Leute bei Konzerten nicht zugehört haben. Dann habe ich den Umweg über das Kabarett genommen, da haben alle zugehört und das hat mir getaugt. Musik ist Schwingung. Ich glaube, es ist egal, ob man diese Schwingung im Sitzen oder im Stehen mitkriegt. Hauptsache es ist Aufmerksamkeit da und dann passiert etwas mit den Leuten. Es wird im Sitzen auch super sein, aber ich werde mich auf der Bühne nicht hinsetzen.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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