„Es gibt genügend Bands und Musiker, die wie die 80er klingen wollen“ – TOBIAS KOETT (ANT ANTIC) im mica-Interview

Das aus TOBIAS KOETT und MARCO KLEEBAUER bestehende Duo ANT ANTIC hat mit „Wealth“ (Sea You Records) im Juni 2017 sein Debüt veröffentlicht. Der Sound der Band findet sich inmitten von Synthesizern, Beats und einer charismatischen Stimme wieder – am Puls der Zeit. Sebastian Götzendorfer hat sich mit TOBIAS KOETT im WHATSAPP-Chat getroffen, um über den Zeitgeist, die Autodidaktik und den Wohlstand zu schreiben.

Guten Tag. Ich bin jetzt online und im richtigen Programm.

Tobias Koett: Top.

Wie wir schon festgestellt haben, ist einer der Vorteile eines Interviews im Chat, dass wir uns beide gerade noch gemütlich einen Kaffee machen konnten. Ein weiterer Vorteil: Ich höre während des Interviews euer neues Album „Wealth“. Eine gute Kombination also, um dich dazu zu befragen. Wie zufrieden seid ihr mit dem neuen Album?

Tobias Koett: Ich glaube, wir hätten das Album nicht so rausgebracht, wären wir nicht superzufrieden damit bzw. stünden wir nicht voll und ganz dahinter. Wir haben uns ja auch ziemlich viel Zeit dafür genommen.

Dass ihr euch viel Zeit genommen habt, hört man auf jeden Fall. Das Ausmaß an Professionalität – sowohl was den Sound als auch was das Songwriting betrifft – ist echt beeindruckend.

Tobias Koett: Ich finde die Chat-Idee übrigens auch sehr amüsant und entspannt.

Freut mich. Was ich vorher angesprochen habe, hängt wohl damit zusammen, dass du auch Produzent bist und beim Album gewissermaßen eine Doppelrolle innehattest. Wie hat sich das ausgewirkt?

Tobias Koett: Ich glaube, das ist einer der riesigen Vorteile, den Marco und ich haben. Dass wir bis zum Mastering nichts aus der Hand geben müssen. Das heißt, wir haben nicht nur die volle Kontrolle über das Arrangement und das Songwriting, sondern können auch die Produktion und das Mixing zu 100 Prozent selbst verwirklichen, was uns dann doch einige kreative Freiheiten ermöglicht. Es war aber auch ein jahrelanges Probieren und Lernen.

„Es gibt Abende […], an denen wir uns einfach nur über Ableton unterhalten.“ 

Soweit ich weiß, hatte Marco Kleebauer eine umfassende musikalische Ausbildung in Linz. Wie war das bei dir? Läuft – gerade im Producing-Bereich – auch einiges autodidaktisch ab?

Tobias Koett: Das Produzieren ist bei uns beiden eigentlich ein Erfahrungsammeln, indem wir probieren, scheitern, probieren, besser machen und danach austauschen. Es gibt Abende, vor allem auch mit Max Walch [Monophobe; Anm.], an denen wir uns einfach nur über Ableton unterhalten. Das sind gute Abende, vielleicht nicht die sozialsten. Ich habe aber auch eine klassische musikalische Ausbildung hinter mir. Aber die Instrumente und Werkzeuge, die ich jetzt zum Musikmachen verwende, haben nicht mehr viel damit zu tun.

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Solche Diskussionen kennen wohl alle Musiker. Aber es hört sich jedenfalls nach einer guten Arbeitsdynamik und Atmosphäre an. Kannst du vielleicht ein bisschen genauer schildern, wie das bei euch funktioniert? Marco wohnt ja in Wien und du in Berlin.

Tobias Koett: Prinzipiell läuft das bei uns schon immer gleich ab. Einer von uns produziert eine roughe Idee, die dann gemeinsam oder vom anderen weiterbearbeitet wird. Die letzten 50 Prozent werden dann aber meistens gemeinsam in einem Raum gemacht. Das ist auch jetzt mit der räumlichen Distanz nicht anders. Aber es gibt natürlich auch gewisse Tracks, die hauptsächlich aus Marcos‘ oder hauptsächlich aus meiner Feder stammen. Sobald der Track steht, ist es noch meine Aufgabe, ihn mit den Vocals zu einem Song zu formen. Prinzipiell weiß ich aber von Anfang an, was ich mit den Vocals machen möchte, und plane das in die Produktion ein. 

Hört sich nach einer recht ausgewogenen Arbeitsweise an. Weil du gerade die Vocals angesprochen hast: Die machen sicherlich einen großen Teil des Sounds aus. Ich habe in meiner Rezension zum Album geschrieben: „Eine Stimme, die melancholisch genug ist, um alle Grübler auf ihrem pessimistischen Boot zu erreichen, aber gleichzeitig männlich genug, um für ein weibliches Publikum womöglich einen gewissen Sex-Appeal auszuüben.“ Kannst du damit etwas anfangen?

Tobias Koett: Ich musste während des Lesens ehrlicherweise ein bisschen schmunzeln. Ich denke, solange Stimme und Text eine Emotion vermitteln können und nicht belanglos sind, hat man zumindest nichts falsch gemacht.

War eigentlich als Kompliment aus der Ferne gedacht! Jetzt läuft übrigens gerade mein Lieblingstrack des Albums: „Histamine“. Ich finde, da sind die Melodien echt gut herausgearbeitet. Was kannst du dazu sagen? Beziehungsweise hast du als Komponist auch so deine Lieblinge?

Tobias Koett: „Histamine“ ist super. War auch der zweite Track, den wir gemeinsam gemacht haben. Der Song lässt einen gut durchatmen.

Funktioniert auch spitze als Closer des Albums.

Tobias Koett: Einer meiner Lieblinge ist „Take“. Der springt vom Arrangement auch ziemlich raus aus dem Album und ist einer der Songs, den wir vom Anfang bis zum Ende gemeinsam in einem Raum gemacht haben. „Juggernaut“ finde ich auch super, weil ich schon lange mal einen Club-Track im Post-Rock-Arrangement machen wollte. Und „4Pole“ ist einer meiner Faves, weil er polarisiert. Musik darf ja ruhig mehr polarisieren, finde ich.

Jetzt war ich doch gerade kurz überrascht, als du von einem Post-Rock-Arrangement geschrieben hast. Wie meinst du das?

Tobias Koett: Weniger vom Aufbau her, sondern von der Setzung der Chords über einer längeren bzw. ungeraden Taktfolge. Ist prinzipiell nichts Neues, weil quasi jeder Mogwai-Song so aufgebaut ist. Hört man aber weniger in elektronischer Musik. Soll dem Hörer aber beim Hören auch nicht auffallen.

Spannend: Mogwai eine Inspiration für Ant Antic?

Tobias Koett: Ich bin schon großer Fan, muss ich zugeben.

„[…] die Grenzen des Pop erweitern oder aufbrechen […]“

Sehr interessant zu wissen, welche Einflüsse sich so in eher elektronischer Musik wiederfinden. Ich habe in meiner Rezension auch geschrieben, dass sich die Band in Sachen Sound – dieser tanzbare Elektro-Pop – sehr nahe am Zeitgeist befindet.

Tobias Koett: Ich glaube, das Interessante an elektronischer Musik ist, dass man eher massenuntaugliches Sounddesign in Radiostrukturen bringen kann und so sehr leicht die Grenzen des Pop erweitern oder aufbrechen kann. Wir versuchen aber sicher bewusst, Musik aus und für 2017 zu machen. Es gibt genügend Bands und Musiker, die wie die 80er klingen wollen – ob im Synth oder Austro-Pop.

Das Moderne ist eurem Sound sicher nicht abzusprechen und so, wie es aussieht, funktioniert der Plan ja wunderbar. Ähnlich ist es ja bei Leyya, der zweiten Band von Marco. Bist du eigentlich ein Fan davon?

Tobias Koett: Ein großer Fan sogar! Stehen uns ja logischerweise alle auch sehr nah und freuen uns sehr für alles, was da gerade mit beiden Projekten passiert.

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Wunderbar, wenn sich da jeder für jeden freuen kann. Zu den Erfolgen und dem daraus resultierenden Glück kann man auch nur gratulieren. Erinnert mich an den Titel Ihres Albums „Wealth“. Was bedeutet Wohlstand für dich?

Tobias Koett: Wealth ist ein riesiger Begriff, der viel und nichts bedeuten kann. Unsere Elterngeneration hat eine andere Definition von Wohlstand als wir. Wohlstand muss also auch nicht zwingend mit Geld oder Glück konnotiert sein. Und gerade als Überbegriff für ein thematisch doch sehr melancholisches und selbstzweifelndes Album bekommt das Wort eine fast ironische Wirkung.

Oh, pardon, jetzt sind wir bei den Leiden des Chats – dem Synchronschreiben.

Tobias Koett: Kein Stress.

Was habt ihr jetzt für Pläne, nachdem das Album veröffentlicht wurde?

Tobias Koett: Viel live spielen. Werden ab September viel in Europa unterwegs sein. Außerdem genieße ich gerade, dass der Kopf endlich wieder für neue Songs frei ist. Ich glaube, allzu lange wird das zweite Album nicht dauern.

Vielen Dank fürs Mitmachen und das Interview.

Sebastian Götzendorfer

Ant Antic live:
11.08. InsectLounge Festival, Dresden (Deutschland)
29.09. Waves Vienna, Wien
09.11. Orpheum, Graz
10.11. Kapu, Linz

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