Eben hat die steirische Band JIGSAW BEGGARS ihr Album „Ain’t my time for war“ veröffentlicht. GABRIEL SCHMIDT und SIEGFRIED FRANZ ULRICH erzählen im Gespräch mit Jürgen Plank von Bands wie den DANDY WARHOLS, mit denen sie Konzerte gespielt haben. Und die beiden sprechen darüber, welche Art von Krieg der Albumtitel ansprechen könnte und von der Entschleunigung in Musik-Fernsehsendungen von Sepp Forcher.
Was hat es mit dem Bandnamen auf sich?
Siegfried Franz Ulrich: Der Name ist ziemlich alt und ist zum ersten Mal im Jahr 2008 aufgetaucht. Ich war damals in einer Rolling Stones-Phase und habe das Suchen nach Bandnamen immer recht anstrengend gefunden. Unser Bandname hat sich durch das „Beggars Banquet“-Album der Stones ergeben, weil das ein riesiger musikalischer Einfluss für mich war. Wir haben die Texte und die Songtitel durchgeschaut und der Bandname hat dann einfach stimmig geklungen.
Euer Album trägt den Titel „Ain’t my time for war“ und es kommen am Album immer wieder O-Töne und Zitate aus dem Film „Apocalypse Now“ vor, vielleicht sogar die Hubschrauber-Geräusche aus dem Film. Wieso?
Gabriel Schmidt: Unser Schlagzeuger, Sebastian, arbeitet gerne mit Soundcollagen und mit elektronischer Musik. Und er ist ein großer Fan von Übergängen und von der Arbeit mit Atmos. Er hat auch Regengeräusche aufgenommen und mit diesen gearbeitet. Um den Fokus bei der Arbeit am Album zu finden, haben wir ein Stimmungsbild verwendet: in Bezug auf den Sound und den Inhalt des Albums. Der Titel war dann relativ schnell da und davon ausgehend sind wir auf das Kriegsthema gekommen und wir haben viel über Vietnam gesprochen. Und wir verwenden auch den Satz „Someday this war is gonna end“.
Angesichts des Krieges in der Ukraine scheint ihr gerade das Album zu dieser Zeit am Start zu haben. Wie seht ihr das?
Siegfried Franz Ulrich: Der Titel war natürlich schon da bevor wir gewusst haben, was da passiert. Es ist schräg, dass das jetzt so zusammenfällt und das ist auch bedrückend. Das Wort war haben wir nicht nur auf Krieg bezogen, sondern es verweist auf schwierige Zeiten im Zusammenhang mit Corona und auf ein Grundthema auf das man aufpassen kann: Es gab viele persönliche Konflikte, die mit diesem Album verarbeitet worden sind. Ein Krieg kann auch in den eigenen vier Wänden zwischen zwei Personen passieren. Wir haben ja das Album in der Corona-Zeit geschrieben und Ideen hin und her geschickt – so sind die Lieder entstanden. Für jeden war da eine schwierige Phase dabei und für uns war das Album ein Ventil. Vietnam kam dann dazu und musikalisch wollten wir wieder ein bisschen in Richtung des Sounds aus den 1960er und 1970er-Jahre kommen. Das war ja damals eine Umbruchphase und jetzt ist es auch wieder eine Phase des Umbruchs.
„Jeder bringt bei uns musikalisch etwas Neues in die Band ein“
Apropos Sound: musikalische Assoziationen hatte ich in Richtung Giant Sand, Thin White Rope und Richtung Krautrock. Wie sieht das aus eurer Sicht aus?
Gabriel Schmidt: Ja, Krautrock auf jeden Fall auch. Ich glaube, es könnte bei uns noch krautiger gehen. Wir beide sind schon Fans der Musik, die damals die deutschen Bands gemacht haben und haben die viel gehört. Und die Doors habe ich während der Arbeit am Album auch gehört.
SSiegfried Franz Ulrich: Durch einen Freund, der in der großartigen Krautrock-Band Breitband spielt, bin ich zum Beispiel auf Popol Vuh gestoßen. Und soundtechnisch war für uns ein großer Einfluss das Brian Jonestown Massacre und Bands aus der 1990er-Szene, die wieder die 1960er-Jahre aufleben haben lassen. Was wirklich oft bei mir gelaufen ist, sind reduzierte Sachen wie Kris Kristofferson. Jeder bringt bei uns musikalisch etwas Neues in die Band ein.
In der Presseinfo steht: „schielt auf eine bunte Jugend und deren Vergänglichkeit.“ Was ist damit gemeint?
Gabriel Schmidt: Einerseits geht es um das, was Siegfried angesprochen hat: um Umbrüche, auch in Beziehungen. Und den dreißigsten Geburtstag haben wir auch schon hinter uns und nachdem wir alle Jobs haben, hat sich eine romantische Vorstellung in Bezug auf das Musikmachen erweitert und verändert. Ich würde nicht sagen, dass diese Vorstellung gestorben ist. Der Zugang ist vielleicht ein wenig realistischer und praktischer geworden, aber nicht im negativen Sinn. Auch wenn sich romantische Vorstellungen, die man hatte als es mit den eigenen ersten Bands losgegangen ist, so nicht erfüllt haben.
Siegfried Franz Ulrich: Gabriel hat das gut beschrieben. Als wir uns kennen gelernt haben, waren wir zirka 17 und 18 Jahre alt waren und damals hatte man die absolute Euphorie in Bezug auf das Musikmachen und man denkt schon, dass man in einem Jahr in Wembley spielen wird. Es kommen dann die Momente, die klar machen, dass das so nicht passieren wird. Seitdem wir uns dessen bewusst sind, machen wir die Musik in meiner Wahrnehmung besser, weil wir uns von diesem Drang befreit haben, dass wir uns etwas beweisen müssen. Wir haben keine Ambitionen, dass wir eine perfekte Single schreiben müssen oder in den Charts landen müssen. Es geht uns darum, ein Album zu machen, auf das wir stolz sind. Und wenn das jemand hört und spürt, ist das Ziel eigentlich schon erreicht.
Wann sind noch weitere Ziele für euch erreicht?
Siegfried Franz Ulrich: Wir haben schon einige Momente gehabt, da muss ich sagen: ich persönlich habe mit dieser Band Sachen erlebt, die meine Wünsche schon überschritten haben. Wir haben Vorbilder kennengelernt und haben mit den Dandy Warholszusammengespielt und dann hat der Frontman von denen unsere erste Single präsentiert. Wir haben Mitglieder von Brian Jonestown Massacre kennengelernt und mit Moon Duo gespielt. Wir haben großartige Tourneen gespielt, die wunderschöne gemeinsame Erlebnisse waren. Es kommen immer wieder Momente, in denen man sagt: die sind es wert und die treiben uns an.
Außerdem gibt es ja nicht nur das Wembley Stadion, sondern auch den Fußballplatz in Hartberg.
Siegfried Franz Ulrich: Ja, sicher. Ein Stadionkonzert wäre mal lässig. Allein schon wegen der Erfahrung in Bezug auf den Sound.
„Ich glaube, dass wir in 5 Jahren ziemlich anders klingen“
Ihr habt schon über Träume gesprochen, die man in puncto Musikmachen haben kann. Wo steht die Band Jigsaw Beggars in 5 Jahren?
Gabriel Schmidt: Ich glaube in 5 Jahren haben wir ganz genau unseren Zugang zum Aufnehmen herausgefunden. Wir wissen dann genau, wie wir das gut machen. Das aktuelle Album haben wir ja selbst bei mir im Haus aufgenommen. Ich glaube, dass wir in 5 Jahren ziemlich anders klingen. Und ich hoffe, dass in der Zwischenzeit ein paar Tonträger erschienen sein werden. Wir sind gerade sehr produktiv und werden das weiterhin sein.
Was würdest am Sound ändern wollen?
Gabriel Schmidt: Noch mehr zurück zu den basics, am Songwriting ansetzen. Damit das gut passt und wir nicht beim Mischen draufkommen, dass man an einzelnen Stellen noch etwas zusammen basteln muss.
Beim Stichwort zurück zu den basics, komme ich auf das Bild zu sprechen, das hinter Siegfried während unseres Video-Calls zu sehen ist: es zeigt Sepp Forcher. Volksmusik ist oft, etwa im Süden der U.S.A. – aber auch bei uns – die Basis für musikalische Weiterentwicklungen. Wie ist dein Bezug zu Forcher und zu Volksmusik?
Siegfried Franz Ulrich: Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind wahnsinnig gern die Sendung „Klingendes Österreich“ gesehen habe. Da gibt es ein von meinem Vater gedrehtes Video, das mich als Kind zeigt, während die Sendung läuft. Ich habe offensichtlich die Musik damals genossen. Jetzt höre ich keine Volksmusik, aber ich bin soweit, dass ich jede Musikrichtung respektiere. Ich entdecke gerade wieder mehr. Es ist einfach wichtig immer wieder die Augen aufzumachen und über den Tellerrand zu schauen und neue Dinge einfließen zu lassen. Auch in unsere Musik. Zur 5-Jahresfrage: für mich ist es wichtig, dass wir dann anders klingen und uns nicht komplett auf den aktuellen Stil versteifen, sondern weiterziehen und etwas anderes probieren. Das muss nicht funktionieren, aber warum nicht mal Jazz oder 1980er-Trashmetal einfließen lassen. Einfach suchen und sich damit auch fortbilden.
Es hat mich doch betroffen gemacht, dass Sepp Forcher gestorben ist. Aber ich sehe das Bild als Erinnerung an seine entschleunigende Art und an seine Sendung und habe das Bild deshalb als Hintergrund eingerichtet.
Zur Entschleunigung passt, dass ihr in euren Songs immer wieder einzelne Liedzeilen wiederholt, fast wie beim Mantra-Singen. Was hat es mit diesen Wiederholungen von Zeilen auf sich?
Gabriel Schmidt: Ich finde, du hast das eh schon gut zusammengefasst, was das Beruhigende betrifft. Bei uns sind das jetzt nicht Meditationswörter, die in anderen Kulturen auftreten und eine tiefere Bedeutung haben. Aber den Ansatz, dass diese Wiederholungen erden, finde ich sehr spannend. Zum Beispiel in der Nummer „High End“, da stapeln wir ein Wort übereinander in unterschiedlichen Tonhöhen. Das finde ich cool und spannend und es ist auf der Bühne extrem lustig zum Singen. Das ist fast wie bei einem Kanon.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Jigsaw Beggars live
06.5.2022: MusicHouse, Graz
20.5.2022: Kramladen, Wien
17.7.2022: Orpheum, Graz
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Pumpkin Records