„Eine Suche nach einem musikalischen Ort, der unbesetzt ist“ – TERESA ROTSCHOPF im mica-Interview

I am open. My Flesh is red. You can see through me. My skin is gone.“ Messiah“ lautet der Titel des ersten Soloalbums der Wiener Musikerin TERESA ROTSCHOPF, bisher vor allem bekannt als Frontfrau der Band BUNNY LAKE. Das Albumcover zeigt die Künstlerin auf intime, fast sakral anmutende Art und Weise: schwanger, mit einem transparenten Stoff verhüllt, im Gras liegend. Diese visuelle Metapher zieht sich wie ein Schleier durch die neun Tracks des Albums: Es geht um große Gefühle, große Gesten, große Besetzung. Das Album erscheint am 16. Februar 2018 auf dem Wiener Label „comfortzone“, am 20. Februar findet das Release-Konzert im Wiener RADIOKULTURHAUS statt. Mit Ada Karlbauer sprach TERESA ROTSCHOPF über die Geburt als metaphysische, künstlerische Erfahrung, über größenwahnsinnige Live-Performances und Musik als körperliche Erfahrung. 

„Messiah“ ist Ihr Solodebüt. Wie würden Sie Ihre künstlerische bzw. persönliche Entwicklung seit der Zeit mit Ihrer Ex-Band Bunny Lake beschreiben?

Teresa Rotschopf: Künstlerisch habe ich mich sicher weiterentwickelt, weil ich mich auch als Mensch weiterentwickelt habe, weil Zeit vergangen ist und ich gerne in Bewegung bin. Die Arbeit an einem Soloalbum erfordert eine ganz andere Auseinandersetzung mit sich selbst und mit Musik. Ich wollte auch, dass das Album ein ganz persönliches, fast schon intimes ist. Für mich hat das vor allem geheißen, ganz genau hinzusehen, welche Themen ich mit meiner Musik bearbeiten will, mit welchen Themen ich mich auseinandersetzen möchte.

„Love“, die erste Nummer, habe ich noch zu Bunny-Lake-Zeiten geschrieben. Diese Nummer hat mir klargemacht, wohin es musikalisch gehen wird: stimmlich sehr tief angelegt, eher schwer und mit viel mit Chören. Während ich schrieb, bin ich immer mehr draufgekommen, was mich interessiert, dass ich mehr mit den Chören arbeiten will und die Instrumentierung sehr breit aufbauen möchte. Das war der künstlerische Entwicklungsschritt, der zum Album geführt hat. Persönlich ist in dieser Zeit auch sehr viel passiert, ich bin mittlerweile zweifache Mama, habe im Ausland gelebt, in Filmen mitgemacht, ich bin in Bewegung geblieben. 

Das Album hat einerseits durch den Titel „Messiah“ eine starke kulturelle Metapher, andererseits gibt es poetische, intime und melancholisch anmutende Stimmungen und Lyrics. Worum geht es?

Albumcover Messiah
Albumcover “Messiah”

Teresa Rotschopf: Der Begriff „Messiah“ hat natürlich im gesamten Kontext des Albums eine zentrale Rolle, denn in der Zeit, in der ich den Großteil der Nummern geschrieben habe, war ich gerade mit meinem ersten Sohn schwanger. Mein ganzes Leben war im Umbruch und ich habe gemerkt, dass für mich und mein Leben dieser „Messiah“, also mein Sohn kommt, der so viel mit sich bringt, der in mir so sehr dieses Bedürfnis, nach mir zu suchen und mich zu finden, auslöst. Gerade deshalb war für mich klar, dass das Album so heißen wird und das Cover so aussehen muss. Auch wenn die Schwangerschaft inzwischen bereits sechs Jahre zurückliegt, wollte ich diesen Moment in meinem Leben festhalten.

Das Cover erinnert von der Ästhetik, der Formensprache an das John-Everett-Millais-Gemälde der ertrinkenden Ophelia. Fungiert diese Ophelia-Metapher möglicherweise auch als Sinnbild der künstlerischen Wiedergeburt?  

Teresa Rotschopf: Beabsichtigt ist es nicht, aber je mehr Metaphern sich auftun, umso besser ist es. Jeder hat zu einer schwangeren Frau ganz andere Bilder und Vorstellungen. Ich habe mein Bild konkretisiert, mich damit nach außen getraut. Ich höre oft: Oh, mutiges Cover”, aber ich finde es gar nicht arg, weil es einen Zustand darstellt, in dem sich viele Frauen an irgendeinem Punkt ihres Lebens befinden. Ich finde, dass man das ruhig zeigen darf und sich keinesfalls verstecken muss.

Wie verläuft Ihr Arbeitsprozess?  

Teresa Rotschopf: Das Schreiben beginnt bei mir mit einem Sound, der mich interessiert. Ich bin in meinem Studio, schalte alle Orgeln, Keyboards und Synths ein und probiere durch, schaue, wie sie klingen, wo ich hängen bleibe, was mich interessiert. Habe ich einen Sound gefunden, arbeite ich weiter, probiere weitere Sounds, die dazupassen könnten, schaue, ob ich in meinen Aufzeichnungen Fragmente habe, die dazu Sinn machen.

Ich schreibe alles allein, produziere es in meinem Studio vor und gehe dann zu Patrick Pulsinger ins Studio. Dort arbeiten wir dann gemeinsam an meinen Ideen der Instrumentierung, entwickeln diese weiter. Es ist schon so, dass ich mit den relativ fertigen Nummern zu ihm komme und ihm diese dann vorspiele. Das Wunderbare an Patrick ist, dass er ein wahnsinnig offener Typ ist und wir uns sehr gut verstehen. Immer wenn es schrägt wurde, fanden wir es geil. Immer wenn es leicht daneben war, haben wir beide es total super gefunden und geschaut, wie man den Sound noch weiter in diese Richtung bewegen kann. Die Lyrics, die Komposition ebenso wie die Grundideen der Instrumentierung kommen von mir. Patrick hat dem einfach noch einen Rahmen gegeben, mich dahin geführt, wohin es gehen kann.

Mich interessiert es, in der Musik so emotional wie möglich zu werden.”

Wie sieht die Live-Übersetzung aus?

Teresa Rotschopf: Meine Live-Performance ist zwar etwas größenwahnsinnig, aber es ist die Art und Weise, wie mich Livemusik im Moment am meisten interessiert, nämlich so breit wie möglich und so fett wie möglich dazustehen. Diese Ästhetik interessiert mich einfach wahnsinnig.

Mir hat es schon immer wahnsinnig Spaß gemacht, live zu spielen, das ist für mich ein wichtiger Aspekt des Musikmachens. Ich schreibe keine Musik, um sie mir dann zu Hause anzuhören, sondern ich überlege mir auch für unterschiedliche Locations unterschiedliche Instrumentierungen, die speziell an den Ort angepasst werden, wobei auch die Akustik, die der Raum hat, genutzt wird. Das musikalische Resultat soll dabei so groß aufgeblasen werden wie nur möglich. Ich möchte, dass man sich in die Musik hineinfallen lassen kann, dass man hört, dass sie allumfassend ist. Ich möchte, dass die Musik fast schon zur körperlichen Erfahrung wird. Mich interessiert es, in der Musik so emotional wie möglich zu werden.

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„Ich möchte nicht die Nächste sein, die sich mit einem Laptop oder Ähnlichem präsentiert.“ 

Das erinnert stark an diesem Operngestus: Die großen Emotionen und Richard Wagner schleichen sich dabei sofort ins Bewusstsein.

Teresa Rotschopf: Das sind Dinge, bei denen ich mich oft frage, warum man die nicht aufgreifen darf. Warum sollte man die nicht nehmen dürfen, um sie für sich selbst umzusetzen? Oft höre ich: „Puh, das ist aber schon viel”, aber genau das interessiert mich. Ich möchte nicht die Nächste sein, die sich mit einem Laptop oder Ähnlichem präsentiert. Das spielt zwar in der Musikentstehung eine wichtige Rolle, aber live interessieren mich eben ganz andere Dinge. Dieses Opernhafte finde ich super!

Es geht also nicht um die klassische Überwältigungsstrategie, sondern darum, beim Publikum etwas auszulösen und ihm nicht nur eine gute Zeit zu bereiten.

Teresa Rotschopf: Mich interessiert es, wenn es intensiv ist. Ich möchte auch ein intensives Leben leben und mich nicht mit Oberflächlichkeiten aufhalten. Manchen Leuten ist es auch zu intensiv, aber das ist auch okay. Ich spreche ja nichts an, was nicht irgendwie in allen von uns schlummert, egal ob man eine Person ist, die sich freiwillig damit auseinandersetzt und die sich auch die dunklen Seiten, die intensiven Seiten anschaut, oder ob man das nicht möchte. 

„Messiah“ bedient sich einer Vielzahl an Soundsprachen aus den unterschiedlichsten Genre-Ästhetiken, diese Verweise kommentieren sich gewissermaßen auch gegenseitig. 

Bild Teresa Rotschopf
Teresa Rotschopf (c) Christoph Pirnbacher

Teresa Rotschopf: Das stimmt. Im Endeffekt habe ich mir sehr schwergetan, für die Platte ein Genre zu definieren, auch wenn das viele gerne hätten. Was ist es? Vom Songaufbau her ist es im weitesten Sinne Popmusik. Von der Instrumentierung her ist es wiederum sehr „unpoppig“. Diese Querverweise sind eher etwas, was mir passiert ist, etwas, was auf musikalische Sozialisierung zurückgeht. Trotzdem würde ich sagen, das Album beschreibt eine Suche nach einem musikalischen Ort, der unbesetzt ist. Auf keinen Fall habe ich mir vorgenommen, ein Album zu machen, das in einer bestimmten Weise klingt. Ich war dem allen gegenüber sehr offen und habe das auch einfließen lassen. Ich habe mich nicht einschränken lassen. Warum kann man das nicht alles mischen, schütteln und in einer neuen Übersetzung wieder rauslassen? Alles andere gibt es ja eh schon, das braucht man ja nicht noch einmal. 

Am 20. Februar findet das Release-Konzert im Wiener RadioKulturhaus statt, welche Schritte werden folgen?

Teresa Rotschopf: Das Wichtigste ist jetzt erst mal, dass die Platte rauskommt. In Österreich erscheint sie am 16. Februar, in Deutschland und im Rest der Welt am 6. April. Danach möchte ich so viel wie möglich live spielen, wobei ich schauen muss, weil ich ein fünf Monate altes Baby zu Hause habe. Ich muss erst schauen, wie sich das mit meinem „anderen“ Leben verbinden lässt. Ich finde das Album eignet sich wahnsinnig gut für eine große Besetzung: ein Chor, Pauken und zwei Keyboarder, Gitarre usw. So werden wir auch im RadioKulturhaus spielen, also fett. Ich habe allerdings auch schon auch Konzerte zu zweit gespielt und das hat auch funktioniert. Ich freue mich einfach, weil das Album doch einige Zeit in der Entstehung gedauert hat und ich sehr lange auch über dem Artwork gebrütet habe. Im Prozess war zwar manchmal mühsam, aber retrospektiv erkennt man erst, weshalb das alles sinnvoll war und dass es überhaupt sinnvoll war. Es ist mir ein Anliegen, dass man das auch beim Hören merkt, weil es nichts ist, was ich einfach schnell aus dem Ärmel geschüttelt habe. Ich freue mich jetzt schon wieder darauf, an der nächsten Platte zu arbeiten.

Herzlichen Dank für das Gespräch! 

Ada Karlbauer

Teresa Rotschopf live
20.02. ORF Radiokulturhaus, Wien (Facebook-Event)

Links:
Teresa Rotschopf
Teresa Rotschopf (Facebook)
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