Eine neue Ära – Austro Rap 2006-2021

(Ein leicht überlappendes Sequel zu dieser „Geschichtenschreibung ohne Vollständigkeitsanspruch“)

Als die Nullerjahre zu den Zehnerjahren wurden, klang HipHop in Österreich noch weitgehend nach dem so genannten „Golden Era“ Ideal, das Produzenten wie DJ PREMIER, PETE ROCK oder DIAMOND D im New York der 90er Jahre geschaffen hatten: Samples von Soul- oder Jazz-Platten und staubige Drums gaben den Ton an. In der Geburtsstadt des HipHop selbst dominierte mittlerweile aber schon ein völlig anderer Sound: Der mächtige Bass des TR-808 Drumcomputers. Der hatte schon in den 80er Jahren Songs von New Yorker Ikonen wie AFRIKA BAMBAATAA, T LA ROCK oder den BEASTIE BOYS untermalt, war dann aber zugunsten der Samples in den Hintergrund gerückt. In den Rap-Szenen von Südstaaten-Metropolen wie Atlanta, Houston, Memphis oder New Orleans waren die elektronischeren Beats mit viel tieffrequentem Anteil aber der Standard geblieben. Und als dortige Stars wie LUDACRIS, die THREE 6 MAFIA oder LIL WAYNE internationale Hits landeten, wurde der Südstaaten-Sound zur neuen Blaupause dafür, wie Rap jetzt klingt – mit etwas Verzögerung dann auch in Österreich. In unseren Breitengraden wurde für den Sound gerne das zusammenfassende Schlagwort „Cloud Rap“ bemüht, was die verschiedenen musikalischen Richtungen aber nur unzureichend beschreibt.

Sodom & Gomorrah

Der Linzer Rapper- und Produzent BumBum Kunst war als Teil von Engelstaub erstmals in Erscheinung getreten und präsentierte Ende 2006 auf seinem Solo-Album „Perpetuum Mobile“ eine Dirty South-inspirierte Variante von Dialekt-Rap. Kurz darauf tat er sich mit Rapper Markee alias Tibor Foco alias Jack Untawega (und später Kroko Jack) zusammen. Der Ausnahmekünstler hatte schon als Teil von Bands wie Das Rückgrat oder Markante Handlungen den Standard für Mundart-Rap radikal nach oben verschoben – im Duo Sodom & Gomorrah tat er das jetzt auch mit neuem Sound und mehr Dancehall Reggae-Einflüssen. Die beiden wurden so auch kurzzeitig zu Zugpferden des Slangsta Movements, dem etwa auch Die Vamummtn aus Wien oder MOZ aus Salzburg angehörten. Kroko Jack hat sich 2017 mit dem „Extra Ordinär“ Album zurückgemeldet, Bum Bum Kunst arbeitet aktuell mit Skero im Projekt Maasnbriada zusammen.

Raf Camora (c) Pressefoto

RAF Camora

Auf dem kompromisslosen Tibor Foco-Album „Andaground“ von 2006 war auch ein gewisser RAF mit einem Gast-Vers zu hören. Der in Wien aufgewachsene Rapper und Sänger schrieb damals noch französische Lyrics und gehörte nach Anfängen mit Gruppen wie Rapatoi oder French Connection jetzt Assaut Mystik an. Die Band fusionierte schließlich mit den Kollegen von Balkan Express zu Family Bizz und hatte kurzzeitig gar einen Plattenvertrag beim Majorlabel EMI. Nach dem Ende der Gruppe produzierte „RafOMic“ mit seinem Ex-Bandkollegen Emirez ein deutschsprachiges Straßenrap-Projekt namens „Skandal“. Kurz darauf übersiedelte er nach Berlin, um bei den damals bei Bushidos Label Ersguterjunge unter Vertrag stehenden Österreichern Chakuza & DJ Stickle alias Beatlefield mitzuproduzieren. Auch eine Zusammenarbeit mit seinem Wiener Kollegen Nazar, das „Artkore“ Album, entstand schon dort. Es folgten einige Mixtapes und Alben als RAF Camora und später auch unter dem Namen RAF 3.0. Mit dessen zweiter Platte „Hoch 2“ stieg der Rapper und Produzent 2013 erstmals an die Spitze der deutschen Albumcharts. Der Erfolg sollte aber noch viel größere Dimensionen annehmen, als sich RAF Camora für die von Dancehall Reggae und Afrotrap inspirierte Platte „Palmen aus Plastik“ mit Bonez MC von der kontroversen 187 Straßenbande aus Hamburg zusammentat. Es folgten ausgedehnte Tourneen durch die größten Konzerthallen sowie ein Teil 2, der in Deutschland und Österreich die Top 10 der Charts dominierte. Nach den Solo-Alben „Anthrazit“ und „Zenit“ gab RAF Camora 2019 bekannt, sich nunmehr auf die Arbeit hinter den Kulissen der Musikindustrie konzentrieren zu wollen – im Sommer 2021 deutet sich aber eine Rückkehr aus der kurzen Rap-Pension an.

Money Boy

Der Wiener lieferte im Herbst 2010 ein Musterstück des viralen Marketing ab: Das Video zu „Dreh den Swag auf“, seiner Neuinterpretation eines Stückes von US-Rapper Soulja Boy, machte sehr schnell große Runden. Negative Schlagzeilen über den „schlechtesten Rapper aller Zeiten“ (Bild) waren dabei ebenso egal wie der Fakt, dass viele den Song wegen der schief gesungenen Hook ironisch hörten – Hauptsache, sie hatten millionenfach geklickt! Es folgten Werbe-Kooperationen, viele Auftritte, die aber immer wieder in Tumulten endeten – und die Wahl von „Swag“ zum deutschen Jugendwort des Jahres 2011. In den Jahren darauf gab es weiterhin jede Menge neuer digitaler Mixtapes, aber etwa auch eine Internet-Show namens „Trap House Kitchen“, in der Money Boy vor allem amerikanische Fast Food-Klassiker nachkocht. In „Könnt ihr uns hören?“, einer Oral History des deutschen Rap, wird Money Boy mit seinem kompromisslosen Zugang von Rapper*innen wie etwa Haiyti als Wegbereiter eines neuen Stiles genannt.

Bild Crack Ignaz
Crack Ignaz (c) Shirin Siebert

Crack Ignaz

2011 gründeten einige Freunde in Salzburg ein Blog namens Hanuschplatzflow, um ihre musikalischen Entdeckungen zu sammeln. Bald wurden dort aber immer mehr eigene Produktionen von etwa Young Krillin, DreXor, Däk Intellekt, Lex Lugner oder Crack Ignaz gepostet. Auffällig war dabei die Affinität zum texanischen Rap und der „Chopped & Screwed“ Technik, bei der die Musik zerhackt und verlangsamt abgespielt wird. Vor allem die Songs von Crack Ignaz trafen schnell einen Nerv und wurden auch in Deutschland sehr populär – obwohl der Rapper zusätzlich zu seinem Salzburger Dialekt noch Lehnwörter aus dem „Jenischen“ (der nahezu vergessenen Sprache eines fahrenden Volkes) in seine Texte einfließen ließ und diese somit selbst für Österreicherinnen und Österreicher nicht leicht verständlich waren. Aber der Klang und der Swag waren so mitreißend, dass auch die vermeintliche Sprachgrenze nördlich von Bayern Crack Ignaz nicht aufhalten konnte. Die erste Vinyl-Single und die ersten zwei Alben erschienen bei Labels in Köln, auch danach orientierte sich der zeitweise in Wien lebende Rapper großteils in Richtung Deutschland. Das letzte Album „Sturm & Drang“ hat Crack Ignaz 2020 independent veröffentlicht.

Yung Hurn

Der aus Wien 22 stammende Rapper dockte nach ersten musikalischen Experimenten schnell beim Salzburger Hanuschplatzflow an und machte gemeinsame Songs mit Young Krillin, aber vor allem mit dem Produzenten Lex Lugner. Das im Juni 2015 erschienene Video zu „Nein“ hat dann mit seiner nihilistischen Party-Attitüde und dem Wiener Tonfall offenbar einen Nerv getroffen und verbreitete sich schnell in der deutschsprachigen Welt. Innerhalb weniger Monate gab es mit der „Wiener Linien“ EP und den Mixtapes „22“ und „Krocha Tape“ viele Veröffentlichungen des Rappers, der seine Songs im Studio meistens freestyle aufnimmt. Das von Lex Lugner produzierte Stück „Bianco“ wurde 2016 zu einem wahren Sommerhit und machte auch Yung Hurns deutschen Gast RIN über Nacht ziemlich bekannt. Nach musikalischen Ausflügen in Richtung Retro-Pop (mit der Love Hotel Band) oder House („Popo“) gab es 2018 mit „OK Cool“ einen weiteren Rap-Ohrwurm und das dazugehörige Album „1220“ (die Postleitzahl seines Heimatbezirkes Wien-Donaustadt). Ende 2019 ist mit „Y“ das bisher letzte Yung Hurn-Album erschienen, das aufgrund von teils sexistischen Texten aber eher kritisch aufgenommen wurde.

T-Ser

Das erste musikalische Lebenszeichen des ursprünglich aus dem Umkreis von Salzburg stammenden Rappers klang noch sehr klassisch: Die „Austrophobie“ EP verband 2012 klassische Boom Bap-Beats des Produzenten Tactik mit gesellschaftskritischen Beobachtungen eines jungen Mannes, der im ländlichen Österreich mit dunkler Hautfarbe aufgewachsen war. Rassismus blieb leider ein Thema, das ihn immer wieder beschäftigen sollte: Eine aggressive Polizeikontrolle in einem Wiener Park führte 2018 zu einem medialen Aufschrei, weil T-Ser und Kollegen wie Sydney und Meydo vom Label Akashic Recordz alles mitgefilmt hatten. Bei den eindrucksvollen „Black Lives Matter“ Protesten in Wien war er auch an vorderster Front mit dabei. Aktuell legt der Wiener seine hochpräzisen Raps am liebsten auf Drill-Beats, wobei es auch immer wieder nostalgischere Songs wie „Nikes“ zu hören gibt.

Monobrother (c) Lisa Zalud

Monobrother

In Wien geboren, aber im niederösterreichischen Mostviertel aufgewachsen, hat Monobrother von Anfang an kompromisslos im Dialekt über Sample-Beats gerappt. Am 2009er Debütalbum „Haschgiftspritzer“ dominierte noch der Battle-Rap, beim Nachfolger „Unguru“ bewies der Rapper neben ausgefeilter Technik auch eine sehr präzise Beobachtungsgabe. In Songs wie „Modernisierungsverwirrter“ reflektierte er über prekäre Arbeitsverhältnisse und moralische Fallstricke im Zeitalter des Spätkapitalismus. 2019 lieferte der Monobrother dann mit „Solodarität“ sein bisheriges Meisterwerk ab, wo innerstädtische Gentrifizierungsschlachtfelder ebenso ihr Fett abbekommen wie die Oede des weiten Landes – nicht nur im Bezirk Amstetten, wo der Rapper viel Zeit verbracht hat. Mit dem Label Honigdachs betreibt Monobrother die aktuell wichtigste Plattform für Dialekt-Rap mit, wo auch Künstler wie Kardinator, Fate, Katharsis, Siebzig Prozent oder Kreiml & Samurai ihre Platten veröffentlichen.

Bild Kreiml & Samurai
Kreiml & Samurai (c) Alex Dietrich

Kreiml & Samurai

Die beiden Rapper machten ihre ersten Schritte als Teil der Crew Wienzeile noch mit hochdeutschen Texten, beschlossen sich dann aber als Duo auf den Slang ihrer Heimatstadt zu konzentrieren. Mit dem „Schweinehund“ als Wappentier rappen die beiden vor allem über Müßiggang, Exzess und die grauslichen Seiten von Wien – treten aber auch ganz klar gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus auf. Mit ihrer ersten Trilogie an Platten, den oft eingängigen Refrains und immer energiegeladenen Konzerten schafften es Kreiml & Samurai, sich im Laufe der 2010er eine große Fanschar aufzubauen. Das letzte Album „Auf Olle 4re“ wurde musikalisch komplett vom Wiener Produzenten Brenk Sinatra gestaltet.

Brenk Sinatra

Der herausragende Wiener Produzent verarbeitete gemeinsam mit Fid Mella 2014 auf „Chop Shop 2 – Singende klingende Unterwelt“ ausschließlich österreichische Samples zu einem faszinierenden Klanguniversum voller Strizzis, Messerstechereien und verrauchter Branntweiner. Auf den folgenden zwei „Midnite Ride“ Platten skizzierte er seinen perfekten Soundtrack für nächtliche Autofahrten, der auch merkbar mehr Einflüsse der tiefergelegten Beats aus Memphis und Houston mitbrachte. Dazwischen gab es mehrere Alben, die Brenk gemeinsam mit Rappern aufgenommen hat: 2017 erschien sowohl „Hexenkessel“ mit dem deutschen Untergrund Helden Morlockk Dilemma, als auch nach längerer Wartezeit „Which Way Iz West“ von Westcoast-Legende MC Eiht. Im Jahr darauf verbündete sich der Wiener Produzent mit Said aus Berlin und produzierte das „HAQ“ Album. Danach widmete er sich dem Geschäftlichen und baute die Sample-Plattform Hi-Hat Hustle ebenso auf wie das neue Label Wave Planet Records, auf dem auch sein neues Album „Boss Spieler Universität“ erscheint.

Hunney Pimp (c) Lisa Kremling

Hunney Pimp

Die Rapperin und Sängerin Hunney Pimp machte in der HipHop-Szene Salzburgs ihre ersten Schritte – und knüpfte dort auch früh Kontakte zum Hanuschplatzflow. Während sie ganz am Anfang noch über klassische HipHop-Instrumentals rappte, veränderte sie gemeinsam mit ihrem musikalischen Partner Melonoid bis zum ersten Mixtape „Zum Mond“ den Zugang: Dort waren großteils ruhige elektronische Beats die Unterlage für ihre Mundart-Raps und den Gesang. Auf dem 2017er Debütalbum „Schmetterlinge“ wurde diese Formel noch verfeinert, für den Nachfolger „Chicago Baby“ legte die jetzt in Wien lebende Musikerin den Fokus dann mehr auf den Gesang und eingängige Songs.

Heiße Luft Records

Produzent Melonoid ist auch Teil des Trios Diskoromantik und arbeitet beim Label Heiße Luft mit. Das wurde 2018 ins Leben gerufen und veröffentlichte anfangs noch eher klassisch klingenden HipHop. Mittlerweile hat sich der musikalische Fokus von Künstlern wie JerMC/Dyin Ernst, HipHop Joshy, Dirtysanchez oder Tudas aber in der Zwischenzeit aber merklich in Richtung trappiger aktueller Beats verschoben.

Kinetical & P.tah (c) Mike Lima

Duzz Down San

In den mittlerweile 13 Jahren seines Bestehens hat das in Wien basierte Label schon eine Vielzahl an Sounds herausgebracht: Dialekt-Rap, Turntable-Musik, rockige Crossover-Klänge, aber auch Soul oder entspannte bis komplexere HipHop-Beats. Zu den herausragenden Acts des Labels gehört die Produzentin und Sängerin The unused word, das Tiroler Dialektrap-Projekt Von Seiten der Gemeinde oder Restless Leg Syndrome, wo die drei DJs Chrisfader, Testa und DBH (ehemals von Total Chaos) auf der Basis von nordafrikanischen oder tirolerischen Samples tanzbare Tracks bauen. Auch eine Single des Ausnahmerappers Worst Messiah (f.k.a. Mista Wisdom) und die zwei Comeback-Alben der legendären Wiener Turntable-Crew Waxolutionists erschienen auf dem Label – und mit Künstlern wie P.Tah, Con und Kinetical gibt es zudem eine starke Grime-Fraktion.

Tonträger Records

Das Label rund Texta gibt es schon seit mehr als zwei Dekaden, ab den 10er Jahren standen dort vor allem Bands wie Hinterland, Da Staummtisch oder Average & Url im Rampenlicht. Gemeinsam mit Kayo und Texta haben die genannten 2018 ein zweites TTR Allstars Album eingespielt. Die Linzer HipHop-Legenden selbst mussten 2013 den Abgang von Skero und fünf Jahre später den Tod ihres Freundes und Bandkollegen Huckey verkraften, haben aber für kommenden Herbst eine neue Platte angekündigt.

Yasmo und die Klangkantine (c) Kidizinsane

Yasmo

Mit ihrem Debütalbum „Keep It Realistisch“ betrat die Rapperin, Slam Poetin und Autorin 2011 selbstsicher die Bühne und verwies chauvinistische Typen wortgewaltig in ihre Schranken. Zwei Jahre später weitete die Wienerin das thematische Spektrum auf „Kein Platz für Zweifel“ unter anderem auch auf antirassistischen Diskurs aus. Nach einem Grime-Ausflug unter dem Alter Ego Miss Lead begann Yasmo mit der bis zu neunköpfigen Klangkantine zu arbeiten, die für einen organischen Live-Sound zwischen Funk und Big Band Jazz sorgte. Mit den folgenden zwei Alben waren die Rapperin und ihre Band im ganzen Land unterwegs, nicht zuletzt auch bei den Amadeus Awards 2018, wo der Song „Girls Just Wanna Have Fun“ zu einem feministischen Allstar-Moment wurde.

Fusionen zwischen Jazz und HipHop wurden in Österreich an mehreren Stellen betrieben, zuerst bei SK Invitational, der HipHop-lastigen Big Band um Stephan Kondert. Auf den zwei Alben „Raw Glazed“ und „Golden Crown“ hatten sie österreichische Künstler*innen wie Lylit oder Flip von Texta ebenso zu Gast, wie den leider verstorbenen britischen Rapper Ty oder die New Yorker Legenden M.O.P. Auch der in Wien lebende Jahson The Scientist hat viel mit der Band gespielt, seinen improvisatorischen Zugang pflegt er aber auch in der Formation Sketches On Duality weiter. Die Sängerin Soia steht dem Soul und Jazz ebenso nahe wie den organischen HipHop-Beats, was sie zuletzt auf ihrem Album „Where Magnolia Grows“ eindrucksvoll demonstriert hat.

Keke (c) Max Matschnig

KeKe

Auch die Wiener Rapperin hat Jazz-Ausbildung und sang mehrere Jahre in einer Band, bevor sie sich dem Rap zuwandte und beim Universal-Sublabel Mom I Made It unterschrieb. Die sehr 808-lastigen Songs ihrer Debüt-EP „Donna“ und auch die Singles danach stellten weibliches Selbstbewusstsein, Body Positivity aber auch das Ringen mit der seelischen Gesundheit ins Zentrum. Nach hochkarätigen Gastauftritten auf den Alben von Trettmann oder Felix Kummer (Kraftklub) in Deutschland kann man auf das Debütalbum von KeKe gespannt sein.

Wandl

Nach mehreren frühen EPs mit Future Beats-beeinflussten Songs produzierte der Sänger und Multiinstrumentalist das grandiose „Geld Leben“ Album für Crack Ignaz und lieferte als Phatman auch selbst ein paar tiefergeschraubte Rap-Verse ab. 2017 veröffentlichte er bei Affine Records sein Debütalbum „It’s All Good Tho“, das HipHop- und LoFi Soul-Ästhetik auf gekonnte Weise verband. Eine Tour mit Bilderbuch folgte, danach zog sich der junge Musiker aber zurück, um für seine seelische Gesundheit zu sorgen. Die zwischenzeitlich erlebten Abgründe verarbeitete er dann 2020 auf der zweiten Platte „Womb“ und unterhielt auch regen Austausch mit HipHop-Produzenten wie Torky Tork oder Fid Mella.

Bild Mavi Phoenix
Mavi Phoenix (c) Louis-Browne

Mavi Phoenix

Obwohl viele der Songs heute nach Pop klingen, sind Mavi Phoenix Wurzeln eindeutig im Rap zu finden. Schon 2014 erschien das erste Mixtape „My Fault“ als Gratis-Download und Songs wie „Green Queen“ verbreiteten sich schnell. Die großteils selbst produzierten Tracks mit den englischsprachigen Autotune-Vocals klangen sehr international und wurden deshalb auch außerhalb der österreichischen Grenzen wahrgenommen. Im Herbst 2019 gab Mavi bekannt, ab jetzt als Mann zu leben, im Jahr darauf erschien mit „Boys Toys“ das Debütalbum des Musikers. Die letzte Single „Nothing Good“ deutete im Frühling 2021 eine stärkere Orientierung in Richtung Gitarren-Pop an.

Sharktank

Vor rund zwei Jahren traf der ursprünglich aus Graz stammende Rapper MILE in Wien auf den Produzenten Marco Kleebauer. Ersterer hatte davor mit elektronischen, vom aktuellen US-Rap beeinflussten Songs von sich hören gemacht, zweiterer neben seiner Band Leyya auch als Produzent für etwa Bilderbuch gearbeitet und früher als Karma Art experimentelle Beats gebastelt. Die ersten Songs basierten noch auf klassischen Soul-Samples, mit der Zeit nahm die eigene Instrumentierung aber immer mehr Platz im Klanggemisch ein. Spätestens mit dem Neuzugang von Katrin Paucz an Gitarre und Gesang ist Sharktank zu einer organischen Band irgendwo zwischen HipHop und psychedelischem Pop geworden, die sich in noch größerer Besetzung auch live in Szene zu setzen weiß.

Bild Kerosin95
Kerosin95 (c) Hanna Fasching

Kerosin95

Eigentlich kommt Kathrin Kolleritsch aus dem Pop, hat schon bei der Band Kaiko gespielt und ist aktuell bei My Ugly Clementine an Schlagzeug und Gesangsstimme zu hören. Gleichzeitig war aber auch der Rhythmus des Rap immer eine Inspiration, was letztlich zum Start des Kerosin95-Projektes führte. Mit klassischen HipHop-Beats, Trap-Rhythmen oder auch akustischen Klängen im Hintergrund erzählt Kerosin tragische aber auch komische Geschichten aus dem Leben einer Person, die sich der traditionell binären Geschlechterordnung nicht unterwirft und deswegen auch immer wieder angefeindet wird.

Silk Mob

Die Supergroup traf zusammen, als die beiden Berliner Rapper Donvtello und Opti Mane um ein Wien-Konzert im Mai 2019 ein paar Tage mit den Produzenten Lex Lugner und Fid Mella sowie dem Rapper/Sänger Jamin verbrachten. Was zunächst als Studio-Sessions für einzelne gemeinsame Songs geplant war, wuchs sich zu einer ganzen Woche aus, an deren Ende das selbstbetitelte Album „Silk Mob“ fast fertig war. Die seidige, stark von den US-Südstaaten beeinflusste, Klangfarbe und die zurückgelehnten Raps über das Zuhause bleiben und ganze Tage im Bademantel verbringen, wirkten beim Erscheinen der Platte Ende März 2020 wie ein prophetischer Soundtrack zu den ersten Lockdown-Wochen.

Gerard (c) Kidizin Sane

Gerard

Das „Blausicht“ Album hat 2013 einen überzeugenden Entwurf für emotionale Rap-Songs geliefert, die keine Angst vor Melodien und einem ordentlichen Pop-Faktor haben. Diesen, auch in Deutschland durchaus beachteten Weg hat der Wiener Rapper auch mit den zwei flgenden Platten „Neue Welt“ und „AAA“ fortgesetzt. Letztere erschien schon beim eigenen Label Futures Future, mit dem Gerard später auch Acts wie FARCE oder Naked Cameo und Rapper wie Edwin, YUGO oder SLAV unterstützte. Mittlerweile lebt er in Berlin und arbeitet beim deutschen Label Four Music.

YUGO

Nach ersten Schritten als Teil einer Band namens Sprachsex veröffentlichte Jugo Ürdens 2016 seine erste EP „Ajde“. Im Song „Österreicher“ erzählte der Wiener mit mazedonischen Wurzeln über seine Freude, endlich den „rotweissroten Pass“ zu bekommen. In selbstproduzierten Songs kombinierte der junge Rapper gute Technik mit selbstironischen Texten über sein Leben zwischen Wirtschaftsuniversität und Ottakringer Straße (wo sich die ex-jugoslawische Diaspora jedes Wochenende in zahlreichen Bars und Clubs trifft). Der Titeltrack seines Debütalbums „YUGO“ zollte schließlich dem berühmt-berüchtigten Balkan-Kleinwagen Tribut, wurde danach aber auch zum neuen Künstlernamen. 2020 meldete sich YUGO nach einer längeren Pause mit der „Babylon EP“ zurück, die inhaltlich düsterer daherkam.

SLAV

Der junge Rapper betrat zuerst als Einfachso und meistens als Support seines Freundes und WG-Kollegen YUGO die Bühnen. Dank seiner Wurzeln im Battlerap war er von Anfang an technisch sehr versiert und die gemeinsamen Konzerte hatten sehr hohen Energie-Pegel. Auf Platten wie „Plusvieracht“ oder „Der Pole aus Wien“ hat er sein Leben zwischen zwei Heimatorten ebenso thematisiert wie sportliche Kleidungsmarken oder den Nepotismus. Während er normalerweise über zeitgemäße Beats von Trap bis Drill rappt, gab es etwa auch die lautmalerische „Udtz Udtz“ EP, die eine Art Hip House-Revival über 4/4-Rhythmen darstellte.

Svaba Ortak

Brilliante Technik zeichnet den Rapper aus Wien-Landstrasse ebenso aus wie gutes Storytelling, ob es um Straßengeschichten oder die Migrationsroute seiner Eltern vom Balkan geht. Auf seinem Major-Debüt „Eva & Adam“ hatte er etwa auch RAF Camora oder Emirez zu Gast, soeben ist sein zweites Album „Atlas oder Nada“ erschienen, auf dem Svaba Ortak noch mehr Mut zur Melodie zeigt.

Bibiza

Nachdem seine Beats im Jugendzimmer zu laut für Nachbarn und Eltern waren, hat sich Bibiza schon in Teenager-Jahren ein Keller-Studio im sechsten Bezirk in Wien aufgebaut, das bis heute seine Basis ist. Die „Copypaste“ EP war 2019 das erste Lebenszeichen des Rappers und Produzenten, 2020 folgten in kurzen Abständen das „Bis Dato“ Mixtape sowie die EPs „Tourbus“ und „Cali“ – musikalisch immer mehr vom jungen Prodbypengg geprägt. Rund um Bibiza schart sich auch eine produktive Clique mit Rapper_innen wie Liebcozy oder Skofi, zuletzt gab es auch eine „Combo“ EP mit seinem Jugendfreund SLAV zu hören.

Bild Eli Preiss
Eli Preiss (c) Marko Mestrovic

Eli Preiss

Auch die junge Wienerin Elli Preiss gehört zur brodelnden jungen HipHop-Szene der Metropole. Eigentlich hat sie als Sängerin angefangen und von klassischem R&B inspiriert englische Songs geschrieben. Erst 2020 fand sie zur deutschen Sprache und war mit eingängigen Songs wie „Noch down?“ oder „Im Kreis“ schnell in aller Munde. In den vergangenen Monaten hat sich die Musikerin immer mehr dem Rappen zugewandt, was auf Singles wie „Danke Mami“ oder „Aba Warum“ zu hören ist.

Ones to watch:

Die in London lebende Schauspielerin und Musikerin Nenda kombiniert Raps auf Englisch und im Dialekt des Tiroler Ötztales, wo sie aufgewachsen ist. In Songs wie „Mixed Feelings“ reflektiert sie über die komplexen Gefühle der (Nicht)zugehörigkeit als BPOC Österreicherin in England. Der Salzburger Brown Eyes White Boy hat schon vor dem Stimmbruch mit Ohrwürmern wie „Messer Raus“ (mit Trettmann-Feature) für Furore gesorgt und hat auch seitdem nie aufgehört, Musik zu veröffentlichen. Ebenfalls aus Salzburg kommt Bacardy52, der zuletzt mit Kollabo-Tracks und einer EP positiv aufgefallen ist. Auch dort aufgewachsen, aber mittlerweile in Wien lebend, hat sich Adaolisa zu einer großen R&B-Hoffnung entwickelt. Und auch die Wiener Sängerin Verifiziert hat mit ihren HipHop-basierten Songs zuletzt immer wieder begeistert.

Stefan „Trishes“ Trischler