Im vergangenen Jahr haben Bettina Barnay vom ORF und Andreas Ticozzi, Leiter des „ensemble plus“, das Festival „Texte und Töne“ erfolgreich wiederbelebt. Auch in der zweiten Auflage gibt es die Gelegenheit, aktuelle Texte von Vorarlberger Autorinnen und Autoren sowie neue Musik zu hören.
Mit dabei sind neben dem „ensemble plus“ wie beim letzten Festival das Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Ingo Ingensand und die Akademie St. Blasius aus Tirol. Freuen darf man sich auf ein Klavierrecital sowie eine Uraufführung von David Helbock. Neue Texte lesen Gabriele Bösch, Stephan Alfare und Kundeyt Sudrum und Autoren der „Jungen Szene“ werden literarische Beiträge liefern. „Mit Texte & Töne hoffe ich, auch Menschen ins Landesstudio Dornbirn zu locken, die noch keine Berührung mit ‚Neuer Musik’ hatten, weil sie von der Literatur angezogen werden und die ‚Neue Musik’ vielleicht mitnehmen“, hofft Bettina Barnay vom ORF. Geboten wird viel an diesen beiden Tagen. In lockerer Atmosphäre und im Wechsel zwischen Musik und Literatur lädt das ORF Landesstudio zum Verweilen ein.
Um das aktuelle Musikschaffen auch Kindern und Jugendlichen näher zu bringen, wird Bettina Barnay im Vorfeld des Festivals die 2. Klasse der Mittelschule Hard besuchen und den Schülern „das ein bisschen näher zu bringen, was man so lapidar ‚Neue Musik’ nennt. Mein Wunsch ist es, den Jugendlichen die Scheu vor dem Neuen zu nehmen. Eine Auswahl der Schülerinnen und Schüler wird am Samstagnachmittag zu ‚Texte und Töne“ kommen und die Empfindungen beim Anhören der Musik niederschreiben“, so die Organisatorin des Festivals.
Eine Gemeinschaftsleistung
Andreas Ticozzi und Thomas Heißbauer, Geschäftsführer des Symphonieorchesters Vorarlberg, haben das musikalische Programm für das diesjähriges Festival konzipiert. „Die gemeinsame Planung und Verwirklichung des Festivals zusammen mit dem Vorarlberger Autorenverband, dem SOV und dem ORF als Gastgeber ist im Konzertbetrieb des Ensembles etwas Besonderes und mir sehr wichtig. Dass ‚Texte und Töne’ dieses Jahr zum zweiten Mal stattfindet sehe ich als eine Bestätigung der Idee, das Festival im letzten Jahr wieder aufleben zu lassen“, so Andreas Ticozzi.
Dem Symphonieorchester Vorarlberg bieten „Texte und Töne“ ein gutes Experimentierfeld, um abseits des regulären Abonnementbetriebes Neues zu probieren und Komponisten und ihre Werke kennen zu lernen. Diese Gelegenheiten sind für Vorarlberger Komponisten besonders rar. Nicht deshalb, weil wenig neue Musik entsteht oder zu wenige Musiker sich in den Dienst der Komponisten stellen sondern, weil die meisten Veranstalter mutlos und ohne Visionen programmieren.
Experimentierfelder schaffen
„Dieses Konzert beziehungsweise dieses Wochenende bietet dem SOV die Chance, neue, junge Komponisten zu präsentieren. Für ein ganzes Orchester zu komponieren, stellt an die Komponisten ja auch andere Herausforderungen, als wenn für ein Kammerensemble geschrieben wird“, weiß Thomas Heißbauer. „Dieses Konzert soll unter anderem dazu genützt werden, Komponisten, die bereits tolle Kammermusik geschrieben haben, zu animieren, auch für Orchester zu schreiben“, meint er. „Wir spielen aufgrund der Bühnengegebenheiten im ORF Studio in Kammerorchesterbesetzung. Finanziell ist dieser Auftritt für uns eine Belastung, denn wir müssen alles selbst finanzieren. Der ORF stellt uns lediglich die Location zur Verfügung, doch wir machen das gerne.“
Die Erfahrung des vergangenen Jahres hat gezeigt, dass ein schlankes Programm der Sache dienlich ist, weil sich die Musiker und der Dirigent auf die Werke, die es einzustudieren gilt, gut einlassen können und auf diese Weise auch zu aussagekräftigen Werkdeutungen kommen. Um auch dem Publikum die Möglichkeit einer intensiven Auseinandersetzung zu bieten, wird die Komposition „Puzzle II“ der Wiener Komponistin Sonja Huber sogar zweimal zu hören sein. Weiters auf dem Programm steht die Uraufführung des Violinkonzertes von Wladimir Rosinskij, mit dem das „ensemble plus“ seit Jahren freundschaftlich verbunden ist. Als Solist wird Frank Stadler, Gründer des gleichnamigen Salzburger Streichquartetts, das Werk erstmals interpretieren.
Ein Podium für Vorarlberger Komponisten
Darüber hinaus wird das Symphonieorchester Vorarlberg auch das neueste Werk von Johannes Wohlgenannt-Zincke uraufführen. Der aus Ludesch stammende Komponist lebt seit fast zwanzig Jahren in Niederösterreich. Seine Komposition mit dem Titel „Libanon 12.7. bis 14.8.2006“ ist in einer für ihn persönlich und zeithistorisch turbulenten Zeit entstanden. „Die Komposition beruht auf einem älteren Werk, das nie aufgeführt worden ist“, berichtet Johannes Wohlgenannt-Zincke. „Im Jahr 2006 – eine für mich gesundheitlich schwierige Zeit – begann ich, dieses Werk umzuschreiben. Eigentlich wollte ich nur die handschriftlichen Noten digitalisieren, aber es entstand eine andere Musik. Was nun die Entstehung dieser anderen Musik wesentlich beeinflusste, war der Libanonkrieg. Vom 12.7. bis 14.8.2006 bombardierten israelische Kampfjets täglich den Libanon, in der Absicht, die Hisbollah endgültig auszulöschen,. Heuer müsste diese Musik ‚GAZA’ heißen.“
Klassik begegnet Jazz
Im Auftrag des „ensemble plus“ hat David Helbock „NightShift“, ein etwa 40-minütiges Werk für Streichquartett mit Kontrabass, Trompete, Flöte, Bassklarinette, Fagott und Jazztrio komponiert. Zwei gegensätzliche Themen, die sich ständig wiederholen, variieren und Kontraste zueinander ausbilden sowie ein dritter Gedanke werden darin zueinander in Beziehung gestellt. Improvisierend werden das Jazztrio, die Streicher und die Holzbläser unterschiedliche Stimmungen ausdeuten. Die Besetzung mit David Helbock (Klavier), Herwig Hammerl (Kontrabass) und Stefan Greussing (Schlagzeug) sowie Doren Dinglinger, Anita Martinek, Andreas Ticozzi, Jessica Kuhn und Marcus Huemer (Streichquintett) und die Holzbläser Anja Baldauf (Flöte), Martin Schelling (Klarinette), Metthew Smith (Fagott) und Herbert Walser-Breuß (Trompete) verstärken die Erwartungshaltung auf die Präsentation dieses Werkes.
Lieder der Trauer
Auch der Dornbirner Komponist Thomas Thurnher hat im Auftrag des „ensemble plus“ ein neues Werk komponiert. Die „trois chants spirituels“ wird die Sopranistin Sabine Winter singen. Die Lieder beruhen auf Gedichten von Jean-Pierre Jasz, einem Verwandten des Komponisten. „Für Jean-Pierre Jasz haben diese Gesänge eine große Bedeutung, besonders der dritte, weil sie in enger Verbindung mit dem Tod seiner Frau stehen“, erzählt Thomas Thurnher. „Ich habe mich in der delikaten Situation gesehen, gleichzeitig die Texte als vorliegende Worte und dann aber auch als eine Art Tombeau für Eva zu begreifen.“
Ein Wiederhören
Michael Floredos Werk „Für 13“ ist vor dreizehn Jahren entstanden. Damals haben am Dornbirner Spielboden noch Kammerkonzerte stattgefunden, bei denen Vorarlberger Komponisten vertreten waren. Das „New Art Ensemble“ unter der Leitung von Fuat Kent spielte dort die Uraufführung des Werkes, das mit viel Beifall aufgenommen worden ist. Im Rahmen von „Texte und Töne“ ist das impulsive Werk nun in einer Interpretation mit der „Akademie St. Blasius“ zu hören.
Instrument mit Seltenheitswert
Das Kammerorchester aus Innsbruck wartet zudem mit einer Rarität auf. Zur Aufführung gelangt das Konzert für Theremin und Kammerorchester von Kalevi Aho. Dieses Instrument wurde bereits in den 1920-er Jahren erfunden, hat aber bis vor wenigen Jahren ein Schattendasein geführt. Aber allein die Bedienung des Theremins erregt Aufsehen. Weil die elektrische Kapazität des menschlichen Körpers ein elektromagnetisches Feld beeinflusst, verändert die Position der Hände die Schwingungen. So entstehen allein durch Handbewegungen unterschiedliche Tonhöhen, die über Lautsprecher wieder gegeben werden. Als Weiterentwicklung des Theremin ist später der erste Synthesizer entstanden.
Silvia Thurner
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im November 2014 erschienen.
„Texte und Töne“, ORF Funkhaus Dornbirn
Samstag, 8. November 2014
16:00 Uhr Eröffnung
16:15 Uhr Thomas Thurnher, UA
16:40 Uhr David Helbock, Klavier solo
17:00 Uhr Lesung: Gabriele Bösch
17:30 Uhr Wladimir Rosinskij, (UA)
18:00 Uhr Lesung: Stephan Alfare
18:30 Uhr Sonja Huber, Klavier solo
19:00 Uhr Texte von Kundeyt Surdum
20:00 Uhr Symphonieorchester Vorarlberg. Werke von Johannes Wohlgenannt-Zincke (UA), Sonja Huber (ÖE), Wladimir Rosinskij (UA)
Leitung: Ingo Ingensand; Violine: Frank Stadler
Textbeiträge von Autoren der Vorarlberger „Jungen Szene“
22:00 Uhr David Helbock und ensemble plus (UA)
Sonntag, 9. November 2014
11:00 Uhr Kammerorchester „Akademie St. Blasius“
Solistin: Caroline Eyck, Theremin
Werke von Franz Baur, Michael Floredo, Kalevi Aho.
Textbeiträge von Autoren der Vorarlberger „Jungen Szene“