Eine Kurzoper nach Frauenkorrespondenzen – DANIELA FANTECHI im mica-Interview

Im Rahmen seines Artists-in-Residence-Programms stellt das Bundeskanzleramt in Kooperation mit KulturKontakt Austria seit 2009 ausländischen Kulturschaffenden Stipendien zur Verfügung. Von Anfang Jänner bis Ende März 2016 ist die italienische Komponistin Daniela Fantechi zu Gast in Wien. Christian Heindl im Gespräch mit der Künstlerin.

Daniela Fantechi, wie haben Sie von dem Projekt Cultural Events Artist/Composer in Residence des österreichischen Bundeskanzleramts und von KulturKontakt Austria erfahren und was war Ihre Motivation, sich dafür zu bewerben?

Daniela Fantechi: Ich habe die Information über das Artist in Residence-Programm durch das Ensemble Platypus erhalten. Konkret habe ich für die Teilnahme angesucht, um Gelegenheit zu haben, aktuell mit ihnen an dem Projekt „In Korrespondenz“ arbeiten zu können. Dieses Projekt betrifft vier andere Komponisten und mich, wobei es darum geht, fünf Kurzopern zu schreiben, die im kommenden Herbst aufgeführt werden soll. Das gemeinsame Thema ist eben „In Korrespondenz“. Für den Stoff und das Libretto dieser Kurzoper studiere ich gerade das Archiv der Sammlung „Frauennachlässe“ am Institut für Geschichte der Universität Wien.

Waren Sie zuvor schon einmal in Wien und hatten Sie bereits einen Eindruck von der zeitgenössischen österreichischen Musikszene?

Daniela Fantechi: Ja, 2013 habe ich für ein Jahr in Graz gelebt, um an der Kunstuniversität zu studieren, und in dieser Zeit war ich mehrmals in Wien, insbesondere um mir die wirklich tollen Konzerte des Klangforum Wien anzuhören.

Was hat Sie besonders an der Möglichkeit gereizt, als Cultural Events Artist/Composer in Residence nach Österreich zu kommen?

Daniela Fantechi: Ich denke, Österreich und noch einmal auf eine ganz besondere Weise Wien, gehören zu den besten Plätzen für zeitgenössische Musik. Eine große Zahl guter Musikerinnen und Musiker bzw. Ensembles arbeiten hier. Der kulturelle Rang ist enorm hoch.

Sie haben erwähnt, dass Sie an der Grazer Musikuniversität studiert haben und auch schon mehrmals in Wien waren. Wenn Sie aus Ihren unmittelbaren Eindrücken einen direkten Vergleich ziehen, wie würde dieser kurzgefasst aussehen?

Daniela Fantechi: Graz ist eine kleinere Stadt, aber nichtsdestotrotz wirklich interessant. Die Universität hat einen sehr guten Standard, mit hervorragenden Lehrkräften und einer fantastischen Bibliothek mit Massen an Partituren und Aufnahmen. Es ist ein perfekter Ort, um zu studieren. Auf der anderen Seite ist Wien eben wesentlich größer und hat daher ein höchstwertiges Kulturangebot.

Wenn Sie nach Ihren ersten Wochen hier in Wien einen Vergleich mit Ihrer Heimat Italien ziehen: Ist die Situation der zeitgenössischen Musik weitgehend ähnlich oder gibt es da doch große Unterschiede in der Szene?

Daniela Fantechi: In Italien ist die Situation der zeitgenössischen Musik bei Weitem nicht so gut. Die Musikerziehung in der Schule ist nicht geeignet, das Interesse der Menschen an der Musik zu wecken. Es gibt im kleineren Bereich Vereinigungen oder Ensembles, die etwas zu bewirken versuchen, aber in der Regel werden sie keineswegs ausreichend unterstützt.

Konkret im Bereich der Komposition: Sehen Sie verglichen mit Österreich mehr Probleme oder Vorteile für die italienischen Komponistinnen und Komponisten?

Daniela Fantechi: Ehrlich gestanden mehr Probleme als Vorteile…

Ist im Rahmen des Stipendienprogramms auch eine Präsentation Ihrer Musik in Österreich vorgesehen?

Daniela Fantechi: Es ist noch nicht sicher, ob ich bis Ende März etwas präsentieren können werde. Wie es aussieht wird die Präsentation meiner Arbeit im Herbst erfolgen.

Sie haben eingangs schon Ihr aktuelles Opernprojekt erwähnt. Könnten Sie bitte mehr darüber erzählen bzw. woran Sie allenfalls noch in Wien arbeiten! Wird es eine Art „österreichisches“ Stück geben?

Daniela Fantechi: Wie gesagt arbeite ich an diesem Kurzopernprojekt. Das wird schon eine Art „österreichisches“ Stück sein, weil ein österreichisches Ensemble es aufführen wird und der Inhalt aus einer österreichischen Geschichte heraus entsteht. Für das Libretto studiere ich Texte in der Sammlung „Frauennachlässe“. Ich bin gerade in der spannenden Phase, in der ich herausfinden muss, was ich aus diesen Briefen, Tagebüchern etc. verarbeiten möchte. Ich weiß noch nicht, wieviel ich davon verwenden werde und wie sich das Material, das ich gefunden habe, für die Oper formen wird: Das ist ein Teil der Arbeit, die ich gerade mache. Daneben schreibe ich zurzeit auch an einem Stück für Klavier und E-Gitarre.

Wie würden Sie ganz allgemein ihr musikalisches „Credo“ zusammenfassen und wie zeigt sich das aktuell in Ihrer Musik?

Daniela Fantechi: Es ist natürlich schwer, in wenigen Worten das eigene musikalische „Credo“ zu formulieren. Gerade im Moment befinde ich mich in einer Phase, in der ich offener im Denken über meine Musik sein möchte. Beispielsweise beginne ich Elektronik in meinen Stücken zu verwenden. Das ist wirklich neu für mich und ein echter Wandel.

Konnten Sie darüber hinaus seit Beginn Ihres Stipendienaufenthalts schon österreichische Kolleginnen und Kollegen kennenlernen, Konzerte und Theater besuchen?

Daniela Fantechi: Ja, natürlich. Ich war mehrere Male bei Konzerten im Wiener Konzerthaus und in kleinsten, aber wirklich coolen Spielstätten wie Echoraum oder Alte Schmiede. Und natürlich habe ich Kontakt mit den Mitgliedern des Platypus-Ensembles in Wien, aber etwa auch dem Schallfeld Ensemble in Graz.

Ein abschließender positiver Satz zu Ihrem Aufenthalt hier?

Daniela Fantechi: – die Gelegenheit, einen guten Platz für die Arbeit und eine tolle Umgebung zu haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Christian Heindl

 

Zur Person:

Daniela Fantechi wurde 1984 in Florenz geboren. Ihr Kompositionsstudium am Konservatorium Luigi Cherubini in Florenz (Rosario Mirigliano, Paolo Furlani) schloss sie 2015 mit Auszeichnung ab. 2013/14 verbrachte sie ein Auslandsstudienjahr an der Grazer Kunstuniversität bei Beat Furrer, Clemens Gadenstätter und Georg Friedrich Haas. Weiters besuchte sie mehrere Meisterklassen und Sommerkurse, darunter Impuls und Acanthes, u. a. bei Helmut Lachenmann, Beat Furrer, Dieter Amman, Tristan Murail, Daniele Bravi, Toshio Hosokawa, Mark Andre, Stefano Gervasoni und Mauro Lanza. Ihr Studium in Musikwissenschaft an der Universität Florenz absolvierte sie 2009 mit Auszeichnung. Sie ist spezialisiert auf Pädagogik und Musik und unterrichtete Musik im Bereich von Vor- und Grundschulen (Musica Bambina in Pisa). Seither hat sie auch an verschiedensten Projekten mit Kindern am Teatro Verdi in Pisa sowie weiteren Theatern und Schulen in Florenz und Pisa gearbeitet. 2010 gründete sie mit dem Trompeter Baldini und dem Klarinettisten Edoardo Ricci das Kollektiv „Blutwurst“ zur Radikalimprovisation und Aufführung graphischer Partituren. Seit 2013 begann das Ensemble mit den Projekten Yoğurt und Tenebrae auch eigene Kompositionen zu realisieren. Fantechis Werke wurden in Italien u. a. bei den Festivals Tempo Reale Festival (Florenz), Play it (Florenz), Mixxer (Ferrara), Atlante Sonoro (Rom) sowie in Österreich bei Für die Hügel (Graz) aufgeführt.

Links:
https://soundcloud.com/daniela-84
http://www.univie.ac.at/Geschichte/sfn/