Gerade eben wurde er mit dem ÖSTERREICHISCHEN FILMPREIS für die Musik zu KATHARINA MÜCKSTEINs Film „L’ANIMALE” prämiert, derzeit arbeitet er am Sounddesign für ein Stück von SIBYLLE BERG am THEATER PHOENIX in Linz, das am 28. Februar seine österreichische Erstaufführung erfährt. Mit seinem letzten Release „Don’t Make Fans” (Morr Music) hat BERNHARD FLEISCHMANN klargemacht, dass ihm künstlerische Freiräume wichtiger sind als kurzfristige musikalische Trends. Dass sich diese Haltung durchaus als politische verstehen lässt, warum er dennoch, oder gerade deshalb so erfolgreich ist und dass es bei seiner Arbeit für Film und Theater nicht so sehr darum geht, Emotionen besonders akkurat zu übersetzen, sondern vielmehr über Bild und Narration hinauszudenken, erzählt der Künstler in einem Gespräch mit Shilla Strelka.
Im Dezember 2018 hat das erste Mal das Festival Signale unter dem Motto “Musik politisch machen” stattgefunden. Signale ist ein Festival, das sich dezidiert für Zivilcourage und Solidarität einsetzt und gegen Diskriminierung und Rassismus aufbegehrt. Dafür hat es zahlreiche lokale Musikschaffende zusammengebracht. Eben haben sie verkündet, dass 12.000 Euro eingenommen werden konnten, die nun an humanitäre Vereine gehen. Sie waren involviert in die Organisation?
Bernhard Fleischmann: Bernhard Kern von Siluh hat ein Kollektiv initiiert, das sich den augenzwinkernden Namen „Teil des Linkes Musiker*innenratnetzwerkes“ gegeben hat. Wir haben uns zusammengetan und dieses Festival mit großartiger Unterstützung der Arena Wien aus dem Boden gestampft. Es war für mich eine tolle Überraschung, dass so viel Geld hereingekommen ist. Das Festival war gut besucht und einige Bands haben den Unkostenbeitrag auch noch gespendet. Und dass obwohl es an einem Mittwoch vor Weihnachten stattgefunden hat. Das war super!
Sie sind ein sehr politischer Mensch. Warum ist es Ihnen als Musiker wichtig, öffentlich Stellung zu beziehen?
Bernhard Fleischmann: Ich denke, dass ich mein gesellschaftliches Engagement unter anderem über solche Aktionen artikulieren kann. Mir ist schon klar, dass die Auswirkungen eines solchen Festivals überschaubar sind und dass gewisse Menschen, die Hilfe oder Solidarität brauchen, nicht erreicht werden, genauso wenig wie Leute, die in ihren Denkmustern festgefahren sind. Aber es stand für uns alle außer Frage, dass wir nach Türkis/Blau etwas machen wollten, um eine Gegenstimme zum vorherrschenden, politischen Ton zu schaffen und den NGOs, denen die Fördermittel gestrichen oder stark reduziert worden sind, helfen.
„Da wird der kleinste gemeinsame Nenner rausgebrüllt und man schaut, dass da möglichst viele Leute darauf anspringen […]“
Sie arbeiten derzeit in Linz und machen für ein Stück von Sibylle Berg das Sounddesign. Im Pressetext zu „Nach uns das All oder Das innere Team kennt keine Pause” wird die Frage aufgeworfen, wie man politischen Widerstand und persönliches Glück miteinander vereinbaren kann. Ich würde die Frage gerne weiterführen und sie auf Ihre Musik umlegen. Gerade Ihr letztes Album „Stop Making Fans“ wirkt auf mich ziemlich euphorisch, lebendig und lustvoll. Ich frage mich, inwiefern Sie Politik und Ästhetik vereinbaren. Lässt sich das in Kontext stellen?
Bernhard Fleischmann: Für mich auf jeden Fall! Ich habe den Albumtitel schon auch als politisches Statement verstanden. „Stop Making Fans“ meint, dass man eben nicht der Fans willen etwas macht, sondern schaut: „Was bin ich? Was mache ich?“ Das ist meine Musik, die klingt so – aus, Schluss. Ich habe keine Lust, mich anzubiedern, um mehr Fans zu bekommen. Genau das passiert aber in der Politik. Da wird der kleinste gemeinsame Nenner rausgebrüllt und man schaut, dass da möglichst viele Leute darauf anspringen, weil die kurzen, einfachen Antworten so gerne geschluckt werden. Das wäre das Bindeglied zum Albumtitel.
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Und auf dem Album findet sich auch die Zeile – das wäre jetzt der Link zwischen dem Privaten, dem Politischen und der Musik –: „If you only focus on the pros of your children, the cons will take over soon.“ Das heißt, wenn ich mich als Vater – oder eben die Gesellschaft als Familienbild – ausschließlich auf die Vorteile der eigenen Kinder fokussiere, ist das früher oder später sicher zu ihrem Nachteil. Denn als Teil der Gesellschaft muss man sich um alle Kinder kümmern. Es fällt mir im Privaten wie im Politischen sehr stark auf, dass sich da immer nur um die eigenen Kinder gekümmert wird. Und der Rest? „Da scheiß ma drauf.“
Nichtsdestotrotz finde ich es einfach auch schön, eine gewisse Zeit lang eine Gemeinschaft über Musik herzustellen, die sich dann über diese Zeit hoffentlich wohlfühlt und etwas Schönes miteinander teilt. Ich höre privat ganz unterschiedliche Musik und natürlich sind auch nachdenkliche, traurige Lieder dabei. Aber ich habe eher das Gefühl, dass mich diese Lieder in so einer Situation noch weiter runterziehen als eine euphorisierende, Zusammenhalt schaffende Musik.
Polyrhythmik spielt in Ihrer Musik schon seit Langem eine wichtige Rolle. Auf dem letzten Release hat sich die Referenz zu Afrobeats und Funk noch weiter herausgeschärft. Ich fühle mich auch an die kollektive Energie von Sound Systemen erinnert. Ich würde das durchaus auch als politisch fassen. Das demokratisierende Moment ist spürbar.
Bernhard Fleischmann: Ja, es hängen hier nicht zufällig Plakate von William Onyeabor und LCD Soundsystem. Da sind schon zwei ganz wichtige Quellen für mich. Auch die vermeintlich einfachen Melodie-Loops, die immer wieder auftauchen, haben diesen Bezug zur Trance und zum Hypnotischen.
Ihre früheren Releases sind sehr sensibel und eher sphärisch im Gegensatz zum aktuellen Release, der ziemlich rhythmusbezogen ist. Über Rhythmus lässt sich ja auch viel mehr vermitteln, als man gemeinhin annehmen würde.
Bernhard Fleischmann: Auf jeden Fall! Diese Hinwendung zur Polyrhythmik und zu Rhythmen ist bei mir in den letzten Jahren stärker geworden. Auch bei den Sachen, die ich höre.
Das Album wurde mit einer Band aufgenommen. Entwickeln Sie die Nummern auch zusammen?
Bernhard Fleischmann: In dem Fall habe ich über zwei Jahre Material vorbereitet. Ich hatte viel zu viele Ideen. Die ersten Layouts kamen also von mir. Ich habe sie dann Markus [Schneider; Anm.], unserem Gitarristen, vorgespielt und wir haben herumprobiert, was dazu passen könnte. Bei der Aufnahme kamen dann Valentin Duit am Schlagzeug und Gloria Amesbauer [Gesang und Bass; Anm.] dazu. Ich würde gerne in dieser Vierer-Konstellation weiterarbeiten und die anderen das nächste Mal schon früher hinzuholen, um die Nummern ein bisschen luftiger zu machen.
„Diese klar vorgegebenen Strukturen sind manchmal ganz angenehm.“
Das gemeinschaftliche Arbeiten setzt sich in Ihrer Arbeit für Film und Theater fort, wenn Sie mit Regisseurinnen und Regisseuren arbeiten und da natürlich Rücksprache halten müssen. Wie fühlt es sich als Musiker an, in so einem Abhängigkeitsverhältnis zu stehen? Sei es zum Bild, zum Regiekonzept, zur Narration oder zum Text?
Bernhard Fleischmann: Ich finde es sehr spannend und zum Teil auch angenehm, weil es dir diese unendlichen Möglichkeiten einschränkt und ich weiß, worauf muss ich mich fokussieren muss und was das Wesentliche für das jeweilige Projekt ist.
Ich frage mich, wie mein musikalischer Beitrag für den Film optimal genutzt werden kann. Im Theater ist die Frage, wie der Sound im Raum funktioniert und wie ich die Schauspielerinnen und Schauspieler unterstützen kann, das heißt, wo es inhaltlich Sinn macht, etwas zu bringen. Bei der Arbeit an einem Album oder Live-Set gibt es kein Korrelativ das einem sagt, wenn etwas zu lang oder zu viel wird. Insofern befruchten sich die zwei Ansätze gegenseitig.
Wenn ich an neuen Layouts arbeite, rufe ich mir Feedbacks von der Regie in Erinnerung, wo es geheißen hat: „Du das ist super, aber es ist zu viel!“ Wenn ich meine eigenen Sachen mache, tendiere ich nämlich dazu, zu überladen, immer weiter etwas hinzuzutun und mich eher zu fragen, ob das schon reicht. So war es auch bei dem Album. Da habe ich mit Markus dann viele Spuren rausgehaut, weil eh schon alles da war.
Insofern ist das Arbeiten für ein anderes Projekt auch sehr angenehm, weil du dich nicht so verlieren kannst. Weil du jemanden hast, der dir sagt, was sie oder er braucht. Diese klar vorgegebenen Strukturen sind manchmal ganz angenehm. Das empfinde ich nicht als einschränkend, sondern eher als neue Herausforderung, mit diesem Setting umzugehen.
„Da wird Filmmusik auch oft unerträglich […]“
Ihre Filmmusik wurde bereits mehrmals prämiert. Im Dezember 2018 haben Sie beim Les Arcs Film Festival den „Award for Best Original Score“ und im Jänner 2019 den Österreichischen Filmpreis für die beste Filmmusik erhalten. Katharina Mücksteins Film „L’Animale“ ist ein Spielfilm, konkreter ein Coming-of-Age-Film. Begeben Sie sich in so einem Fall in die Gefühlswelten der Figuren und versuchen, diese nachzubilden, um eine Identifikation zu erleichtern – das wäre der Weg Hollywoods –, oder geht es Ihnen um mehr?
Bernhard Fleischmann: In dem Fall waren die Charaktere und die Geschichte dahinter klar und schön erzählt, deshalb hatte ich nicht den Anspruch, mit der Musik zu unterstreichen: „Diese Figur ist jetzt traurig.“ Da wird Filmmusik auch oft unerträglich, wenn sie mir sagt: „Ah, der weint jetzt.“ Das finde ich eher fad. Ich habe mich stattdessen gefragt: „Wo spielt das Ganze?“ Der Film spielt am Land, die Musik jedoch ist sehr urban. Ich wollte zeigen, dass es vollkommen egal ist, ob der Film am Land oder in der Stadt spielt. Die Musik sollte eine Universalität herstellen. Es gibt z. B. eine Szene, in der Discomusik zu hören ist, aber plötzlich kippt das in eine Meta-Ebene.
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Hängt so eine Auszeichnung nicht auch stark vom Film ab? Lässt sich die Musik unabhängig vom Film beurteilen? Oder anders: Wie stehen die Chancen, einen solchen Preis zu erhalten, wenn der Film schlecht ist? Das ist ja schon eine schwierige Kategorie – der Filmmusik-Preis. Da freut sich ja auch das ganze Team und nicht nur eine Person.
Bernhard Fleischmann: Ja, es hängt stark davon ab, welchen Stellenwert die Regisseurin oder der Regisseur der Musik beimisst und wie die Musik vorkommt. In „L’Animale“ gibt es gar nicht so viel Musik, aber die, die vorkommt, ist sehr präzise gesetzt und relativ laut. Da hat die Post-Produktion einen erheblichen Anteil daran. Die Mischung ist extrem wichtig. Ich war für „L’Animale“ auch bei der Post-Produktion dabei. Das ist wichtig, weil das Studio ja kein Stereofile von mir bekommt, sondern verschiedene sogenannte Stems. Das heißt, die Tracks sind aufgeteilt in unterschiedliche Spuren, die man dann im Surround nochmal anders mischen kann. Und da hat in dem Fall „The Grand Post“ einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass es so klingt, wie es dann eben im Kino klingt.
Es ist ein Preis, der mich freut, aber für einen Film, der in sich nicht so ganz stimmig ist, würde es sich, glaube ich, nicht ausgehen. Ich sehe das schon als Auszeichnung fürs ganze Team.
Wie ist die Arbeit dafür vor sich gegangen? Hatten Sie anfangs nur das Skript oder gab es schon Bilder oder vielleicht überhaupt den fertigen Film? Wie läuft das im Allgemeinen ab?
Bernhard Fleischmann: Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Zum Teil bekomme ich vorab die Drehbücher, zum Teil ist der Film schon fast fertig geschnitten. Bei Katharina war es super, weil sie schon vorher eine klare Vorstellung davon hatte, was sie sich wünscht. Sie wollte, dass ich das in meine musikalische Sprache übersetze. Wir haben uns da zum Glück sehr schnell verstanden.
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Dann gab es auch den Fall, dass sich ein Regisseur aus Berlin, Marc Bauder, während der Dreharbeiten zu zwei Filmen Stücke von b.fleischmann-Alben im Loop angehört hat und mich daraufhin gebeten hat, Variationen eines Stücks zu machen, um es einzubauen. So war das z .B. bei „Master of the Universe“, einem Dokumentarfilm über einen Banker. Das war spannend, weil man merken konnte, dass Bauder das Stück schon die ganze Zeit gehört hat. Es war alles schon in der richtigen Geschwindigkeit, jeder Kameraschwenk. Also ja, da gibt es ganz unterschiedliche Herangehensweisen.
„Es war extrem spannend zu sehen, wie die Mischung allein schon die Filmmusik verändert.“
Dokumentarfilm und Spielfilm stellen ja ganz andere Anforderungen an Sie. Dokumentarfilm versucht, eine Art von Objektivität zu behaupten, das heißt, auch die Musik muss möglichst „entemotionalisiert“ sein. Ich kann mir vorstellen, dass es für eine Musikerin bzw. einen Musiker nicht leicht ist, damit umzugehen.
Bernhard Fleischmann: Ja, bei meinem ersten Film mit Mark Bauder, dessen Titel dieses schöne Jelinek-Zitat war „Jeder schweigt von etwas anderem“, ging es um vier Familien aus der ehemaligen DDR, wo die Eltern wegen Verrats gegenüber der DDR im Gefängnis waren. Der Film hat dieses Schweigen über die Zeit behandelt. Die Eltern haben gewartet, dass die Kinder fragen, und die Kinder haben gewartet, dass die Eltern erzählen.
Ich hatte die Layouts gemacht, aber als wir das dann mit dem Bild kombiniert haben, hatte die Musik auf einmal einen totalen Zeigefinger, was wir überhaupt nicht wollten. Zu sehen waren Stasi-Archivaufnahmen und mit der Musik ging das auf einmal gar nicht. Dann hab ich gesagt: „Okay, ich werde mal probieren, die Flächen und den Bass leiser zu drehen und die Beats lauter.“ Und plötzlich war es neutrale Musik! Es war extrem spannend zu sehen, wie die Mischung allein schon die Filmmusik verändert. Es kann das gleiche Stück sein, aber wenn du es anders abmischt, wirkt es neutral oder belehrend. Das war schon ein echtes Aha-Erlebnis – wie wichtig die Mischung in der Filmmusik ist.
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Was meinen Sie mit „neutraler Musik“? Gibt es das überhaupt?
Bernhard Fleischmann: Na ja, ich meine damit eine Musik, die das Publikum einlädt, selbst zu denken, bzw. dem Denken Platz zu lassen und Emotionen und Denkrichtungen nicht unmittelbar auslösen will.
„[D]en Inhalt eines Textes musikalisch auf eine andere Art zu erzählen.“
Aber auch im Spielfilm und in Ihrer Arbeit fürs Theater geht es Ihnen nicht wirklich darum, Emotionen in Klang zu übersetzen.
Bernhard Fleischmann: Ich versuche schon meistens, den Inhalt des Stücks durch die Musik auf eine andere Ebene zu heben. Ich habe in Dresden z. B. für ein Stück von Kathrin Röggler – „Der Lärmkrieg“ – die Musik gemacht. Da ging es um den Neubau eines Flughafens und um die Befindlichkeiten der Menschen, die da dort wohnen. Am Anfang dachten wir, dass es brutale Noise-Flächen geben könnte. Aber als wir das eingespielt haben, war das nur banal und saublöd. Dann habe ich mir also überlegt, was in dem Zusammenhang Lärm sein könnte, und das war für mich auch das Nichterfüllen einer vermeintlichen Idylle. Also habe ich über sieben Minuten „Für Elise“ so gespielt, als wäre ich jemand, der gerade Klavier spielen lernt. Die ersten zwei Minuten hat das Publikum das noch lustig gefunden, aber nach einigen Minuten mehr wurden die Leute wirklich unruhig. Es hat begonnen zu nerven. Da habe ich mir gedacht: „Okay, das ist eine Form von Lärm, die eine Hörgewohnheit so gar nicht erfüllt.“ Das ist eine Idee von Theatermusik, die ich spannend finde: den Inhalt eines Textes musikalisch auf eine andere Art zu erzählen. Eine Hörerwartung nicht zu erfüllen.
Das heißt, Sie versuchen nicht zu illustrieren, sondern das auf eine konzeptuelle Ebene zu heben?
Bernhard Fleischmann: Das ist nicht immer so, aber tendenziell versuche ich schon, das noch woanders hinzuheben. Manchmal funktioniert das besser, manchmal weniger. Aber es wird für mich spannend, wenn ich den Text in einen musikalischen Kontext übersetzen kann. Natürlich gibt es in jedem Stück auch Szenen, die eine Begleitung brauchen. Aber es gibt auch oft Stellen, die man mit der Musik auf eine Meta-Ebene heben kann.
Ich stelle mir es nicht ganz einfach vor, sich selbst als Musikerin bzw. Musiker ernst zu nehmen, aber sich dann eben auch nicht zu ernst zu nehmen. Man will eine Idee oder Stimmung intensivieren, auf der anderen Seite muss man subtil bleiben.
Bernhard Fleischmann: Ja und beim Theater muss man natürlich auch extrem darauf achten, dass man den Schauspielerinnen und Schauspielern nicht auf den Füßen stehst. Da muss man vorsichtig sein, wenn es keine choreografierte Performance ist. Tendenziell hau ich lieber Sachen raus, wenn ich sehe, dass es keinen Mehrwert gibt. Deswegen stehe ich auch selten auf der Bühne bei Theaterproduktionen, weil es in 99 Prozent der Fälle keinen Sinn macht, dass da jemand live auf der Bühne Musik macht.
Es ist oft so, dass sich – meistens elektronische – Musikerinnen und Musiker mit Film- und Theaterproduktionen über Wasser halten. Da besteht ein „Unverhältnis“, wenn man so will. Als freischaffende Musikerin bzw. freischaffender Musiker ist die Existenzsicherung zumeist ein Kampf. Solche Jobs zu bekommen heißt also oft, dass man als Musikerin bzw. Musiker etabliert ist. So lässt es sich dann von der Musik leben. Wie wichtig sind diese Produktionen für Sie?
Bernhard Fleischmann: Ja, was das Finanzielle betrifft, stimmt das auf jeden Fall. Es gibt aber unterschiedliche Möglichkeiten, die Frage zu antworten. Es gibt sehr wohl Bands und Acts, die sich aufs reine Band-Dasein fokussieren und das professionell durchziehen. Ich kann mir z. B. nicht vorstellen, dass Bilderbuch am Burgtheater Musik machen würden, zumindest noch nicht. Die haben einfach einen anderen Plan. In meinem Fall weiß ich, dass meine b.fleischmann-Musik nie so groß werden wird, dass ich von den Alben oder von den Konzerteinnahmen leben könnte. Das geht sich einfach nicht aus. Dazu hat sich der Markt, was den Verkauf von Tonträgern betrifft, zu stark gewandelt. Allein die Kosten einer Albumproduktion sind nicht annähernd durch die Verkäufe gedeckt. Und ich weiß genau, es würde sich finanziell nicht ausgehen, mich rein aufs Live-Spielen zu konzentrieren. Aber ich persönlich mag diese Projekte ja auch und finde es spannend, da meinen Beitrag leisten zu können.
Was steht in näherer Zukunft an?
Bernhard Fleischmann: Gerade ist die Filmmusik für einen Dokumentarfilm von Anja Salomonowitz über Daniel Spoerri fertig geworden. Da Spoerri ausschließlich mit gefundenen Materialien gearbeitet hat, habe ich mich auch dazu entschlossen, nur mit Orgeln, die ich bei der Caritas oder auf dem Sperrmüll gefunden habe, die Musik zu machen. Die Musik, die in dem Film vorkommt, stammt also zu 99 Prozent von diesen gefundenen Instrumenten.
Dann kommt Ende Februar die Premiere von „Nach uns das All oder Das innere Team kennt keine Pause” im Theater Phoenix in Linz. Und mit dem Kollektiv Freundliche Mitte aus Berlin und Wien wird es auch zwei größere Geschichten im brut und in Floridsdorf geben. Da fangen wir auch jetzt an zu arbeiten. Dann wurde gerade noch eine Filmmusik angefragt. Konzerte wird es auch ein paar geben. Das ist eh genug! Aber es sind zum Glück lauter schöne Dinge.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Shilla Strelka
Termine:
„Nach uns das All oder Das innere Team kennt keine Pause” (Sybille Berg) –
26., 28. Februar, 2.,3.,5.,6.,7., 15., 17., 21., 22., 26., 27., 29., 30., 31. März,, 2., 3., 4., 5., 9., 10., 13., 15. April
Theater Phoenix, Linz
b.fleischmann live – Arena, Wien: 4. April
Links:
Bernhard Fleischmann
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L’Animale
Theater Phoenix