„Ein Wahnsinn, dass wir das überhaupt erreichen konnten“ – DAME im mica-Interview

An DAME prallt jeder Diss ab. Stattdessen hat er SEILER, RAF, GABALIER und WANDA auf YOUTUBE schon längst überholt. Der Salzburger sprach mit Stefan Niederwieser.

DAMES YouTube-Kanal hat über 217 Millionen Klicks. Vergleicht man das mit ein paar anderen Musikerinnen und Musikern aus Österreich (*), fällt trotz einiger Unschärfen auf, dass eigentlich niemand DAME das Wasser reichen kann. Dabei ignorieren ihn die großen Radiosender weitgehend, Feuilletons und Magazine ebenfalls. Bei Awards und Podiumsdiskussionen über österreichische Musik hört man immer dieselben Namen, nicht aber seinen. Und ein Ehrenkreuz bekommt der Rapper aus Salzburg wohl nicht so schnell. Aber DAME kümmert das kaum. Er arbeitet stattdessen entschlossen an seiner Form von Zukunftsmusik. Er schreibt Songs über Spiele wie WoW, CoD und Fortnite genauso wie über Kinderserien, Veganismus oder das Game, das sich Rap nennt. Manchmal rappt er auf knackigen Beats in Doubletimes, manchmal singt er zu gefühligen Klavierakkorden. Und kommende Woche spielt DAME bereits zum zweiten Mal auf dem SPLASH FESTIVAL.

(*) Parov Stelar 173, Raf Camora 131, Seiler und Speer 90, Andreas Gabalier 56, Klangkarussell 50, Nazar 48, Pizzera & Jaus 36, Bilderbuch 35, Conchita 21, Stürmer 14, Wanda 13, Leyya 2, Yankoomusic 346

Mussten Sie früher als Koch viel Fleisch zubereiten?

Dame: Ja, ich wollte lange in kein veganes Lokal, der Bruder meiner Freundin hat uns irgendwann mitgenommen und ich war extrem baff, wie gut das schmeckt. Daheim koche ich vegan oder vegetarisch, aber unterwegs mache ich das nicht hardcore. Auf Tour war es früher schwer, heute passt das Catering meistens. Touren ist anstrengend, man ist froh, wenn man etwas zu essen bekommt, was Energie gibt.

Unter dem Video zu „Deine Hände“, in dem drastische Bilder von Schlachtungen zu sehen sind, gibt es keine hitzigen Diskussionen zu Veganismus …

Dame: Leider ist das Video schnell mit einer Altersbegrenzung versehen worden, ohne Account kann man es nicht sehen. Auf Facebook wurde es gesperrt. Das war schade, weil uns die Message wichtig war. Ich will niemandem sagen, was er essen soll, sondern die Leute zum Nachdenken bringen. Wenn man im Supermarkt Fleisch kauft, steckt trotzdem ein Lebewesen dahinter. Gerade in der Weihnachtszeit sitzt die Familie beim Braten zusammen, da hat es für uns gepasst, das Video kurz vor Weihnachten zu veröffentlichen.

Gab es keine Sorge, falsch eingeordnet zu werden – vorher Gaming-Rapper, einmal sogar Schlager-Rapper, jetzt veganer Moral-Rapper?

Dame: Überhaupt nicht. Ich wollte den Song lange nicht machen, weil ich nicht wusste, wie ich ihn schreiben soll. Ich habe versucht, nicht den Zeigefinger zu erheben, sondern die Fakten zu verarbeiten. Über den Rest mache ich mir keine Gedanken. Ich bin Schubladen gewöhnt. Meine Fans kennen mich.

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Woher kommt der DeLorean in „Legendenstatus“?

Dame: Mein Papa hat früher gesagt: „Bua, das ist doch Zukunftsmusik, lern erst einmal einen ordentlichen Beruf.” Dieser Albumtitel – „Zukunftsmusik” – war seither in meinem Kopf. Da war ich schnell bei „Zurück in die Zukunft“, wir haben das Artwork in diese Richtung entwickelt. Aber es war klar, dass wir für das Video einen DeLorean brauchen. Aber wo bekommen wir den her? Zwei Tage später sitze ich bei mir am Balkon, trinke Kaffee, plötzlich macht es einen Tuscher. Ein Auto fährt vor, ich denk mir: „Das gibt es jetzt nicht. Da parkt ein DeLorean vor meinem Haus ein.“ Ich habe den Besitzer gefragt, ob man das Auto mieten kann. Davon gibt es ungefähr 4.000 Stück weltweit, ich habe mein Glück selbst nicht glauben können. Und der Besitzer war auch noch Pyrotechniker, er hat uns für „Legendenstatus“ die Flammen gemacht. Besser geht es nicht.

Wann haben Sie zuletzt WoW gespielt?

Dame: Das ist Jahre her, ich hatte mit meiner Musik so viel zu tun. Heute spiele ich nur noch, wenn mich ein Spiel wirklich interessiert. Stundenlange Boss-Raids sind lange vorbei.

Es wirkt, als würden Sie sich mit Fortnite auskennen.

Dame: Einer meiner Kumpels war der WoW-Übersuchti. Er hat mich angesteckt. Meine Freundin meinte damals: „Hört jetzt endlich auf.“ Wir meinten: „Ja gleich.“ Und plötzlich waren wieder zwei Stunden vorüber. Damals sind „12 Millionen“ und „Pave Low“ entstanden. Ich habe überlegt, ob ich die Songs überhaupt online stellen soll, ob ich als Nerd abgestempelt werde. Dann sind sie voll durch die Decke gegangen, ich habe überhaupt nicht damit gerechnet. Ich bin leider – oder eigentlich ist es ein Glücksfall, dass man so einen Song hat – in diese Schublade gesteckt worden. Mein Interview mit Ö3 wurde damit angekündigt, dass ich nur Gaming-Musik mache. Dann ist mein Manager gekommen, der gemeint hat, ich solle Musik über normale Menschen machen. Dabei gab es vorher schon ein Album, die Gaming-Songs waren nur ein Bonus. Heute mache ich das, wenn ein Spiel richtig cool ist. Ich war einer der Ersten, der das auf Deutsch gemacht hat. Mittlerweile gibt es andere Gaming-Rapper, die nur das machen.

Bild Dame
Pressefoto Dame (c) Wimmer Frank

In „Last Man Standing“ sind ärgste Doubletimes drin …

Dame: Der Song hat viele Flow-Varianten. Ich könnte technisch viel mehr zeigen, aber das lenkt von der Message ab und macht oft keinen Sinn. Bei einem Spiel wie Fortnite kann man viel einbauen, da spielt man sich gern, das ist eher Punchline-Rap.

Was sind Ihre teuersten Sneakers?

Dame: adidas Ultra Boost [kosten rund 130 Euro; Anm.]. Meine Bandkollegen stehen total auf Sneakers und sind immer am letzten Stand. Ich komm mit vier oder fünf Paar gut aus.

„Mir waren Videos, in denen man nur die hübschesten Frauen hinstellt, zu plakativ.“

Sie entsprechen nicht unbedingt dem typischen Bild eines Rappers.

Dame: Ich komme aus einer anderen Richtung. Ich habe Beginner, Samy Deluxe und Creutzfeld Jakob gehört, da ging es um andere Dinge. Mir waren Videos, in denen man nur die hübschesten Frauen hinstellt, zu plakativ. Ich habe immer Gitarre und Klavier gespielt, höre gern Rock, sehe mich auch als Musiker. Und hundertprozentig ist das auch kein Rap, was ich mache.

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Wie verbreitet sind diese Klischees heute?

Dame: Als ich bei Ö3 für ein Interview war, haben sie mich anfangs gar nicht erkannt. Sie haben sich jemand ganz anderen erwartet, einen Rapper mit fettem Hoodie oder Klunker. Man merkt, dass Vorreiter wie Sido und Bushido einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Im Video zu „Wir sind so“ sieht man einige Dinge, die man von Ihnen nicht kennt.

Dame: Das war sarkastisch gemeint. Mir ist die Trap-Schiene ein wenig auf den Sack gegangen [lacht]. Leider haben das nicht alle Fans gecheckt. Normalerweise haben meine Texte ja Inhalt. Der Song tanzt aus der Reihe, er war ein Spaßprojekt. Das Video ist wirklich von der Tour.

„Hoes” und „Bitches“ passen normalerweise nicht in Ihre Diktion?

Dame: Ich sehe das nicht wirklich als Beleidigung, das ist so tief im Hip-Hop verwurzelt, das können einfach Groupies sein. Ich wollte immer Rap machen, der nicht unter die Gürtellinie geht, aber nach Straße klingt. Man muss nicht gleich auf die Mutter losgehen.

Was machen die Schreiber Twins da schon wieder im Video?

Dame: Gute Frage, das sind einfach Kumpels. DJ Buzz von den Waxos, der bei uns auf der Tour als DJ dabei ist, ist mit ihnen aufgewachsen, man freut sich, wenn man sich treffen kann.

Wer ist noch auf Tour mit?

Dame: Maze, mein Backup-Rapper, der aber auch singen kann. Ein Tontechniker, zwei fürs Merch, ein Fahrer. Appletree ist ein toller Opener, er bucht auch die Konzerte. Wir kennen uns schon sieben Jahre, er hat mir damals vorgeschlagen, eine Tour zu buchen, als ich noch Koch war. Ich wusste nicht einmal, dass er eine Agentur hat. Irgendwann ist es so gelaufen, dass keine Zeit mehr fürs Kochen war. Auch unsere Grafiker sind Kumpels, die zufällig den richtigen Beruf haben.

Haben Sie Kontakt mit Kroko Jack?

Dame: Natürlich! Wir waren früher gemeinsam bei Slangsta, wir haben uns erst letztens getroffen. Der Jack ist nicht immer ganz leicht, es ist mal so und dann doch wieder anders. Sollten wir gemeinsam etwas machen, werde auch ich das im Dialekt machen. Ich finde Dialekt interessant, man muss komplett anders schreiben als auf Hochdeutsch. Eine EP in Mundart kann ich mir vorstellen, ein ganzes Album macht für mich aber keinen Sinn, weil meine 600.000 Abonnentinnen und Abonnenten quer über den deutschen Sprachraum verteilt sind.

Warum klingt Ihre Stimme so arg?

Dame: Ich bin anscheinend mit ihr gesegnet. Ich kann rau und tief rappen, aber auch singen. Effekt ist keiner drauf.

Gibt es wirklich Leute, die meinen, Sie seien überheblich?

Dame: Ich höre manchmal nicht wirklich zu, weil ich in Gedanken bin, vermutlich kommt das von daher.

„Die Musik ist erfolgreich, weil sie ein bisschen anders ist […]“

Es gab Angebote von Sony und Universal. Was hat nicht gepasst?

Dame: Bei Sony habe ich schon im ersten Gespräch gemerkt, dass sie die Musik verändern wollen. Das war leider oft so. Ich solle mehr singen, mehr dies und das. Das war für mich ein No-Go, das hätte ich um keine Summe gemacht. Die Musik ist erfolgreich, weil sie ein bisschen anders ist, ich schreibe jedes Lied mit Herz und Seele. Auch bei den anderen Labels hätte ich nicht mehr frei entscheiden können. Wir haben alles, was wir brauchen: einen Onlinevertrieb, einen physischen Vertrieb bei Edel und das Booking. Wir haben ein super Studio in Salzburg, da können wir voll mithalten. Wir sind voll zufrieden.

In einem Interview meinten Sie, dass Sie für ein Feature niemals Geld bezahlen würden.

Dame: Meine Features machen meine Kumpels. Es gab Anfragen Ich bin nicht prinzipiell abgeneigt, aber wenn es persönlich nicht passt, macht es keinen Sinn. Ich finde es traurig, wenn man sich ein Feature nur für das Namedropping gegen Kohle holt.

Bild Dame
Pressefoto Dame (c) Wimmer Frank

Wie lang können Sie schon von Ihrer Musik leben?

Dame: Mittlerweile fünf Jahre. YouTube macht weniger aus, sie versuchen mitzuhalten, Spotify und Twitch haben es geschwächt, die Werbepartner sind nicht mehr so groß. Veranstalterinnen und Veranstalter haben manchmal auch schlechte Erfahrungen gemacht, wenn sie Künstlerinnen und Künstler buchen, die vor allem auf YouTube groß waren, weil man sich dort nun mal Klicks kaufen kann. Wir haben uns teilweise selbst einmieten müssen. Das hat sich geändert, sie haben gesehen, dass es funktioniert. Spotify macht einiges aus, CD-Verkäufe, Touren, alles zusammen ergibt das große Ganze.

Sie sind der erste Rapper, der eine „Reduced Version“ eines Albums veröffentlicht hat?

Dame: Ich bin der Erste, der dieses Wort verwendet hat. Unplugged ist anscheinend geschützt, „reduced” war ohnehin passender, es sollte musikalischer sein als die reguläre Version.

Sie sind vor zwei Jahren beim Splash Festival aufgetreten. Sie haben zum Splash Mag damals gemeint, viele Rap-Medien hätten Sie nicht am Schirm. Hat sich das geändert?

Dame: Nicht wirklich, ich bin so gut wie noch nie in solchen Medien aufgetaucht. Das liegt auch daran, dass man heute fast einen Skandal braucht, um dort vorzukommen. Mich hat das nie gestört, weil unsere Fans auch so dranbleiben. Ich bin durch und durch Künstler, das Schönste an meinem Beruf ist, Songs zu schreiben. Es funktioniert auch so.

Wird Dame auf Ö3 oder auf FM4 gespielt?

Dame: Das war eine ewige Geschichte, immer haben sie mich zu den jeweils anderen geschickt. Die Hooks sind gesungen, für FM4 ist das ein bisschen zu kommerzig und für Ö3 ist es scheinbar zu wenig kommerzig. Ab und an spielen sie meine Musik.

Kennen Sie viele andere Musikerinnen und Musiker aus Österreich, die mehr als 200 Millionen Plays auf YouTube haben?

Dame: Es gibt Raf und Nazar, aber ich bin schon recht weit vorn. Es ist ein Wahnsinn, dass wir das überhaupt erreicht konnten. Anfangs haben die Spiele-Songs geholfen. Viel schwieriger war es, diese Aufmerksamkeit zu halten. Umso schöner ist es, dass jetzt die Touren ausverkauft sind. Und manche Leute schreiben sogar: „Scheißt auf die Spiele-Songs.“

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Stefan Niederwieser

Links:
Damestream Records
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