“Ein Lichtblick und dann taucht man durch!”

Zeebee über Nebenerwerbsmusik, große Besetzungen und kleine Konzepte Wirklichen TripHop, wie von manchen Zeitungen gern behauptet, machte Zeebee eigentlich nie. Vielmehr saß sie immer schon zwischen den Stühlen Jazz, Pop und Avantgarde. Das tut sie auch heute noch, allerdings stimmiger und erfolgreicher denn je. Das mica nutzte einen kurzen Wien-Aufenthalt der Vorarlbergerin zu einem informativen Kaffeehaus-Gespräch.

Was ist seit dem letzten Mal, als wir uns trafen, passiert?

Unglaublich viel. Zwei Alben, vier Lebensjahre.

Erzähl doch etwas über Dein neues Album. Wie würdest Du es stiistisch beschreiben?
Ich gehöre sicher nicht zu den Musikern, die gut darin sind, ihre Musik zu beschreiben. Das ist bei den eigenen Sachen auch am schwierigsten.
Trotzdem sollt man es können…

Und wenn Du es trotzdem versuchst?
Was mich anbelangt, ist das neue Album auf jeden Fall mehr auf den Punkt als sein Vorgänger. Und wenn man es von vorneherein durchhört, sollte auch auffallen, dass es als Konzeptalbum angedacht ist.

Ein Konzeptalbum?
Es gibt da ein kleines Konzept dahinter, das anfänglich eher als Brücke für mich funktionierte. Nach außen hin ist es aber viel zu kompliziert, von diesem Konzept zu erzählen…

Jetzt hast Du mich aber neugierig gemacht.
Schon, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich, dass es nicht funktionieren kann, dieses Konzept offen zu legen.

Willst Du es nicht versuchen?
Nein, eigentlich nicht. Stilistisch ist es einfach ein sarkastisches Pop-Album geworden.

Ein Track ist Grime-lastig. Absicht?
Nicht wirklich. Die Tracks mit Kevin Martin (Bug, Anm.) gibt es nun schon seit zwei Jahren. M.I.A (die derzeit kommerziell wohl erfolgreichste Grime-Interpretin, Anm.) hat ihr Album halt einfach früher raus gebracht als ich.

Mit Bug arbeitest Du schon länger, wenn ich mich recht erinnere. Kollaborierst Du immer noch mit verschiedenen Komponisten in verschiedenen Erdteilen?
Ja. Die Zusammenarbeit läuft wie eh und jeh.

Das heißt immer noch im Wege des Soundschnipsel- und Gesangsspuren-Hin- und Herschickens, per E-Mail von Kontinent zu Kontinent?
Genau.

War erwartet nun die Besucher Deiner CD-Präsentation?
Ich werde in meiner Zweier-Kombination auftreten. Mit von der Partie ist Stefan Frommelt, ein aus Liechtenstein stammender Jazz-Pianist, der sich allerdings auch sehr für elektronische Musik interessiert. Ich arbeite mit ihm seit etwa einem Jahr zusammen. Spielen werden wir ausschließlich Nummern des neuen Albums. Das war eine schwierige Überlegung. Letztlich habe ich mich allerdings dazu durchgerungen.

Was ist überhaupt live geplant? Hast Du vor, mit Band oder in dieser Zweier-Kombination zu touren?
Live-Auftritte zu organisieren ist unheimlich schwierig. Meine Musik ist absolute Nischen-Musik. Die ganzen Festivals setzen auf Rock-Musik. Da geht ohne Gitarre einfach gar nichts mehr. Und obwohl ich auch in einer Formation mit Gitarre auftrete, ist und bleibt das, was ich mache, trotzdem Pop-Musik. Vom Stil her geht da bei Festivals also rein gar nichts, da die meisten Festivals mit einem Stamm an bekannten Bands, den so genannten Publikumsmagneten, arbeiten. Der Rest ist Partymache mit Garantie für Hüpfen und Stimmung.

Fun-Punk…
Genau. Ich meine das aber nicht zynisch. So ist das nun mal. Damit muss man leben. Auch für mich gibt es Chancen: Neulich bin ich zum Beispiel von der Musikexport nach Brasilien eingeladen worden. Das hat mich sehr gefreut.

Von der Zweier-Besetzung höre ich zum ersten mal. Ist das eine Art Zugeständnis an das momentane Live-Geschäft, in dem es ja extrem schwierig geworden ist, größere Formationen zu vermitteln?
Klar. Das galt auch für die Präsentation meines neuen Albums. Wir sind sechs Leute, zwei davon aus Wien. Das bedeutet: Die Wiener müssen für mindestens drei Tage zum Proben nach Vorarlberg kommen. Die Kosten dafür hätte ich aus meiner privaten Tasche zu zahlen, da es bei einer Release-Party üblicherweise keine Gage gibt. Ich kann mir das unmöglich leisten, das geht einfach nicht. Daher treten wir zu zweit auf.

Was ist mit der Plattenfirma?
Die hat schon genug am Hals. In diesem Prozess muss jeder schauen, was er beisteuern kann.

Auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt in die Nesseln setze: Bei Deinem ersten Album fand ich damals die Demos besser als das fertig ausproduzierte Album.
Finde ich auch. Gerhard Potuznik und ich haben damals sehr viel herumexperimentiert. Das Ergebnis war dann poppiger, als es mir persönlich lieb ist. Dieses Mal haben wir auf Produzenten-Ebene weit weniger gemacht. Das neue Album ist so wie es ist: Mehr auf den Punkt, weniger poppig. Für mich aber immer noch poppig genug. Was die Produktion anbelangt, schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Einerseits habe ich ein Faible für kurze, prägnante Pop-Aussagen, aber andererseits bin ich extremer Fan der Avantgarde und allem Progressiven.

Wie sieht es mit der Single-Auskoppelung aus?
Das von fm4 gepushte “Truth” war für mich anfangs unverständlich, da es weit weniger “Zeebee” als zum Beispiel “Tender” ist. Von den verschiedenen Radiostationen werden derzeit ganz unterschiedliche Tracks gespielt. Das liegt wohl daran, dass, wenn du keine dezidierte Single-Auskoppelung hast, sich die Radio-Stationen herzlich wenig darum kümmern, was schon am laufen ist und ankommt.

Schaut denn etwa eine deutsche Radiostation nicht von Haus aus darauf, was in Österreich schon funktioniert und umgekehrt?
Nicht unbedingt. Im Deutschlandfunk – vielleicht am ehesten vergleichbar mit Ö1 – läuft derzeit etwa “Sweetness”, eine hochdramatische Nummer mit verzerrter Gitarre und hohem Gesang. “Sweetness” ist sehr impulsiv und meine persönliche Lieblingsnummer des Albums. Das dieses Stück gewählt wurde, liegt wohl auch an einer ganz spezifischen Herangehensweise innerhalb der Musikredaktion.

Du bist eine jener MusikerInnen, die sehr früh mit dem Internet gearbeitet haben. Sei es, um Tracks zum bearbeiten zu verschicken. Oder sei es, um die eigenen Aufnahmen letztlich über Internet zu vertreiben.
Ich habe mit dem Internet als Verbreitungs-Tool durchwegs gute Erfahrungen gemacht. Erst neulich habe ich eine Abrechnung von Petrol Records bekommen. Da war ich einmal mit einem Track drauf und war echt überrascht, wie viel da unverhofft noch kam. Das bringts wirklich. Heute ist der Internet-Vertrieb neben dem regulären Verkauf eine absolute Notwendigkeit, vor allem was den weltweiten Absatz anbelangt. Es dauert halt immer eine Weile, bis man einen entsprechenden Vertriebspartner gefunden hat.

Du arbeitest hauptberuflich als Werbetexterin. Gibt’s den Punkt, an dem man sagen kann: “So, jetzt muss ich’s riskieren, nur noch Musik zu machen”?
Nein, diesen Punkt gibt es nicht, das ist ein Irrglaube. Eigentlich mach ich ja eh schon an die 40 Stunden Musik in der Woche, aber leben muss man halt auch von etwas. Mein Tag besteht aus zehn Stunden Arbeit: Sechs Stunden Schreiben und vier Stunden Musik. Wenn ich sagen würde, so a jetzt mach ich nur noch Musik, könnte ich mir ehrlich gesagt auch gleich ein Straßenmusikkonzept überlegen.

Wird sich die Musik mal rechnen. Was meinst Du?
Schwer zu sagen. Das funktioniert nur dann, wenn europaweit oder weltweit entsprechendes Interesse da ist. Für mich gab es immer nur einen Weg der kleinen Schritte. Du musst Geduld haben können, die ganzen Leute rund um dich herum sind ja – außer du machst alles allein – nicht nur für dich da, sondern betreuen außer dir auch andere Projekte.

Beruht die Chance, dass es sich einmal ausgeht, auch auf Zufall?
Ja, auf jeden Fall.

Bei Deinem aktuellen Album ist mir aufgefallen, dass plötzlich deutlich mehr Promo-Arbeit geleistet wurde als bei Deinem Debut. Schlägt man etwa das deutsche Intro auf, findet man dort eine überdurchschnittlich große Ankündigung, was bei österreichischen MusikerInnen alles andere als selbstverständlich ist. Woran liegt das?
Das liegt ganz einfach daran, dass sich der Gerhard Potuznik (Betreiber des Labels Angelika Köhlermann, Anm.) mit dem Walter Gröbchen (Betreiber von monkey music, Anm.) zusammen getan hat. Walter hat für eine erheblich größere Streuwirkung gesorgt. Aber abgesehen davon wurde “Chemistry” (Zeebees 1. Album, Anm.) auch schon in der Spex besprochen.

Nutzt die Review alleine etwas?
Nicht wirklich. Von den Freaks, die sich jede kleine Review durchlesen, gibt es, glaube ich, nur wenige. Ein wirklicher Nutzen stellt sich erst dann ein, wenn du zusätzlich noch eine redaktionelle Seite bekommst. Da fängt es an interessant zu werden.

Du lebst in Dornbirn. Ist Vorarlberg ein Hinderungsgrund, um karrieremäßig durchzustarten?
Für mich nicht. In Wien würde ich wahrscheinlich verrückt werden. Hier gibt es viel mehr Druck als in Vorarlberg. Und zwar von allen Seiten. Die Szene gleicht einem Druckkochtopf. Ihr seid hier alle einem irrsinnigen Konkurrenzkampf unterworfen. Natürlich geht deshalb auch sehr viel weiter, aber ich könnte so nicht arbeiten.

Zurück zur Review: Ärgern Negativ-Rezensionen?
Die meisten Musikkritiker haben einen ganz persönlichen Geschmack. Wenn man sich mit seiner Musik außerhalb dieses Geschmacks bewegt, kann das eigentlich nicht ärgern. Das Pech ist aber, als Musiker in einem Land zu leben, in dem die Medien-Vielfalt nicht so groß ist, dass eine solche einzelne negative Kritik egal sein könnte. Was ich sagen will ist: Man darf die Definitionsmacht der Medien nicht unterschätzen. In meinem Fall war die Reaktion der Leute auf die negative Kritik in einer österreichischen Tageszeitung sehr merkwürdig. Viele wirkten verunsichert, trauten sich nicht recht, darauf zu reagieren. Man merkte: Es liegt was in der Luft, aber niemand will darüber sprechen. Irgendwie wirkte das sehr unangenehm auf mich. Viele können mich auch schwer einordnen -ein Umstand, den ich im Großen und Ganzen aber als Vorteil empfinde. Beim ersten Album war das eine Gratwanderung, jetzt ist es klarer.

Wie kann man Publikum und Kritik gleichermaßen begeistern?
Zwingen kann man niemanden. Über mangelnde Begeisterung kann ich mich ja auch gar nicht beschweren. Früher, als ich noch Gratis-Downloads anbot, hatte ich manchmal bis zu 500 Downloads pro Tag zu verzeichnen. Seit ich mit dem neuen Album nur noch Streams anbiete, verbringen die Besucher meiner Site oft Stunden damit, sich die neuen Tracks anzuhören. Aber man muss sie halt auch verkaufen.

Wie wenig mit dem ersten Album passierte, hat mich persönlich erstaunt.
Mich auch, zumal die Erstauflage von 1.500 Stück gleich einmal weg war. Eine Neuauflage hat es aber dann nie gegeben. Ich bin selber oft ratlos wie es runder laufen könnte. Ich habe mir auch nicht nur einmal überlegt ganz aufzuhören. Aber letztlich macht man dann eh weiter. Irgendwann kommt immer ein Lichtblick und dann taucht man durch. Wie neulich, als ich im Saturn die Neuerscheinungen abgeschritten bin. Bei Zeebee war der ganze Stapel schon weg.

Zeebee alias Eva Engel lebt in Dornbirn. Das bereits auf monkeymusic erschienene “Priorities” – bereits auf monkeymusic erschienen – ist ihr zweites volles Album. Nebenbei ist sie als Werbetexterin tätig – ein Beruf, der allerdings, wie sie selbst sagt, mehr und mehr von der Musik verdrängt wird.

Zitat: “Wenn ich ab jetzt nur noch Musik machen würde, könnte ich mir ehrlich gesagt gleich ein Straßenmusikkonzept überlegen.”

http://zeebeemusic.tumblr.com/