„Ein Dschungel, durch den ich Slalom fahre” – PAROV STELAR im mica-Interview

MARCUS FÜREDER alias PAROV STELAR ist der King of Electroswing. Mit seinen Live-Shows füllt er Stadien, seine Songs werden hunderte Millionen Male gestreamt. Er hat sieben Amadeus Awards zu Hause stehen und mit LANA DEL REY und LADY GAGA gearbeitet. Sein neues Album heißt „Moonlight Love Affair” (Etage Noir; VÖ: 29.04.). Zum Start der dafür geplanten Welttournee sprach er mit Markus Deisenberger über goldene Einhörner, Sampling, und den Schatten, der dich verfolgt, egal wie erfolgreich du bist.

Ich bin ein aufmerksamer Leser von Pressetexten. In dem zu Deinem aktuellen Album „Moonlight Love Affair” ist von radikaler Ehrlichkeit und Offenheit die Rede. Wieso diese Betonung und was verstehst Du in Zusammenhang mit Deiner Musik darunter?

Marcus Füreder: Wenn du mit einer Sache erfolgreich warst, musst du dir irgendwann die Frage stellen, inwieweit du die Nachfolgesachen produzierst, weil du genau weißt, was funktioniert. Aber vielleicht willst du ja gerade etwas anderes machen? Diese Art von Ehrlichkeit ist mir wichtig. Deshalb lehne mich aus dem Fenster und befriedige vielleicht manche Hardcore-Fans nicht unbedingt mit dem, was ich mache. Aber es ist das, was gerade rauskommt.

Das heißt, du könntest, wenn du wolltest, auch einfach in Endlosschleife weiter Electro-Swing machen.

Marcus Füreder: [lacht] Ja, bis 2098.

Die Nummern des Albums sind sehr unterschiedlich. Da ist schon auch Electro-Swing zu hören, aber auch Soul, Pop und Hip Hop.

Marcus Füreder: Im Grunde genommen ist mein Produktionsverhalten so wie mein Hörverhalten. Ich höre auch nicht immer nur eine Richtung. Vor kurzem bin ich extrem auf Klassik reingekippt. Wenn mir opulente Streicher taugen, dann muss ich das machen, also gehe ich in die Richtung. Dann wieder bin ich auf dem Berlin-Trip und fühle mich vom Hypnotischen des Minimal-Techno angezogen, und so ist es beim Produzieren auch. Ich hasse es, wenn man immer nur das eine machen darf.

Man will sich einerseits selbst treu bleiben, andererseits soll eine Entwicklung stattfinden, für die man am Rad drehen muss. Wie funktioniert das?

Marcus Füreder: Sich treu bleiben heißt, sich weiterzuentwickeln. Treu bleiben kannst du dir nur, wenn du dir den Raum für Weiterentwicklung gönnst und dich nicht abhängig machst, indem du genau das machst, was die anderen von dir erwarten. Die einzige Treue, die man als Künstler*in hat, ist: Haken schlagen. Wie fangen die Jäger ihre Beute? Indem sie ihre Gewohnheiten kennen. Am gewohnten Ort stellen sie die Fallen auf, und in die möchte ich nicht reinpatschen. Natürlich ist das gefährlich, weil es nicht jeder akzeptieren wird. Es kann aber auch sein, dass sich so etwas ganz Neues für dich erschließt. Was kann ich im Electro Swing noch groß beweisen? Ich habe das Genre mehr oder weniger erfunden und groß gemacht. Muss ich da jetzt immer nur in diesem Revier wildern? Ich habe doch da drüben ein goldenes Einhorn gesehen…

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Eine Nummer auf dem Album heißt „AKH Odessa“. In Zeiten, in denen in der Ukraine der Krieg tobt, muss man nachfragen, was es damit auf sich hat.

Marcus Füreder: Wir haben im Sommer in Odessa gespielt, hatten einen tollen, großen Auftritt. Gute Erinnerungen. Zwei Wochen später haben wir in Moskau gespielt. Auch daran habe ich gute Erinnerungen. Die Geschichte entstand lange vorher, weil wir mit dem Georgi von Russkaja quatschten, und er mir erzählte, dass es da ein altes Volkslied gibt, das „AKH Odessa“ heißt und eine Hommage an die Stadt Odessa ist. Er hat mir den Track geschickt, weil er das mit einer anderen Band, dem Russian Gentleman´s Club performt hat. Ich fand das großartig und versuchte, daraus eine Version zu bauen, die DJ- bzw. clubtauglich ist. Der Track war letzten Sommer schon fertig, das heißt, ich habe ihn in Odessa schon performt und auch zwei Wochen später in Moskau, was derzeit, in der aktuellen Lage schon etwas grotesk anmutet. Es war klar, dass der Titel aufs Album kommt, und er war auch einer der ersten, die eingetütet waren fürs Album. Genau zum Termin, als es rauskam, waren wir leider plötzlich in einer völlig anderen Situation, die wir gut kennen.

Aber auch wenn der Krieg schon vorher ausgebrochen wäre, hättest du das Stück auf dem Album gelassen, oder?

Marcus Füreder: Ich hätte den Song definitiv oben gelassen, ja. 

Du hörst kaum noch ein ganzes Album durch, hast Du in einem Interview mal gesagt. Wieso dann überhaupt noch eines? Du könntest doch ebenso nur Singles auf den Markt werfen. Ging es Dir darum, das Format, das in der Zeit, aus der wir beide kommen, eine enorme Wichtigkeit hatte, hochzuhalten?

Marcus Füreder: Nein. Ich glaube auch nicht, dass es immer ein Album sein muss. Aber in dem Fall war es für mich wie ein Buch, wo ich das Gefühl hatte, die Songs stehen in Relation zueinander, und deshalb wollte ich sie nicht auseinanderreißen. Die ausgewählten Songs hatten irgendwann eine logische Reihenfolge, und da dachte ich: Da macht jetzt ein Album Sinn. Die Reihenfolge ist mir enorm wichtig, wie bei einem DJ-Set. Wenn du dir schon dir Mühe machst und ein Album in einem durch anhörst, ohne immer gleich weiter zu skippen, muss das funktionieren. Die einzelnen Nummern müssen zueinander in einer Beziehung treten. Deshalb haben wir das bei Spotify auch noch sechs, sieben Mal geändert. Die sind schon durchgedreht mit uns.

Das heißt, es fällt Dir schwer, Dich am Ende festzulegen und das Baby in die freie Wildbahn zu lassen?

Marcus Füreder: Ich bin der, der dann, wenn alles fertig ist, noch sechs Änderungen hat und dies und das noch reinreklamiert. Das ist auch das, was ich an Deadlines so hasse. Die Kunst ist ständig in Entwicklung und irgendwann musst du dann aber doch entscheiden: So, jetzt ist es fertig. Das tut mir immer weh.

Würdest Du Dich als Perfektionisten bezeichnen?

Marcus Füreder: Dafür bin ich viel zu schlampig. Höchstens in dem Sinne, dass die Energie zu 100 Prozent passen muss. Es können ruhig Fehler drin sein, aber die Energie muss passen. An dem arbeite ich lange und intensiv.

In der Coronazeit hast Du Dich zunächst ganz aufs Malen konzentriert. Wieso dann doch ein Album? Was war die Motivation?

Marcus Füreder: Die Musik war nie ganz weg. Musik und Malen sind für mich wie siamesische Zwillinge. Sobald du sie trennst, sterben wahrscheinlich beide. Ich gehe zwischen Atelier und Studio hin und her. Die sind beide nebeneinander und wenn ich einen Song schreibe, male ich gleichzeitig schon wieder ein Bild. Das befruchtet sich gegenseitig auf großartige Weise.

Selbstportrait Parov Stelar
Selbstporträt Parov Stelar

Welchen Stellenwert nimmt das Malen bei Dir ein?

Marcus Füreder: Ich kann das nicht messen. Die Malerei war lange vor der Musik. Ich habe ja Kunst studiert und eigentlich meine Musikkarriere mit der Malerei finanziert. Mit dem Geld der verkauften Bilder habe ich mir die Freiheit geschaffen, Musik zu machen. Dann wurde die Musik irgendwann viel, viel größer als die Malerei, die aber nie aufgehört hat. Ich habe mir immer wieder Auszeiten von der Musik genommen, um zu malen. Die Malerei ist mir so wichtig, dass ich sie nie ganz gelassen hab. Das konnte ich nicht. Und ich kenne auch den Musikmarkt, weiß, wie schnelllebig das Business ist.

Manchmal frustriert einen ja die eigene Kunst, weil nichts weitergeht. Kannst du dann von einer zur anderen switchen, die Niederlage auf einem Sektor durch Gelingen im anderen wettmachen?

Marcus Füreder: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Kreativflaute in beiden Teilen greift. Das heißt, es hat bei mir noch nie funktioniert, dass ich bei Flaute in der Musik in die Malerei wechseln konnte oder umgekehrt. Das funktioniert leider nicht.

Cover Moonlight Love Affair
Cover “Moonlight Love Affair”

Das Album-Cover kommt auch dieses Mal von Dir. Wieso ist Dir das wichtig?

Marcus Füreder:Weil es zum Gesamtkonzept passt. Parov Stelar war nie nur Hören. Das war immer Sehen und Hören. Mit der Musik allein kann ich gar nicht alles ausdrücken, was ich ausdrücken will. Das ist wie ein Familiending.

Das Cover erinnert vom Stil her und durch die Augenbinden ein bisschen an Helnwein. ist es als liebevolles Zitat gemeint?

Marcus Füreder: Eigentlich nicht, ich wurde erst im Nachhinein damit konfrontiert. Ich bin aber Helnwein-Fan, habe selber drei Bilder von ihm. Und du hast Recht: Mit der Bandage ist es eigentlich offensichtlich. Ich habe aber im Moment des Entstehens nicht an ihn und seine Kunst gedacht. Was aber natürlich noch lange nicht heißt, dass man nicht davon beeinflusst worden wäre. Auch der Helnwein wurde ja ohne es zu wissen von den Wiener Aktionisten, von Schwarzkogler und Brus, beeinflusst.

Nichts entsteht im Vakuum.

Marcus Füreder: Genau. Helnwein wusste damals gar nicht, dass es die Aktionisten gibt. Wir alle sind Produkte dessen, was wir sehen. Mir ging es gar nicht so sehr um die Bandagierung, sondern um die Ausblendung des Gesichtes und damit der Identität. Aber es gibt natürlich auch Schlimmeres als mit Helnwein verglichen zu werden.

Was mich zum Sampling bringt. Du lebst vom Sampling, vom Zitieren bestimmter Klangfarben, die sich anderweitig nicht reproduzieren ließen. Du hast sicher schon sehr mühsame Erlebnisse gehabt, wenn du die Rechte solcher Schnipsel klären musstest.

Marcus Füreder: Prinzipiell kenne ich da alle Facetten, ja. Du willst ein kurzes Schnipsel des Songs einer relativ unbekannten Band clearen und es wird zum Staatsakt. Umgekehrt habe ich ein Marvin Gaye-komplett-Vocal-Sample angefragt, wo mir jeder im Vorhinein sagte: „Vergiss es, das wird sowieso nichts.“ Und die Erben haben gemeint, ihnen gefalle der Umgang und sie haben es sogar 50:50 mit mir gesplittet. Die meinten: „Wir fühlen, dass du das nicht aus kommerziellen Zwecken tust, sondern du hast dir echt etwas überlegt.“ Somit war alles locker. Großartig.
Etwas Ähnliches hatten wir jetzt mit „Remember (Walking in the Sand)”, das ein Sample von den Shangri-Las beinhaltet, das sie noch nie zuvor freigegeben haben.

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Es gibt ja unterschiedliche Sichtweisen. Die einen erachten Sampling als unzulässigen Eingriff in die Identität ihres Werkes, wie man anhand eines jahrelangen Prozesses, den die Band Kraftwerk gegen Moses Pelham führte, nachvollziehen konnte, die anderen als Respektsbekundung, durch die man sich geehrt fühlen kann. Wo stehst Du?

Marcus Füreder: Ich habe nie den Anspruch gehabt, meine Musik müsse als Fingerprint da und dort passen. Mir geht es um den Prozess, und man darf sich selber nicht so wichtig nehmen. Was ich bei Kraftwerk gesehen habe: Wenn du deine eigene Arbeit in einen heiligen Schrein reinstellst, da unterstelle ich, dass da ein schwaches Ego dahintersteht. Aber man kennt die Vorgeschichte nicht.

Wird umgekehrt viel von Deinem Material verwendet?

Marcus Füreder: Und ob. Was es da alles gibt: Von Karaoke bis TikTok. Es gibt so viel Geklautes, und es ist, finde ich, so lange wurscht, bis jemand wirklich viel Geld damit verdient, etwas offensichtliche Gestohlenes zu vermarkten. Dann fände ich es halt besser, das Geld wird gespendet. Aber im Grunde genommen ist selbst das eine Leistung. Wenn jemand klaut und was draus macht. Nimm ein ABBA-Sample und mach was draus. Das ist ja alles andere als aufgelegt.

Was würdest Du dir wünschen, damit Deine Arbeit leichter wird? Einen One-Stop-Shop, wie es einmal mal vollmundig angekündigt wurde?

Marcus Füreder: So lange Anwälte und große Musiklabels, die an andere Konzerne gekoppelt sind, die gar nichts mit Musik zu tun haben, sondern einfach profitorientiert sind, am Werke sind, wirst du das nie verändern können. Ich glaube, die Anfragen kommen oft gar nicht zu den Künstler*innen durch, sondern bleiben vorher in Anwaltsstrukturen oder an juristischen Personen hängen.

Oder werden ignoriert.

Marcus Füreder: Die Amerikaner haben das perfektioniert, weil sie auf den ersten Blick erkennen, wie viel Arbeit das ist und was es einbringen kann. Fair enough. Inzwischen denke ich, das sind Prüfungen für jede*n Künstler*in, wo sich herausstellt, ob man das Durchhaltevermögen hat, diese Hürden zu überwinden. Irgendwann nämlich geht dann wieder eine Tür auf. Das siebt aus zwischen denen die erfolgreich sein wollen wegen des Erfolgs und denen, die es machen, weil der Weg, der dorthin führt, einfach lässig ist.

Wie wichtig ist Dir Unabhängigkeit? Du hast Dein eigenes Label, aber musst doch auch mit der großen Industrie paktieren.

Bild Parov Stelar
Parov Stelar (c) Jan Kohlrusch

Marcus Füreder:Die Schwierigkeit ist, dass sich das ständig ändert. Ich kann mich erinnern, dass wir, als wir anfingen, durch das Internet plötzlich total frei waren. Das war großartig. Irgendwann brauchte jeder eine Site, da gab es dann Myspace, das hat uns allen geholfen. Das nächste große Ding war Facebook. Auf Facebook ist es anfangs wirklich gut gelaufen für uns. Plötzlich hatte ich eine Million Follower und die hab´ ich auch erreicht mit meinem Post. Aber dann ging Facebook an die Börse, und plötzlich hat du niemanden mehr erreicht, weil sie Werbung schalteten. Also musste man ausweichen. Es ist ein ständiger Dschungel, durch den ich, weil ich nicht in der Lage bin, mich irgendwo mit viel Geld einzukaufen, Slalom fahren muss. Die Frage, die man immer wieder aufs Neue beantworten muss, ist: Wie kommen wir durch und wie bringen wir die Informationen an unsere Leute.

Unabhängig sind wir alle nicht. Unabhängig ist niemand. Man muss schon mit Amazon und Spotify seine Deals schließen. Das sind aber auch nicht die Bösen, obwohl es bedenkliche Strömungen gibt. Aber es gibt auch gute Sachen. Grundsätzlich bietet das Netz 2.0 nicht mehr die Freiheit, die es einmal vor, sagen wir mal, zehn Jahren geboten hat. Der Unterschied von uns Indies zur großen Industrie ist: Wir als Indies können uns das ideologische Gedankentum leisten. Ein börsennotiertes Unternehmen interessiert Moral nur, wenn sie z.B. “Fair Trade” draufschreiben können. Dann passt es vielleicht, sonst braucht es Zahlen. Das ist unser Vorteil. So lange wir davon leben können, können wir uns das Denken leisten.

Trotzdem gibt es irgendwelche Ziele, oder?

Marcus Füreder: Klar. Wir sind sogar schwerstambitioniert, aber eben nicht zu jedem Preis. Das ist die Freiheit. Ich kann mir meine Ziele aussuchen, aber es geht auch nicht die Welt unter, wenn ich sie nicht erreiche. Ich muss mich nicht wie eine Nutte durchschwindeln und alles annehmen, was mir hergelegt wird. Im Vordergrund stehen unsere Einstellung und unsere Arbeit.

Wie hast Du die Corona-Zeit empfunden? Als mühsam, weil von den Live-Auftritten abgeschnitten oder als willkommene Pause?

Marcus Füreder: Sowohl als auch. Zum einen habe ich mir immer eine Auszeit, auch vom Live-Geschäft, gewünscht. Als es dann zwangsweise so weit war, hat es sich ein bisschen so angefühlt, wie es Harald Juhnke mal so schön formulierte: Seine Definition von Glück sei, hat er gesagt, leicht einen sitzen zu haben und keine Termine. Ein bisschen so hat es sich angefühlt. Mit dem Unterschied, dass niemand wusste, wie lange das dauert. Wenn es geheißen hätte, wir machen jetzt alle ein Jahr lang Pause und danach ist alles wieder normal, wäre das etwas anderes gewesen. Aber ich habe die Zeit genutzt, um zu malen wie ein Wahnsinniger, habe Musik gemacht und mir gedacht: Das wird schon wieder.

Ganz ist es aber immer noch nicht geworden, oder?

Marcus Füreder: Überhaupt nicht. Es ist verrückter denn je. Das Konzert, das wir morgen spielen, haben wir drei Mal verschoben. Ich möchte mich auf diesem Weg bei den Leuten bedanken. Das muss man erst einmal mitmachen.

Was bedeutet Erfolg für Dich?

Marcus Füreder: Im Endeffekt ist das ein inneres Gefühl der Zufriedenheit. Eine Situation so zu anzunehmen, wie sie ist. Auch ein Misserfolg kann insofern ein Erfolg sein. Ich habe in Frankreich vor hunderttausend Leuten gespielt. Gemeinhin bedeutet das Erfolg. Das Erstaunliche aber ist: Du gehst happy von der Bühne, aber an nächsten Tag fühlst du dich trotzdem nicht anders. Diese gewisse Leere, der Schatten, der dich verfolgt, ist immer noch da, weshalb viele da draußen einen Erlöser suchen. Das kriegst du nicht weg. Eigentlich ist Erfolg deshalb, wenn du es schaffst, in der Früh aufzustehen und zu merken: Es geht dir gut! Du trinkst deinen Kaffee und denkst dir: Es ist okay! Es passt! Das ist ein Riesenerfolg.

Das erinnert mich an Johnny Cash, der einmal danach gefragt, was Glück für ihn bedeutet, gesagt haben soll: „This morning. Coffee. With her.”

Marcus Füreder: Genau das ist es.

Der beste Live-Moment ist demnach auch nicht, vor Hunderttausenden zu spielen, sondern?

Marcus Füreder: Da müsste ich jetzt lügen, wenn ich Dir sage, dass mir zwanzig aufmerksame Kunstsinnige lieber sind als Hunderttausend, die die Welle machen. Man kann das nicht vergleichen. Ich möchte beides haben. In jeder Beziehung. Ich kann mich erinnern, als ich mir damals “Buffalo 66” in einem Indie-Kino mit vier anderen Hansln angeschaut habe und ein paar Tage später “Terminator II” mit hunderten anderen. Insofern: Zweitausend sind super, zwanzigtausend auch. Zwanzig sind aber auch okay, wenn es die richtigen sind.

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Du hast mit Lana del Rey und Lady Gaga gearbeitet. Gibt es da Anekdoten oder war es ein antiseptischer Vorgang des bloßen Hin- und Herschickens?

Marcus Füreder: Gar nicht. Mit Lanas Manager bin ich befreundet. Der war auch einige Male bei mir in Valldemossa. Der Remix für Lady Gaga aber war sehr schwierig für mich: Die beiden – Tony Bennet und sie – hatten da sichtlich Spaß im Studio und fingen deshalb bei 90 bpm an und hörten ungefähr bei 140 auf. Wie soll man da einen Club-Mix draus machen? Deshalb habe ich erst mal abgesagt. Dann haben sie mich aber bekniet und ich habe mich, obwohl überarbeitet und ausgebrannt von einer Tour, noch mal reingehauen, weil ich sie als Künstlerin einfach unheimlich schätze. Es war sehr, sehr schwer, aber ich glaube, es hat sich ausgezahlt.

Was machst Du, wenn du die Batterien aufladen musst?

Marcus Füreder: Wing Tsun. Das ist fernöstliche Kampfkunst. Sehr körperlich. Da kann ich alles ausblenden. Wenn ich nicht bei der Sache bin, krieg ich eine rein. Lernen durch Leiden.

Was war Dein bester Gig aller Zeiten?

Marcus Füreder: Das werde ich immer wieder gefragt und sage jedes Mal etwas anderes. Wenn ich drüber nachdenke, habe ich irgendwie das Gefühl, dass alles zusammen einer ist, der noch nicht aufgehört hat.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger

Parov Stelar (* 1974 in Linz als Marcus Füreder) ist ein österreichischer DJ und Musikproduzent. Er gilt als einer der Pioniere des Electroswing. Darüber hinaus ist er bildender Künstler und Designer. Mit seiner Frau Lilja Bloom etwa betreibt er das Designlabel Stelarbloom. Im Sommer 2021 präsentierte das Museum Francisco Carolinum 25 seiner großformatigen Gemälde. Er lebt auf dem Land in Mallorca.

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