Das GROSSMÜTTERCHEN HATZ SALON ORKESTAR (Franziska Hatz, Richie Winkler, Simon Schellnegger, Julian Pieber) feiert diesen Monat sein fünfjähriges Bestehen. Nach „Gallato“ (2011) erschien Ende 2014 das neue Album „Terry Goes Around“. Clara Schmidl sprach mit FRANZISKA HATZ über die neue CD, Musikförderung in Österreich und das Genre Weltmusik.
Wer ist Terry?
Franziska Hatz: Terry ist eine fiktive Figur, die in der Welt herumstreift, lustige Nummern oder Rhythmen sammelt und diese dann wiedergibt.
Nach „Gallato“ haben Sie einmal in einem Interview gesagt, dass Sie zu 50 % Traditionals und zu 50 % New Traditionals machen. Und heute?
Franziska Hatz: Das Verhältnis hat sich auf jeden Fall geändert: Auf der zweiten CD sind nur noch zwei Traditionals: der „Krisenklezmer“ und „Unser Toirele“. Die anderen Stücke sind Eigenkompositionen – allerdings mehrheitlich in Anlehnung an Rhythmen oder Elemente aus verschiedenen Erdteilen. Wir sind also bei den New Traditionals geblieben. Auf der zweiten CD sind sie vielleicht sogar jazziger!
Richie Winkler hat Balkan- und Klezmermusik einmal als „Soulmusik von Völkern am Rande“ bezeichnet. Was sind Ihre Anknüpfungspunkte?
Franziska Hatz: Richie ist eigentlich der Grund, warum wir überhaupt mit dieser Art von Musik angefangen haben. Er hat vorher in vielen bekannten Balkan- und Klezmerensembles wie dem Sandy Lopicic Orkestar und dem Bucovina Club Orkestar gespielt. Als er dann einmal die Klezmatics gehört hat, war er von dieser Musik so tief berührt, dass er sich gedacht hat: „Wenn man sich Österreichs Geschichte anschaut, ist uns diese Musik regelrecht entrissen worden.“
Zum anderen bin ich in der südsteirischen Grenzregion aufgewachsen, 200 Meter neben der slowenischen Grenze. Als ich klein war, hat man eher noch einen slowenischen Sender reinbekommen als einen österreichischen. Dort ist dann jugoslawische Volksmusik gelaufen. Außerdem sind viele Freundinnen und Freunde der Familie von „über der Grenze“. Und mit meinem Vater bin ich wiederholt kommunistische Agrarzusammenschlüsse „im Osten“ besuchen gefahren. Dort hat’s am Abend Essen und Livemusik gegeben. Diese Musik war für mich immer präsent, faszinierend und alles andere als fremd – und mir oft näher als volkstümlicher Schlager.
„Unsere Musik kann als Gegenpol zu aktuellen ausgrenzenden Tendenzen gesehen werden.“
In „Que Sociedade“ geht es um Visionen für eine bessere Welt. Wie wichtig sind gesellschaftliche Fragen für Ihr Musikschaffen?
Franziska Hatz: Es ist nicht unser primäres Ziel, eine politische Botschaft zu artikulieren. Ich glaube allerdings, dass wir sie implizit transportieren: Unsere Musik kann als Gegenpol zu aktuellen ausgrenzenden Tendenzen gesehen werden. Wir lassen es uns auch immer offen, Musikerinnen und Musiker verschiedenster Nationen einzuladen, mit uns zu musizieren.
Wie schon auf „Gallato“ wird auch auf „Terry Goes Around“ in verschiedenen Sprachen gesungen. Welche Rolle spielt der Text in Ihrer Musik?
Franziska Hatz: Begonnen haben wir mit instrumentaler Musik. Auf „Terry Goes Around“ ist schon die Hälfte der zehn Stücke mit Gesang. Ich mag ironisch-skurrile Texte sehr gern, Lautmalereien wie auf „Jodüdeh“ (einem unserer Jodler), aber genauso Texte, die die Zuhörerinnen und Zuhörer ein wenig fordern. Was ich auf keinen Fall möchte, ist, mich auf eine einzige Sprache wie zum Beispiel Englisch festzulegen, denn das würde auch gar nicht zu uns passen. Ebenso wie die Musik offen bleibt, möchte ich auch in der Wahl der Sprache offen bleiben.
Wie erarbeiten Sie Ihre Lieder?
Franziska Hatz: Bei uns ist fast alles komponiert, arrangiert, ja richtig ausnotiert. Das meiste komponiert Richie Winkler. Der Kopf der Truppe sind wir beide und wir funktionieren gut miteinander. Oft gebe ich Anregungen, er macht einen Vorschlag, wir probieren es aus. Dann sehen wir auch schon, was funktioniert und was nicht – sowohl zu zweit als auch mit Simon und Julian, die sich ebenfalls einbringen. Schussendlich gibt es zu allen Stücken wirklich gutes Notenmaterial. Der Grund? Wir sind alle auch in anderen Gruppen, da kann viel Probenzeit mit der Diskussion draufgehn, ob man’s so oder so gespielt hat. Das würde mich wahnsinnig machen!
„Die Unterschiedlichkeit sorgt für Abwechslung.“
Die Musik von GMHO hat jazzige, folkloristische, poppige und Ska-Elemente – worin liegt der Reiz dieser Kombination?
Franziska Hatz: Als Musikliebhaberin und Konzertbesucherin finde ich es gut, wenn eine Band ihren charakteristischen Sound hat. Ich empfinde es gleichzeitig als sehr fad, wenn eine Band einen Konzertabend lang dasselbe macht. Wir verfolgen mit unserem Sound zwar immer einen gewissen Stil – aber die Unterschiedlichkeit sorgt für Abwechslung!
Wie ist denn die Wahl auf Eiffelbaum Records gefallen – ein österreichisches Label, das auf Dialektmusik spezialisiert ist?
Franziska Hatz: Es war eine Empfehlung. Und Christian Wagner hat uns das netteste Angebot gemacht. Ich setze in einer Zusammenarbeit auf Professionalität, viel stärker mittlerweile aber auch auf mein Bauchgefühl: Das war total in Ordnung. Und Eiffelbaum, find ich, klingt a bissl jiddisch – da hab i ma docht, dass des ned schlecht klingt. Und nach dem ersten Album hat Wagner in einem Interview gemeint, Großmütterchen Hatz sei sein bestes Pferd im Stall!
„Die Musikförderung allein macht das Kraut nicht fett.“
„Terry Goes Around“ wurde vom Österreichischen Musikfonds gefördert. Was könnte das Leben von Musikerinnen und Musikern in Österreich einfacher machen?
Franziska Hatz: Die Musikförderung allein macht das Kraut nicht fett, wenn österreichische Musikerinnen und Musiker nirgends in den Medien vertreten sind. Das GHO hat da Glück, weil wir schon auf verschiedenen Radiosendern gespielt worden sind.
Eine Quotenregelung, die festlegt, dass österreichische Musik in jedem öffentlich-rechtlichen Sender gespielt werden muss, würde der Musikszene wesentlich weiterhelfen: in den Bundesländern, auf Ö1, Ö3 – zack, prack! Und nicht immer nur dieses gleichgebügelte Gewäsch. Es hat ja eine doppelte Wirkung: nicht nur, dass wir nicht bekannt sind, sondern die Leute gewöhnen sich auch an hochstilisiert produzierte Musik. In anderen Ländern drehst du das Radio auf und es kommt die Musik von diesem Land. Nur in Österreich passiert das nicht!
Auf keinen Fall dürfte die Künstlerbesteuerung von zehn auf 20 Prozent angehoben werden. Die meisten Musikerinnen und Musiker in Österreich arbeiten sowieso am oder unterm Existenzminimum. Super wäre außerdem, wenn die Künstler-Sozialversicherung noch mehr ausgebaut werden würde.
Richie Winkler hat Graz einmal als Ursprung der World-Music-Szene in Österreich bezeichnet. Wie lebt sich’s da in Wien?
Franziska Hatz: In Wien gibt‘s eine sehr umtriebige Szene mit vielen super Sachen! Wobei ich zu World Music auch das neue Wienerlied zähle. Noch etwas unterrepräsentiert ist die neue österreichische Volksmusik, da gibt’s nur wenige Gruppen (Alma, Federspiel), die diese Musiktradition aufgreifen und „verwurschteln“.
Sie werden oft dem Genre „World Music“ zugeordnet.
Franziska Hatz: Genau!
Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben, wenn es diese Bezeichnung nicht gäbe?
Franziska Hatz: Berührende, tanzbare, eigenständige Musik … und trotzdem nicht beliebig!
Eine kritische Frage: Weltmusik als Genre muss sich manchmal den Vorwurf gefallen lassen, andere musikalische Traditionen zu romantisieren, die eigene Musikproduktion mit Anleihen exotisch zu „würzen“.
Franziska Hatz: Stimmt, gonz furchtboar!
Wie stehen Sie dazu?
Franziska Hatz: Mit diesem Vorwurf kann ich wenig anfangen. Ganz im Gegenteil, für mich ist es eher so: Ich hol und zeig was her! Ich hör etwas, was total toll ist. Indem ich das dann aufgreife, nehme ich niemandem etwas weg, ich erweise dem unter Umständen sogar eine Ehre. Volksmusik hat sich immer so weiterentwickelt.
„Wir feiern mehrfach!“
Sie feiern im April Ihr fünfjähriges Bestehen. Worauf darf man sich freuen?
Franziska Hatz: Ein Konzert! Wir feiern mehrfach: am 13. April zum ersten Mal in Graz, im Rahmen des Welt- und Volksmusikfestivals Pangea. Das zweite Mal feiern wir in Wien, am 18. Juni im Theater am Spittelberg. Auf jeden Fall werden ein, zwei Gastmusiker dabei sein!
Und wie geht es weiter?
Franziska Hatz: Wir sind den ganzen Sommer über unterwegs – bis zum Jahresende sind wir heuer in fast allen Bundesländern. Wahrscheinlich spielen wir wieder am KlezMore Festival. Deutschland und die Schweiz kommen danach und 2016 spielen wir in Großbesetzung im Wiener Konzerthaus.
Ich bedanke mich für das Gespräch!
Clara Schmidl
Fotos: Gregor Buchhaus
Artwork: David Schellnegger