Die ÖSTERREICHISCHEN KULTURFOREN stellen sich vor: Botschafterin TERESA INDJEIN (Sektionsleiterin „Kultur“ im BMEIA) im mica-Interview

2001 sind aus den ÖSTERREICHISCHEN KULTURINSTITUTEN die ÖSTERREICHISCHEN KULTURFOREN hervorgegangen. Derzeit sind es 29 Kulturforen, die die Agenden der „Auslandskultur“ des  BUNDESMINISTERIUMS FÜR EUROPA, INTEGRATION UND ÄUSSERES gestalten und betreuen. Sie stellen mit ihrer Funktion und Vielzahl von Aktivitäten eine der wichtigsten Anlaufstellen für die Realisierung von Projekten heimischer Kulturschaffender im Ausland dar (u.a. Reisekostenzuschuss).

mica – music austria nimmt die mittlerweile 15 Jahre dauernde Tätigkeit der Österreichischen Kulturforen zum Anlass, diese, deren Leiterinnen und Leiter wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Porträts einzeln vorzustellen. Einleitend zur Serie gibt die Sektionsleiterin für „Kultur“ im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Botschafterin Teresa Indjein, im Interview Auskunft über die Arbeit und die Aufgaben der mittlerweile in insgesamt 27 Ländern angesiedelten Österreichischen Kulturforen und die Bereiche, in denen diese Musikschaffenden unterstützend unter die Arme greifen können. Die Fragen stellte Michael Ternai.

Worin besteht die Hauptaufgabe von Kulturforen?

Teresa Indjein: Das Konzept zur Auslandskultur-Arbeit ist bewusst offen gestaltet. Im Ausland soll es – im Bewusstsein des historisch gewachsenen Erbes – um die Vermittlung des innovativ-kreativen Österreichs gehen. Durch verstärkte kulturelle Zusammenarbeit soll die europäische Integration, innerhalb und außerhalb der EU, weiterentwickelt werden. Außerdem trägt der Dialog der Kulturen und Religionen zu Vertrauen, Ausgleich und Stabilität bei.

Inwieweit geht die Aufgabe eines österreichischen Kulturforums heute über die Funktion der reinen Repräsentation der Kulturszene des Landes hinaus?

Teresa Indjein: Im Zentrum steht heute weniger die Vermittlung der sogenannten Repräsentationskultur, auch wenn diese sehr schön und erbaulich sein kann. Vielmehr geht es um das Herstellen von internationalen Verbindungen innerhalb der Zivilgesellschaft sowie um die Gestaltung von Begegnungen für Kunst und Wissenschaft an realen Orten und das Bemühen um Austausch mit lang anhaltender Wirkung.
Kunst und Kultur sind so stark mit dem österreichischen Selbstverständnis verbunden, dass sie auch ein Weg sind, auf dem Österreich mit der Welt gut kommunizieren kann. Österreich hat darin eine hohe Glaubwürdigkeit.

Woran lässt sich die erfolgreiche Arbeit eines Kulturforums ablesen?

Teresa Indjein: Als staatliche Struktur steht die Auslandskultur im Dienst der KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen. Und die Bilanz kann sich sehen lassen: Im Jahr 2014 wurden immerhin 6.076 Veranstaltungen im Ausland durch das Netzwerk der Auslandskultur durchgeführt oder begleitet. Dies geschah an 2.725 Orten in der Welt, mit 4.644 Projektpartnern, bei denen 8.629 KünstlerInnen oder WissenschaftlerInnen zum Einsatz kamen.
Das sind die messbaren Resultate. In Zeiten großen Vertrauens auf die Darstellbarkeit von Arbeit durch Zahlen gibt es ohne Zweifel auch andere Wirkungen der österreichischen Auslandskulturarbeit, die nicht auf Zahlentabellen figurieren, und die entstehen, wenn alles zum Besten läuft: Sympathie, Freude, Gemeinschaft, Anregungen, internationale Folgeprojekte, Folgeaufträge, Karriereschritte, wichtige Begegnungen oder eben unvergessliche Momente künstlerischen Erlebens.

Was bedarf es, um diese „anderen Wirkungen“ zu erzielen? Worin liegen die Herausforderungen, um ein Kulturforum erfolgreich zu etablieren?

Teresa Indjein: Damit die Diplomatinnen und Diplomaten an ihren Dienstorten im Ausland, seien es nun die Kulturforen oder die Botschaften, darin erfolgreich sein können, bedeutet das für sie, ein Leben lang zu lernen. Sie müssen sich passende Kontakte erarbeiten, immer am Ball sein und interessante Verbindungen knüpfen. Idealerweise sollten sie auch in der Lage sein, Nähe zu schaffen mit ihrem auf die Kultur des Gastlandes abgestimmten Einfühlungsvermögen und dem Wissen um Befindlichkeiten und Zwänge. All das ist im Vorfeld gelungener interkultureller Begegnungen zu sehen, um im Austausch eine wechselseitige Bereicherung zu erfahren, draußen in der Welt. Kreative Impulse entstehen durch die Begegnung mit anderen, aber, gewusst wie.
Die Auslandskultur ist ein faszinierendes Arbeitsfeld und die Entfaltungsflächen, die sie bietet, können schier grenzenlos beflügeln. Die Träume müssen dann dennoch auf den Boden der harten Fakten gebracht werden. Der Realitätssinn fordert, beschränkten Ressourcen und Arbeitskraft möglichst gut einzusetzen und vor allem Kooperationspartner zu suchen.

Wie können Musikerinnen und Musiker an die Kulturforen herantreten?

Teresa Indjein:  Wir sehen uns als eine Servicestelle für Musikschaffende aus Österreich. Unsere Arbeit hat viele Facetten. Es gibt mehrere Wege, über die man mit uns in Kontakt treten kann. Da wäre zum einen unser Musikbüro in Wien, das von Ingrid Köhn-Dursy geleitet wird. Darüber hinaus kann man – und das empfehlen wir auch sehr oft – sich via Anruf oder Mail natürlich mit konkreten Fragen und Anliegen auch direkt an die Kulturforen wenden. Dazu sei noch erwähnt, dass sind nicht nur die Kulturforen für die Musikschaffenden da sind, sondern auch die Botschaften. Alle österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland haben einen Kulturauftrag.

In welchen Bereichen werden Musikschaffende von den Kulturforen unterstützt?

Teresa Indjein: Es gibt einige Dinge, die ein Kulturforum vermitteln und bei denen es unterstützend wirken kann. So kann eine Band, die sich im Ausland bereits einen Auftritt organisiert hat, bei einem Kulturforum um eine Unterstützung bei den Reisekosten anfragen.
Auch helfen Kulturforen sehr gerne mit ihren Netzwerken weiter. Will eine Band in einem bestimmten Land oder in einer bestimmten Stadt spielen, kann ein Kulturforum seine Kontakte nutzen und den Act eventuell für ein Festival empfehlen oder gar bei einem unterzubringen. Das hängt natürlich auch stark von der Qualität der Vernetzung des Kulturforums mit der dortigen lokalen Szene ab. Es kann aber auch vorkommen, dass ein Kulturforum selber ein Konzert veranstaltet. Es gibt Kulturforen, die ihre eigenen Veranstaltungsräume haben und selber Events organisieren. In solchen Fällen suchen sich natürlich nach österreichischen Acts, die sie einladen und dem dortigen Publikum präsentieren können.

“Für uns ist es natürlich besonders interessant, wenn die Musikerinnen und Musiker auch eine Geschichte zu erzählen haben”

Inwieweit werden auch vielversprechende Newcomerinnen und Newcomer gefördert? Oder muss sich eine Künstlerin oder ein Künstler bereits einen gewissen Namen gemacht haben, um bei Ihnen anklopfen zu können?

Teresa Indjein: Es ist wichtig, nicht nur bereits etabliertes Schaffen aus Österreich zu präsentieren, sondern auch den Nachwuchs zu fördern und neuen Talenten Auftritte auf dem internationalen Parkett oder internationale Vernetzungen zu ermöglichen. Dafür wurden eigene Förderprogramme in den verschiedenen Kunstsparten entwickelt, denn es ist ein großes Anliegen der Auslandskultur, Kunst- und Kulturschaffenden Möglichkeiten im Ausland zu erschließen. Für uns ist es natürlich besonders interessant, wenn die Musikerinnen und Musiker auch eine Geschichte zu erzählen haben. Wenn sie aufgrund ihrer Arbeit, der Zusammensetzung ihrer Band oder der Dinge, die sie musikalisch interessieren, eine Nahebeziehung zu einem bestimmten Kulturkreis haben oder etwas da ist, dass sie mit diesem einen bestimmten Land ganz speziell verbindet. Eine Geschichte eben. Und wenn eine solche Geschichte, eine solches Konzert oder eine solche Performance in Bezug zu einem Ort im Ausland steht, ist das immer sehr spannend und interessant.

Sie suchen also auch aktiv nach Musikerinnen und Musikern, Bands und Ensembles. Es ist nicht ausschließlich so, dass man auf die Kulturforen zukommen muss?

Teresa Indjein: Natürlich. Es gibt ja zum Beispiel das Empfehlungsprogramm New Sound of Austrian Music. Dieses Programm ist für uns sehr wertvoll. Und es erweist sich – wie aktuelle Zahlen unserer Evaluierung belegen – als sehr erfolgreich und hat sich bewährt. Alle zwei Jahre werden aus insgesamt fünf Genres jeweils von einer Jury fünf österreichische Acts ausgewählt, die für zwei Jahre Unterstützung für ihre Konzertreisen im Ausland erhalten. Voraussetzung ist klarerweise, dass die Acts schon eine Qualität vorweisen können. Es steht auf dem Programm ja immerhin auch das Label „Musik aus Österreich“ drauf, daher sollte von den Bands schon ein gewisser Professionalisierungsgrad erreicht sein.

Über Musik aus Österreich wird im Moment viel gesprochen. Auch im Ausland. Woran, glauben Sie, liegt das?

Teresa Indjein: Ich glaube, das hat viele Gründe. Wann und welche Kunst entsteht, hat viel mit gesellschaftlichen Prozessen zu tun, damit was „gerade los ist, in einer kreativen Gesellschaft“ und welche Kräfte aufeinander treffen. Als ich jung war, war ich sehr viel in der Musikszene unterwegs. Und es hat auch damals wirklich großartige Musikerinnen und Musiker gegeben. Nur hatte ich das persönliche  Gefühl, dass alles nicht so bunt war wie heute. Die heutige österreichische Musikszene finde ich fantastisch, immens in der Vielfalt!  Wie sich die Weltmusik mit der Neuen Musik verbindet, die vielen Crossover-Bereiche generell, was sich die Musikerinnen und Musiker trauen und welche innovativen Wege sich musikalisch gehen, wie sie in allen Genres ihre Instrumente perfekt beherrschen, finde ich umwerfend. Ich staune!

Wo werden in Zukunft die Schwerpunkte der Auslandskulturarbeit liegen? Worin werden die zukünftigen Aufgaben bestehen?

Teresa Indjein: Wichtig für die Auslandskulturarbeit wird es sein, immer wieder neue und innovative Kooperationen mit österreichischen Akteuren und Institutionen zu schaffen, um möglichst viele Kräfte zu bündeln und zur Stärkung unserer Präsenz im Ausland beizutragen. Das Arbeitsfeld umfasst eine nahezu unbegrenzte Bandbreite von Aktivitäten, von ganz pragmatischer Arbeit bis zu den feinsten Verästelungen der Kunst. Das ist für Österreich, das in der Welt stark durch seine kulturelle und historische Dimension wahrgenommen wird, von großer Bedeutung. Letztlich geht es der Auslandskultur um das Bemühen, um Verständnis, Dialog und Frieden, und um die facettenreichen Botschaften, die dabei helfen können, das Leben mit Kultur zu meistern.
Neue und sehr interessante Aspekte für die österreichische Auslandskulturarbeit werden sich, wie es sich derzeit abzeichnet, im Rahmen einer zukünftigen europäischen Kulturdiplomatie erschließen. Dabei geht es vor allem um Pläne zur stärkeren europäischen Kultur-Zusammenarbeit außerhalb der EU, im Rahmen des globalen Netzwerkes von EUNIC, den European Union National Institutes for Culture, in denen Österreich sich sehr engagiert. Es ist kein Zufall, dass die EU – gerade in Zeiten der Unsicherheit und Krisen – die Auslandskultur entdeckt und die kulturellen Beziehungen zu vielen Ländern fördern will. Österreich kann sich hier mit seinen Erfahrungen stark einbringen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Michael Ternai

Serie – Die Österreichischen Kulturforen stellen sich vor:
Kulturforum Madrid
Kulturforum Warschau

Link:
Bundesministerium für Europa, Integration und Außeres – Sektion Kultur