Die Musikbanda Franui in Salzburg (Nachbericht)

Die Musicbanda Franui und ihre Komponisten Markus Kraler (Kontrabass) und Andreas Schett (Trompete) erhielten vom Schauspielchef der Salzburger Festspiele Sven-Eric Bechtolf den Auftrag, ein Stück von Händl Klaus mit Bühnenmusik auszustatten, genauer, mit ihm zusammen ein Musikstück zu formen. „Meine Bienen. Eine Schneise“ stand als einzige Theater-Uraufführung bis 31. August im Salzburger Landestheater auf dem Programm. Mit Bechtolf als Rezitierendem passender Texte hat die Gruppe bereits mit ihren Liederprojekten (Schubert-, Brahms-, Mahlerlieder) zusammengearbeitet.

Als Regisseur wurde der Franzose Nicolas Liautard engagiert, dem es gelang, die komplizierten Wortverschachtelungs-Texte von Händl durchaus überzeugend auf die Bühne zu bringen. Publikum und mehrheitlich auch die Kritiken waren von dem Abend begeistert. Vier Schauspieler tragen das Stück, davon auch einer der fast nur (großartig) singt, aber auch spielt – ein 13-jähriger Wiltener Sängerknabe. Um die auch sprachlich virtuos „komponierten“ Texte des Autors mehr als nur durch Gebrauchs-Schauspielmusik zu illustrieren, sondern eben zu einem „Musikstück“ zu machen, verwendete Franui neben manchmal erkennbaren Versatzstücken aus ihren früheren Versionen klassischer Liedwelten diesmal als Musikvorlage Jugendlieder und „Frühe Lieder“ von Alban Berg für eine Singstimme mit Klavier nach Gedichten von Alfred Mombert, Johannes Schlaf, Karl Busse und Joseph von Eichendorff, die man kaum kennt. Komponiert zwischen 1901 und 1908, blieben sie ohne Opuszahl. Schönberg, bei dem Alban Berg ab 1906 studierte, hat sie ihm als „Jugendsünden“ verziehen. Für Andreas Schett waren die dramatischen, hochromantisch seufzenden, aber zweifellos großartigen Berg-Lieder „genau das, was wir gesucht haben“. Sie flossen in die Bienenmusik ein, auch in die Vertonung des Sprachrhythmus der Händl-Texte, mäandern durch die unterschiedlichsten Gefühlswelten.

Endzeitstimmung: Die Handlung spielt zwischen abgebrannten, verkohlten Baumstämmen eines Waldes in einer Schneise. Ein Polizist (Stefan Kurt als Peter) findet im Wald eine schöne Frau (Brigitte Hobmeier, Kathrin). Sie liegt reglos und dekorativ da wie eine „documenta“-Skulptur und weckt seine erotischen Triebe. Er will ihre Füße küssen, da beginnt sie zu sprechen. Hier ist ein Waldbrand gelegt worden. Mit ihrem Sohn Lukas (ein Wiltener Sängerknabe) ist sie aus der Stadt aufs Land gezogen. Der Bub sucht in jedem Mann, der auftaucht, seinen Vater, auch in Peter, der zu ermitteln versucht. Schließlich auch in Wim (der Marthaler-Schauspieler André Jung), der als letzter im Krimi auftaucht. Er ist den Imker, ein ehemaliger Sträfling, der Experimente mit Kindern anstellte, den der Polizist erkennt. Peter beaufsichtigte ihn als Praktikant im Gefängnis, Wim ist noch immer ein übler Bursche, der Hunde am Bellen hindert, indem er ihre Zungen herausschneidet und begeistert ist, wenn Bienen an den Milben zugrunde gehen.

Nicolas Liautard charakterisiert Peter als „eine Art Odysseus“, der trickreich die Wahrheit herausfinden will. Kathrin ist der „Inbegriff des weiblichen Sex“, eine Phantasiefigur der Männer, eine Kirke, die erotisch ist, um Männer in ihren Bann zu ziehen (was in der ersten Szene auch überzeugend von der Schauspielerin gespielt wird), die auch Drogen (Schnaps!) nützt, um sie gefügig zu machen. Lukas (ein Anagramm für den Autor Klaus), begeht eine Revolte gegen die vaterlose Gesellschaft, lehnt die Mutter ab, die ihn „nach der Natur“ erziehen will, er will die Welt zerstören, die voll Schmerz und Abscheulichkeiten ist. Wim, der „Tapferste“, wurde geschlagen und besiegt, also will auch er die Welt vernichten und weiß, dass er ein Verlierer ist. Das Stück zeigt die Isolation und Wut der Männer, auch die Sehnsucht der verlassenen Frauen.

Die Sätze des Händl Klaus sind meist zum komponierten Sprach-Opern-Kosmos auf mehrere Figuren aufgeteilt, das wird bewundernd gut und fugenlos gesprochen, gespielt und auch gesungen. Auch die Sopranpartie des Knaben Lukas ist sowohl sprachlich als auch musikalisch halsbrecherisch, seine Texte erscheinen als einzige auch in Bühnen-Übertitelungen, die man mitlesen kann.

Die Musik von Franui, angereichert mit Alban Berg, ist dennoch eine eigenständige Komposition voller Mystik, sekundengenau auf die Texte auf der Bühne abgestimmt (Kraler und Schett verwendeten auch ein Computerprogramm, um nötigenfalls die musikalischen Einwürfe und Untermalungen in kleinen Schnipseln darbieten zu können), satirisch (aber die manchmal bei ihnen überzogenen Musikparodien, den Spott, halten sie in Grenzen), auch gruselig, dann wieder lyrisch, wenn eine Art einfaches Kinderlied gesungen und nur mit Harfe und Zither begleitet wird. Organisch bildet ihre Musik mit dem Stück eine Einheit.

Die „Lösung“ des bis zum Schluss spannenden, in jeder Hinsicht virtuosen Stücks, das genau richtig eineinhalb Stunden dauert, lässt Händl Klaus im Verborgenen. Man bekommt Zweifel, worum es hier eigentlich geht. In Händls Worten im Programmheft endet es so: „Als Wim, der Wanderimker, ‚noch so ein Häftlingʻ, erscheint, setzt eine große Suchbewegung ein. Alle sind dabei verdächtig: mögliche Täter, wie sie reden und sammeln. Aus ihren Spuren, die so weit zurück reichen, und den Schlüssen, die sie ziehen, entsteht ein zitterndes Bild, von Bienen erwidert, die sie umkreisen.“ Der, der sich als einziger getraut, am Ende in die Kulisse, in den noch brennenden Wald mit seinen Glutnestern hineinzugehen, ist der Knabe Lukas. Aus den Momenten, aus den Dialogen, aus dem „zitternden Bild“ (Händl Klaus) wächst die Musik manchmal heraus und bringt etwas zum Klingen, was nur sie ausdrücken kann. (Heinz Rögl)

Foto Franui: Fred Einkemmer

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