Die Cembalistin Maja Mijatović und ihre CD „to catch a running poet“

Ein Masseninstrument wie das Klavier wurde das Cembalo nach seiner Wiederentdeckung als Konzertinstrument im späten 19. Jahrhundert nicht mehr, seine Technik und sein Klang sind aber für Komponistinnen und Komponisten aus aller Welt anhaltend inspirierend. Am 10. Mai 2019 präsentiert Maja Mijatović in Wien ihre neue CD mit Solostücken.

Klangreise durch die Stahlgewitterwolke

Wie ein heftiges Gewitter aus dumpfen Donnerschlägen und einem niederprasselnden Stahlnagelregen eröffnet „Ištaratu“ von Margareta Ferek-Petrić den Reigen der eingespielten Stücke und lädt den Hörer unmittelbar in eine faszinierende Reise durch klassische Spielelemente wie auch die modernsten spieltechnischen Erfindungen und Ideen, das alles in einer atemberaubend virtuosen Darstellung und brillanter Aufnahmetechnik, die für ein großartiges Klangbild sorgt. – So oder ähnlich könnte man eine Besprechung der neuen CD „to catch a running poet“ von Maja Mijatović beginnen, die um vieles mehr ist, als der Versuch der Rehabilitierung eines alten Instruments. Hier kann der an aktueller Musik Interessierte neue Werke für ein heutiges Instrument kennenlernen

Standorterfahrungen in und außerhalb der EU

In Mödling geboren und in Sarajevo aufgewachsen, erhielt Maja Mijatović ihre Ausbildung an der Musikakademie der bosnischen Hauptstadt (Querflöte bei Bećir Drnda und Davor Bušić) sowie an der Wiener Musikuniversität, wo sie ebenfalls das Flötenfach belegte (Raphaël Leone) und in Cembalo bei Wolfgang Glüxam absolvierte. Weitere Studien betrieb sie bei Augusta Campagne, Sally Sargent und Eugène Michelangeli, wodurch sich der Blick auf ihr Hauptinstrument Cembalo noch deutlich erweiterte. Bereits früh schien es ihr ganz selbstverständlich, diese gesammelten Erfahrungen auch an andere in der Praxis weiterzugeben, sodass sie eine pädagogische Tätigkeit in den Fächern Cembalo, Cembalokorrepetition und Querflöte an Musikschulen in Wien und Klosterneuburg aufnahm.

Zu Hause in zwei Epochen

So wie Maja Mijatović als Instrumentalistin mit der Flöte und dem Cembalo gleich zwei Standbeine aufweist, so fußt auch ihr Repertoire im Wesentlichen in zwei Sphären: der jeweils groß geschriebenen „Alten“ und der „Neuen“ Musik – hier das unerschöpfliche Repertoire des Musikmuseums vom 15. bis ins 18. Jahrhundert, da das teils noch Ungeschriebene, das ihr vielfach gar erst auf den Leib komponiert wird.

Musikalische Grenzüberschreitungen und die Zuwendung zu zeitgenössischer Musik waren von jeher hervorstechende Merkmale in Mijatovićs Arbeit als reproduzierender Künstlerin. Gemeinsam mit Jelena Mortigjija-Reiter bildete Sie ab 1998 das Flötenensemble duo eXchange, in dem sie sich bereits explizit dem 20. und 21. Jahrhundert widmete, was auch in einer 2004 veröffentlichten CD Niederschlag fand. Schon damals war ihr das Zugehen auf jüngere Komponistinnen und Komponisten ein Anliegen, um mit diesen gemeinsam neue Wege für ihre Instrumente zu erschließen.

Unvollständig wäre ein Blick auf Maja Mijatovićs Biografie ohne die Erwähnung des von ihr vor zehn Jahren mitgegründeten Ensembles für Alte und Neue Musik Klingekunst, mit dem sie etwa exemplarische Interpretationen kaum bekannter Werke aus der Zeit Maria Theresias ebenso vorlegte wie die CD „Denn du weißt die Stunde nicht! – eine barocke Kriminialgeschichte“. Eine 2017 bei cpo erschienene CD mit Flötenkonzerten von Wagenseil, Bonno, Monn und Gassmann wurde im vergangenen Herbst mit dem Pasticcio Preis von Ö1 ausgezeichnet.

Zu den Klangkörpern, mit denen Maja Mijatović im Bereich der Neuen Musik zusammenarbeitete, zählen das Ensemble Wiener Collage, Phace, oenm, die reihe und Platypus. Ihre Mitwirkung bei Festivals für Alte oder Neue Musik führte sie u. a. zum Warschauer Herbst, Wien Modern, Museum Essl/Schömer-Haus und dem Prix Annelie de Man Amsterdam.

„to catch a running poet“

Maja Mijatovic: "to catch a running poet", erscheint im Mai 2019 bei NEOS
Maja Mijatovic: “to catch a running poet” erscheint im Mai 2019 bei NEOS

„to catch a running poet“ ist nun also das neueste Projekt von Maja Mijatović, das soeben bei NEOS auf CD erschien und dessen offizielle Präsentation am 10. Mai 2019 im Reaktor in Wien erfolgt. Die meisten der eingespielten Stücke entstanden 2017, sind somit brandaktuell und bieten im Nebeneinander einen spannenden Vergleich darüber, wie Komponistinnen und Komponisten in Österreich heute an die Aufgabe herangehen, für Cembalo zu schreiben. So viel vorweg – wenig überraschend und doch ohne zu viel zu verraten: die Herangehensweise ist durchaus so, dass sich verblüffende Gemeinsamkeiten, aber auch sehr viele individuelle Ansätze der Autorinnen und Autoren finden. Die Liste der beteiligten Namen liest sich als eine kleine, aber durchaus repräsentative Auswahl gegenwärtiger Musikschaffender: Neben Margareta Ferek-Petrić finden sich Christian Diendorfer, Hannes Dufek, Tamara Friebel, Peter Jakober, Manuela Kerer, Rafael Nassif und Sylvie Lacroix. Sämtliche Stücke wurden von Maja Mijatović in Auftrag gegeben oder/und ihr gewidmet.

Die CD ist nicht nur ein klanglich lohnenswertes Abenteuer, sie besticht zudem durch die Qualität von Booklet und Layout. Hannes Dufek schrieb eine gleichermaßen instruktive wie auch für den Nicht-Experten verständliche Einführung zur Herausforderung, die das Komponieren neuer Stücke für Cembalo heute darstellt, wie auch konkret zu Maja Mijatovićs Herangehensweise an das Projekt. Sämtliche beteiligte Komponistinnen und Komponisten (ihrer jeweils vier) steuerten kurze und prägnante Texte zu ihren eigenen Stücken bei. Erschreckend und faszinierend und in Summe doch irgendwie packend und einnehmend das Cover von Ajna Zlatar, das scheinbar mit dem eingangs hier beschriebenen Stahlgewitter-Eindruck korrespondiert und einen in eine Wolke ragenden, diese de facto einfangenden metallisch glänzenden Angelhaken zeigt: „to catch a running poet“

Christian Heindl

Links:
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Klingekunst