„Die Arrangements sind minimal“ – HIRSCH FISCH im mica-Interview

HIRSCH FISCH heißt eine neue Formation, deren Protagonisten allerdings alte Hasen sind: NORBERT TRUMMER und KLAUS TSCHABITZER haben bereits in den 1990er-Jahren miteinander Musik gemacht – unter dem Namen SCHEFFENBICHLER, gemeinsam mit DIETER PREISL und PAUL PFAFFENBICHLER. Im Interview mit Jürgen Plank erzählten TRUMMER und TSCHABITZER, wie sie zum Bandname HIRSCH FISCH gekommen sind, wie sie in den letzten Jahren immer wieder zusammengearbeitet haben und wie Musik im Idealfall sein sollte.

Was bedeutet der Bandname Hirsch Fisch?

Klaus Tschabitzer: Wir haben lange nach einem Bandnamen gesucht. Ich habe in letzter Zeit die Kulturgeschichte des Rock ’n’ Roll intensiv beackert und da sind mir zum Beispiel Colonel Parker und seine Dancing Chicken aufgefallen – diese Formation hat es tatsächlich gegeben. Der Name hat aber Norbert nicht gefallen. Über die Lektüre des Romans „Hotel Savoy“ von Joseph Roth bin ich auf die Figur Hirsch Fisch gestoßen, der Lotterieträumer ist. So war der Bandname dann klar.

Was macht die Figur im Buch? 

Klaus Tschabitzer: Im „Hotel Savoy“ sind die sozialen Gruppen streng getrennt: Die Reichen wohnen unten und die Armen wohnen oben. Hirsch Fisch wohnt oben und bestreitet seinen Lebensunterhalt damit, dass er immer die richtigen Lotteriezahlen träumt und an die Reichen verkauft.

Ihre Debüt-CD eröffnet mit einem alten Lied von Ihnen. Was hat es mit „Des eiskoite Wossa“ auf sich? 

Norbert Trummer: Es ist ein altes Lied, noch aus Zeiten der Band Scheffenbichler. Das Lied „Des eiskoite Wossa“ war inspiriert von einer Platte, die Helmut Qualtinger mit Texten von H. C. Artmann aufgenommen hat. Das war ungefähr in den 1960er-Jahren. Diese Platte hat mir gefallen und so ist mir dieses Lied eingefallen. Das Lied hat sich einfach bewährt und ich habe es auch später, als ich solo gespielt habe, verwendet. Wir haben uns beim Zusammenstellen der Lieder für die Hirsch-Fisch-CD für dieses Lied als ersten Track entschieden. Das ist ein schöner Einstieg und eine Reminiszenz an Scheffenbichler.

Das zweite Stück heißt „Paddelboot“. Wie im ersten Stück kommt darin die Donau vor. 

Norbert Trummer: Das Lied habe auch ich geschrieben. Ich habe schon als Kind ein aufblasbares Paddelboot gehabt. Das habe ich noch immer und vor ein paar Jahren bin ich beim Donaukanal losgefahren. Von Hainburg bin ich – wie im Lied – mit der S-Bahn nach Hause gefahren.

Sie beide haben in den 1990er-Jahren miteinander in der Gruppe Scheffenbichler gespielt. Wie hat dieses Projekt in den folgenden Jahren nachgewirkt?

Klaus Tschabitzer: Es war im Kern Art-brut-Musik. Die früheren Aufnahmen habe ich inzwischen digitalisiert und ich habe dabei festgestellt, dass unsere Musik genau das ist, was ich immer machen wollte. Damals mit handwerklich nicht sehr ausgereiften Mitteln, aber es ist im Kern genau das, was ich immer machen wollte. Es ist Musik, die primitiv und wild ist. Textlich ist es dadaistisch und es geht um Grundsituationen einer modernen Existenz.

„Die Musik sollte zwar formal einen Kern haben, aber immer wieder aufgebrochen werden.“

Was macht die Musik aus, die Sie machen wollen?

Klaus Tschabitzer: Wir haben das damals zufällig so gemacht, aber die Idealform von Musik sollte für mich immer auf des Messers Schneide stehen. Die Musik sollte zwar formal einen Kern haben, aber immer wieder aufgebrochen werden. Und dann wieder auf den Kern zurückkommen.

Wie kam es dazu, dass Sie sich nach rund zwanzig Jahren wieder zu einer Band zusammengetan haben?

Norbert Trummer: Ich bin ja auch bildender Künstler. Für meine Trickfilmprojekte hat immer Klaus als Der Schwimmer die Musik gemacht und wir haben immer gut zusammengearbeitet. So war es für mich naheliegend, wieder mit Klaus zu spielen.

Davor gab es aber von Ihnen die CD „An der schönen greenen blauen Donau“, bei der Sie Texte von Franzobel vertont haben.

Norbert Trummer: Bei dieser CD habe ich auch mit Klaus zusammengearbeitet, er hat mich bei dieser CD aufgenommen. Der Großteil der Texte ist von Franzobel gekommen und ein paar Texte waren von mir.

Auf der neuen CD spielen Sie Ukulele und Akkordeon und singen. Wie sind Sie zur Ukulele gekommen? 

Norbert Trummer: Das war auch schon in Scheffenbichler-Zeiten, damals habe ich mir einige Griffe beigebracht. Bei Hirsch Fisch haben wir beschlossen, dass wir uns mehr auf das Singen konzentrieren wollen, und so ich habe wieder die Ukulele hergenommen. Das Akkordeon mitzuschleppen wäre natürlich auch nicht so lustig, das ist mit der Ukulele schon praktisch.

„Mein Hintergedanke ist natürlich, Swing, Bluegrass und Country einzubringen.“ 

Herr Tschabitzer, was bringen Sie musikalisch bei Hirsch Fisch ein und wie sind die Arrangements ausgestaltet? 

Klaus Tschabitzer: Im Grunde genommen war der Vorgang so, dass Norbert mit fertig komponierten Liedern gekommen ist und wir dann überlegt haben, wie wir sie arrangieren können. Die Arrangements sind minimal. Ich spiele abwechselnd Banjo und Dobro und singe die zweite Stimme. Ausgehend vom bestehenden Material sind wir die Lieder so lange durchgegangen, bis wir sagen konnten: Das ist jetzt richtig. Mein Hintergedanke ist natürlich, Swing, Bluegrass und Country einzubringen. Ich wollte eigentlich Norbert dazu bringen, Mandoline zu spielen, aber dagegen hat er sich erfolgreich gewehrt [lacht].

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Die Ukulele klingt ja so ähnlich. 

Klaus Tschabitzer: Eben, genau. Wir haben außer einer Holzbox, auf die ich mit dem Fuß trete, keine Perkussion. Und mit der Ukulele kann man einen sehr guten Grundrhythmus machen. So haben wir begonnen, uns einfache Swing-Sachen anzueignen und zweistimmig zu singen, das interessiert mich auch sehr.

Warum wollten Sie Bluegrass als Richtung einbringen und warum haben Sie sich für dieses Genre interessiert?

Klaus Tschabitzer: Dazu gibt es zwei Aspekte: Ich tue mir extrem schwer mit österreichischer Volksmusik. Ich habe es zwar immer wieder probiert, aber keinen Zugang gefunden. Über die Kulturgeschichte des Rock ’n’ Roll bin ich auf Country, Bluegrass und alte Folksongs gekommen. In Wahrheit ist das mein einziger Zugang zu einer Art von Volksmusik, die mich extrem berührt. Sie ist formal einfach, mit akustischen Instrumenten gespielt und trifft mich mitten ins Herz. Da ich in letzter Zeit viel Dobro und Banjo gespielt habe, ist das auch bei Hirsch Fisch präsent.

In Bezug auf Volksmusik habe ich bei einem ganz neuen Stück Ihrer CD, und zwar bei „Herr Melancholie“, an das Wienerlied gedacht. Ist das ein Anknüpfungspunkt für Sie?

Norbert Trummer: Das passiert nicht so bewusst. Es kommt vielleicht daher, dass man mit im weitesten Sinn österreichischen Dialekt aufgewachsen ist, den man auch spricht und in dem man sich gut ausdrücken kann. Deswegen sind die Texte in dieser Sprache gehalten. Ich interessiere mich auch mehr für Blues, Cajun und Bluegrass. Der Einfluss kommt dann eher von dort. 

Wie sind die neuen Lieder auf der aktuellen CD entstanden? 

Norbert Trummer: In den letzten Jahren sind mir einige Liedtexte eingefallen, die habe ich bei Auftritten im kleinen Kreis zum Teil mit dem Akkordeon begleitet. Und dann haben wir sie für die jetzige Besetzung umgearbeitet.

Bild Hirsch Fisch
Hirsch Fisch (c) Elisabeth Czihak

„Das ist bei mir ein unbewusster Prozess, ich kann mich nicht hinsetzen und ein Lied schreiben.“ 

Wann ist für Sie der Anstoß dafür da, ein Lied zu schreiben? 

Norbert Trummer: Mir fallen die Texte zufällig ein, die sind dann einfach da. Oft hat man drei, vier Wörter, die gerade zu einer Melodie passen, und daraus entwickelt sich dann das ganze Lied. Man hat dann einen Instinkt und ein Gefühl dafür, wie man das Lied so umsetzt, dass es einen Witz oder eine ungewöhnliche Geschichte erzählt. Das ist bei mir ein unbewusster Prozess, ich kann mich nicht hinsetzen und ein Lied schreiben. Es entsteht immer aus dem Herumklimpern, daraus ergibt sich dann ein Lied.

Sie haben auch immer wieder mit Autoren wie Bodo Hell und Franzobel zusammengearbeitet, deren Bücher Sie illustriert haben. Demnächst wird es einen gemeinsamen Abend mit Bodo Hell geben.

Norbert Trummer: Bodo Hell präsentiert an drei Abenden sein neues Buch „Kunstschrift” in der „Strengen Kammer“ im Porgy & Bess. Ich kenne ihn schon seit 1998 und wir haben mehrere Projekte miteinander gemacht. Bücher, bei denen er die Texte und ich die Zeichnungen gemacht habe. An diesem Abend wird er lesen und wir spielen unsere Lieder und manchmal werden wir ihn instrumental unterstützen.

Wie geht es weiter mit Hirsch Fisch, gibt es schon Pläne? 

Klaus Tschabitzer: Ja, die Welteroberung natürlich [lacht]. Jetzt kommt die Welttournee. Nein, im Grunde genommen schauen wir darauf, dass wir in nächster Zeit möglichst viel live spielen. Im Zuge dessen werden wir sicher wieder etwas aufnehmen. So ist der Plan. Mit dem Stimmgewitter Augustin könnte es im Sommer eine Mini-CD geben, mal sehen.

Norbert Trummer: Neue Lieder gibt es bereits und es könnte sein, dass einige Scheffenbichler-Lieder ins Programm kommen, die lange nicht gespielt worden sind. Mit dieser CD haben wir bereits Glück gehabt, weil sie Interesse in der Szene hervorgerufen hat, und jetzt schauen wir, was wir machen können.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Jürgen Plank

Links:
www.earlymorningmelody.com
www.schwimmer.at/schwimmer/live.html