„Dialekt hat wunderschöne Facetten“ – HUNNEY PIMP im mica-Interview

HUNNEY PIMP veröffentliche vor zwei Jahren ihr Debütalbum „Schmetterlinge“, war 2018 für den FM4 AWARD nominiert und präsentiert nun am 25. Oktober 2019 mit neuer Haltung ihr neues Album. Jogginghose und Hoodie hat die oberösterreichische Rapperin gegen ein kurzes Cocktailkleid getauscht, Wien mit Chicago, geblieben ist der Dialekt. „Chicago Baby“ erscheint bei HANNES EDERS und BENJAMIN BRÜSTS Label „Phat Penguin“ und wird passend zum neuen Image am 8. November in der edlen Roten Bar des WIENER VOLKSTHEATERS präsentiert. Mit Julia Philomena sprach die Musikerin von Rollenbildern, Humor und Leichtigkeit sowie der Hassliebe zweier Suchenden.

Vor 2 Jahren hast du dein Debütalbum veröffentlicht. Das neue Album „Chicago Baby“ erscheint im Oktober bei Phat Penguin.  Was hat sich seitdem getan, worauf kann sich dein Publikum einstellen? Du meintest 2017 weder Rapperin noch Sängerin zu sein, stimmt das heute noch?

Hunney Pimp: Das mit den Begrifflichkeiten ist immer noch so eine Sache, natürlich bin ich Rapperin und Sängerin, weil ich rappe und singe, aber ich mache weder klassischen Rap noch klassischen Gesang oder generell irgendwas klassisch. Deshalb ist es mir lieber, mich erst gar nicht auf eine Bezeichnung festzulegen. Erwarten kann man alles von mir.

Hunney Pimp (c) Lisa Kremling

Geändert hat sich prinzipiell schon viel. Nur mein Leitmotiv nicht, gewisse Lebenssituationen oder Ereignisse verarbeiten zu wollen. Musikmachen ist meine Therapie. Ich hatte immer den Anspruch, Musik so authentisch wie nur möglich zu machen. Natürlich war es uns als Team, besonders meinem Produzenten Melonoid und mir wichtig, musikalisch etwas Neues, etwas „Freshes“, Undefinierbares zu schaffen. Ich würde mir wünschen, dass sich Menschen wieder mehr auf Musik einlassen könnten, die zwar keine leichte Kost, aber trotzdem eingängig ist. Musik, bei der das Hirn vielleicht ein bisschen mitarbeiten muss, sich der Geist aber trotzdem in den Sound fallen lassen kann. Ich denke, bei dem Album ist es Melonoid und mir schon gelungen, Hörerinnen und Hörer in eine andere Welt zu entführen und dabei eine Brücke zwischen verschiedenen Musikgenres und Moods zu schlagen.

Was bei deinen beiden neuen Singles gleich auffällt: Liebe ist ein Thema. Oder besser, das Verhältnis zwischen Frau und Mann. Ist das inhaltlich ein roter Faden? Oder geht es um ganz andere Geschichten?

Hunney Pimp: Liebe spielte eine große Rolle, ja! „Chicago Baby“ ist die liebessüchtige, verträumte Protagonistin des Albums, die auf einem Drogentrip im Chicago der 1960er-Jahre herumschwirrt.  Anfangs spielt sie nur mit Männern, verliebt sich dann aber in einen Ganoven, und beide verirren sich in der Untergrundwelt zwischen Kitsch und Gewalt. Es beginnt eine Hassliebe zweier Suchenden, und zwar in einem Umfeld, in dem es mehr ums Fressen und Gefressenwerden geht als um Romantik. Am Ende weiß sie selbst nicht mehr, ob sie selbst nicht doch mehr Ganovin als nur Mitspielerin ist. Es geht um die Ambivalenz, die man in sich trägt, wenn man die rosarote Brille trägt und im Liebestaumel irrationale Entscheidungen trifft. Darum, dass man vom Jäger schnell zum Gejagten werden kann und umgekehrt.  Es geht um die großen Gefühle einer vermeintlich großen Romanze, einer Hassliebe in einem kriminellen Umfeld und ihre Schattenseiten.

„Ich mache Musik so, wie ich sie gerade fühle.“

Du kommst aus Oberösterreich, singst hauptsächlich im Dialekt, wohnst schon lange in Wien. Sprichst du privat auch hochdeutsch? Oder war es dir unabhängig vom Persönlichen einfach ein Anliegen, im Dialekt zu singen?

Hunney Pimp: Also, ich spreche schon manchmal hochdeutsch. Aber eher selten. Ich denke, ehrlich gesagt, nicht viel darüber nach. Und auch nicht darüber, wie ich am besten meine Musik mache. Mir ist schon aufgefallen, dass ich mehr und mehr Hochdeutsch einbaue, wahrscheinlich weil es mich mehr umgibt als früher. Aber ein verkrampfter, verkopfter Zugang war nie meiner. Ich mache Musik so, wie ich sie gerade fühle. Dialekt hat wunderschöne Facetten. Er kann weich und hart klingen. Ich liebe das sehr und es passt zusätzlich zum Albumkonzept.

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„Britney“ heißt eine deiner neuen Singles. Was verhandelst du denn da genau? Welchen Stellenwert haben bei der Nummer oder generell bei deiner Musik, deinem neuen Auftreten Humor und Ironie? 

Hunney Pimp: Humor und Ironie sollte man sich bis zu einem gewissen Grad immer beibehalten. Das ist ganz wichtig fürs Herz. Manchmal spielt das Leben allerdings seine Karten so, dass es nicht mehr wirklich viel zu lachen gibt. Wenn man dann probiert, krampfhaft alles ins Lächerliche zu ziehen, betrügt man sich nur selbst. Das war für mich ab einem gewissen Zeitpunkt so. Ich habe viele Ereignisse in meinem Leben zwar kaum ertragen, da war kein Platz mehr für Humor. Auf dem neuen Album wollte ich visuell und musikalisch etwas machen, was zwar eine schwierige Phase thematisiert, gleichzeitig aber im Nachhinein mit einem luftigeren, leichteren Touch.

„Britney“ behandelt konkret ein wirklich starkes Gefühl zu jemandem, der jede Sekunde verschwinden kann. Es geht um eine gefährliche Abhängigkeit, um ein Wettrennen mit der Zeit und darum, dass man sich vor allem wünscht, mit dieser Person wegzulaufen, hinaus aus dem Grau, hinein ins Helle. Man sehnt sich nach dieser rosa Wolke, in die man sich fallen lassen kann. Auch wenn im realen Leben alles um einen herum zerfällt.

Manchmal melancholisch, manchmal kitschig, selbstbewusst aber in jedem Fall. Gibt es weibliche Vorbilder?

Hunney Pimp: Schwierig zu sagen, was mich beeinflusst. Vorbilder habe ich nicht unbedingt, aber als ich zu schreiben angefangen habe, waren Lauryn Hill, Erykah Badu, Amy Winehouse und Ella Fitzgerald sehr wichtig für mich!

„Ich habe mich früher als sehr männlich wahrgenommen […]“

Weibliche Vorbilder für Rap-Musik, also für eine Welt, die sehr männerdominiert ist. Spielst du bewusst mit Rollenbildern? Vor ein paar Jahren sah Hunney Pimp optisch ja noch ganz anders aus: reduziert, natürlich, lässig, eigentlich das Gegenteil von einer Diva, die du heute verkörperst. Du meintest vor zwei Jahren in einem Interview: „Ich will nicht immer so megahübsch rüberkommen, das ist nicht mein Anspruch.“ Du sagtest, dass du dich eher als „Bua“ siehst. Was hat sich da in puncto Zugang verändert?

Hunney Pimp: Ja, da hat sich definitiv mein Zugang verändert. Ich habe mich früher als sehr männlich wahrgenommen, weil ich die meiste Zeit in meinem Leben eher männlich sein musste und mich durchgeboxt habe. Trotz Kleid, Make-up und blonder Haare habe ich mir die maskuline Seite natürlich bewahrt, aber mittlerweile liebe ich das Feminine an mir und versuche auch, das mehr zu leben, obwohl es mir teilweise wirklich schwerfällt. Die innere Einstellung ist dabei schwieriger als die Optik. Nach wie vor ist es mir kein Anliegen, besonders hübsch oder sexy rüberzukommen. Ich wollte einen neuen Style ausprobieren und finde eigentlich, dass er mir ganz gut steht. Aber wer weiß. Morgen gefällt er mir nicht mehr und ich probiere wieder etwas anders aus. Außerdem, Jogginganzüge stehen mir immer noch gut, finde ich. Vor allem sind sie am Gemütlichsten. Als ich neu in die Musikszene kam, wollte ich als Frau ein unangepasstes Bild verkörpern. Wer weiß, wie ich beim dritten Album aussehen werde.

Hunney Pimp (c) Lisa Kremling

Was hat dich musikalisch geprägt?

Hunney Pimp: Ich war in der Hauptschulzeit viel mit Leuten mit den unterschiedlichsten kulturellen Backgrounds unterwegs, die alle gedacht haben, sie seien Tupac. Das hat mich musikalisch sehr geprägt, weil ich dadurch zu R ‘n’ B und Hip-Hop gekommen bin. Später, in der Oberstufe, habe ich dann durch Freunde Zugang zur alternativeren Rap-Welt, wie zum Beispiel zu A Tribe Called Quest, Blumentopf und Black Milk bekommen. So habe ich angefangen, mich für Lyrics zu interessieren und Rap zu studieren. Was mich außerdem sehr geprägt hat, sind Musicals und generell Filmmusik, genauso wie alte Klassiker à la Janis Joplin.

„Ich würde gern ein Instrument richtig gut spielen können oder die Noten besser lesen können.“

Welchen Stellenwert hatte Musik in deinem Elternhaus, in deiner Kindheit? Inwiefern hat sich dein Zugang entwickelt?

Hunney Pimp: Musik war bei uns immer sehr präsent, mein Papa hat in einer Band gespielt und im Kirchenchor gesungen. Da war ich selbst viel dabei, das hat mich sehr beeindruckt und beeinflusst. Wir haben zu Hause immer viel gesungen und musiziert. Bei uns hatte generell Kreativität einen hohen Stellenwert. Meine Mutter ist außerdem Puppenmacherin, das heißt, wir waren immer viel auf Märkten unterwegs, sind viel herumgekommen.

Studieren wollte ich Musik später nie, das habe ich privat zu Hause gemacht. Ich habe Texte studiert, ich habe in Bands gespielt und Open Mics veranstaltet. Ich war immer der Meinung, dass ein akademischer Zugang eher schädlich ist, weil ich dachte, das verfälsche das Gefühl. Ich dachte, man konzentriere sich vielleicht auf die falschen Sachen. Das sehe ich heute schon anders. Ich würde gern ein Instrument richtig gut spielen können oder die Noten besser lesen können. Generell ist wahrscheinlich ein Abschluss, egal worin, nicht verkehrt. Der Sumpf verschlingt einen schneller, als man denkt, besonders als Künstlerin oder Künstler.

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Welchen Stellenwert hat für dich Teamwork? Mit deinem Produzent Meloniod arbeitest du – glaube ich – schon sehr lange zusammen …

Hunney Pimp: Teamwork ist für mich immer wieder eine Herausforderung, weil ich eine ziemliche Einzelkämpferin bin. Mir ist aber in den letzten Jahren bewusst geworden, wie wichtig ein stabiles Team ist. Es ist unglaublich schön, in einer Gruppe etwas gemeinsam zu erschaffen, an dem man sich erfreut. Mit Melonoid funktioniert die Teamarbeit wirklich gut, aber wir kennen uns auch mittlerweile sehr lange und können unsere Schwächen und Stärken dementsprechend ausgleichen. Ich muss auch sagen, besonders bei diesem Projekt habe ich gemerkt, was ein gutes Team aus der Idee einer bzw. eines Einzelnen erschaffen kann. Für die Videos waren der Regisseur Alexander Peskador und der Kameramann und Editor Camillo Rakoš zuständig. Wir haben uns da echt ein sehr detailliertes Konzept überlegt und es tatsächlich geschafft, das mit verhältnismäßig wenig Budget umzusetzen. Ich hatte von Anfang an recht genaue Vorstellungen und zudem einen hohen Anspruch. Da alle Beteiligten leidenschaftlich mitgearbeitet haben, konnte ein Kunstwerk entstehen, auf das ich sehr stolz bin.

Fühlst du dich in der österreichischen Musikszene wohl? Hast du das Gefühl, dass genreübergreifende Musik, Hip-Hop etc. einen Platz gefunden haben?

Hunney Pimp: Ich weiß nicht genau, was die österreichische Musikszene ist. Ich bin recht gut vernetzt mit anderen österreichischen Artists. Hauptsächlich mit Rappern. Demnach fühl mich schon wohl, ja. Einerseits ist Österreich sehr familiär, andererseits bedeutet das, mit der eigenen Musik nicht so leicht etwas reißen zu können. Das ist schade. Aber auch toll, denn es gibt hier einfach viele großartige Künstlerinnen und Künstler.

Abschließend: Der Herbst kommt, dein Album erscheint. Was wünscht sich Hunney Pimp?

Hunney Pimp: Ich wünsch mir eine angenehme Zeit, so wie alle. Hoffentlich.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Julia Philomena

 

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