Der Mut zu neuen musikalischen Pfaden – PHILIPP HARNISCH im mica-Porträt

Philipp Harnisch 1„In meiner Musik geht es in erster Linie um die Authentizität, um das Individuelle. Die Schönheit einer Melodie, die Einfachheit steht bei mir im Vordergrund. Ich versuche bewusst, irgendwelchen Idiomen wie ‚Jazz‘ aus dem Weg zu gehen. Bezeichne meine Musik gerne als ‚Jetztzeitmusik‘.” (PHILIPP HARNISCH)

Von Bayreuth nach Linz

Philipp Harnisch wurde 1985 in Bayreuth geboren und erhielt bereits als Kind musikalische Frühausbildung und Klavierunterricht. Mit elf Jahren kam er an das Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium mit künstlerischem Hauptfach Klavier, um schließlich ab der Mittelstufe auf sein bis heute stilprägendes Instrument, das Alt-Saxophon, zu wechseln. Harnisch beschreibt diese frühe Zeit bis zu seinem Abschluss 2005 als sehr prägend, wobei er schon damals wichtige Bühnenerfahrung bei seinen zahlreichen Auftritten mit seiner ersten Band und weiteren Ensembles sammeln konnte. Nach einer kurzen Pause als Zivildiener rückte sehr bald seine weitere musikalische Ausbildung in den Mittelpunkt. Bereits im Jänner 2006 konnte Philipp Harnisch als neues Mitglied des renommierten Landesjugend-Jazzorchesters Bayern unter der Leitung von Harald Rüschenbaum den ersten Erfolg verbuchen. Und nur wenige Monate später war auch die Aufnahmeprüfung für die Anton Bruckner Privatuniversität in Linz bestanden. Ausschlaggebend für seinen Entschluss, in Linz Jazz-Saxophon, Komposition und Instrumentalpädagogik zu studieren, waren nicht nur die herausragenden Dozenten rund um Allan Praskin, Florian Bramböck, Christoph Cech, Doug Hammond, Peter O‘Mara, Andreas Schreiber und Harry Sokal, sondern auch der Ruf einer modernen und zeitgemäßen Ausbildung. Sein Studium konnte Harnisch mit ausgezeichnetem Erfolg 2011 abschließen.

Von Metal-Noise über Jazz bis hin zu Post-Rock

Seither lebt Philipp Harnisch in Wien und versteht sich als freischaffender Künstler, der sowohl als aktiver Musiker und Komponist als auch als Pädagoge seinem inneren Tatendrang freien Lauf lässt. Neben zahlreichen Gastspielen bei Ensembles wie etwa dem Deepressure Jazz Quartet, dem Double Reed Quartet oder dem Think Bigger Orchestra unter der Leitung von Christoph Cech zählen vor allem drei seiner eigenen Projekte, mit denen er bereits weite Teile Europas bereist hat, zu seinem Hauptbetätigungsfeld als aktiver Musiker.

Als Erstes wäre da die bereits 2008 gegründete Band Arktis/Air zu nennen. Harnisch selbst nennt dabei Riffs, Noise und Core als zentrale Ausdrucksmittel dieser spannenden Metal-Noise-Band, wohlgemerkt mit rein instrumentaler Besetzung. Die geballte Energie ist dabei bereits auf zwei Tonträgern „Arktis/Air“ 2011 und „En-Trance“ 2013 eindrucksvoll gebannt.
Zu seinem aktuellen Hauptprojekt zählt aber ohne Zweifel das Philipp Harnisch Quartett, welches anlässlich seines Diplomprüfungskonzerts an der Anton Bruckner Privatuniversität 2010 gegründet wurde. Gemeinsam mit dem Gebrüderpaar Paul und Maximilian Santner am Bass und am Schlagzeug und dem wohl aufstrebendsten Nachwuchspianisten des Jazz dieser Tage, Elias Stemeseder, „… habe ich in diesem Quartett absolut meine Traumbesetzung gefunden, was das Umsetzen meiner ausschließlichen Eigenkompositionen angeht.“ Davon kann man sich auf den bereits drei Veröffentlichungen „Handmade Emotions“ 2011, „Songs about Birds and Horses“ 2012 und „Black Field“ 2014 auf imposante Art und Weise überzeugen. Last, not least gehört die 2013 gegründete Band Months of Sundays zu Harnischs aktuellen Formationen mit deutlichem Einschlag in Richtung instrumentalem Post-Rock. Die erste CD dieses Projekts unter dem Titel „Month of Sundays“ ist seit Ende 2014 erhältlich.

Philipp Harnisch 1„In meiner Musik geht es in erster Linie um die Authentizität, um das Individuelle. Die Schönheit einer Melodie, die Einfachheit steht bei mir im Vordergrund. Ich versuche bewusst, irgendwelchen Idiomen wie ‚Jazz‘ aus dem Weg zu gehen. Bezeichne meine Musik gerne als ‚Jetztzeitmusik‘. Die Idee und der Ausdruck im Kollektiv stehen im Vordergrund. Das Berühren und Mitnehmen der ZuhörerInnen. Genau darum geht es.“ Dabei ist für Philipp Harnisch stets eine in sich ruhende Musik, ohne jemandem etwas beweisen zu müssen, oberstes Credo. Die musikalische Vielfalt ist aber keinesfalls erzwungen, sondern vielmehr sein „natürliches Verlangen nach musikalischem Ausdruck. Es geht gerne mehr um Emotion als pure Ambition. Daher gehören zu meinen Hörgewohnheiten Musik von Schubert (Kunstlieder), Bach (Kantaten, Passionen) genauso wie zB. die Bands Radiohead und Sigur Ros.“

Von verstaubten Fachmusikern bis zu pluralistischem Musikverständnis

Mindestens ebenso viel Passion bringt Philipp Harnisch auch in sein zweites Betätigungsfeld, die Musikpädagogik, als Musikpädagoge  ein. „Unterricht bedeutet Weitergabe und Austausch an Wissen, das Vermitteln von Faszination und Ästhetik und ist wohl der kreativste Moment im Bereich der Musik. Ich möchte meine SchülerInnen diese Kreativität und Ästhetik vermitteln, sie für die unterschiedlichsten Formen des Saxophon-Spielens begeistern.“ Dabei ist es Harnisch ein besonderes Anliegen, ein möglichst breit gefächertes musikalisches Bild zu vermitteln. Erst darauf aufbauend erscheint ihm eine Spezialisierung in eine Musikrichtung bzw. Spielweise denkbar. Die „Heranzüchtung von verstaubten FachmusikerInnen“, die Harnisch im Zuge seiner Ausbildung an den Hochschulen kennengelernt hatte, ist seiner Meinung nach weit überholt. Philipp Harnisch unterrichtet seit 2012 am Zentrum für Musikvermittlung Wien Penzing und daneben seit 2011 an der Wiener Musikschule Schmid-Zettelmann, seit 2012 an der VSH Simmering und erst seit Kurzem an der VHS Favoriten.

Daneben ist Philipp Harnisch Mitbegründer des Vereins hoerthoert, der seit 2013 alljährlich in Wien und seit 2015 auch parallel in Salzburg ein Festival veranstaltet. Als Mitglied des Vereins Freifeld tritt Harnisch außerdem als Mitveranstalter der wöchentlichen Konzertreihe „Freistunde“ auf, die lange in den Räumlichkeiten von mica stattgefunden hat und seit März 2015 im Café 7stern über die Bühne geht.

Philipp Harnischs eindrucksvoller Weg zeugt von Ideenreichtum und Mut zu neuen musikalischen Pfaden und bringt mit seinen Formationen frischen Wind in die österreichische Musikszene, die sich unter dem immer weiter öffnenden Begriff „Jazz“ subsummiert. Seinen unvoreingenommenen Ansatz vertritt er dabei ebenfalls als ausgebildeter Musikpädagoge und versucht so, auch dem verstaubten Hochschulapparat mit Vehemenz entgegenzuwirken. Da dies, wie wir alle wissen, kein leichtes Unterfangen ist, hoffen wir auf viele weitere spannende Projekte und viel Kraft für Neues. Nur weiter so!

Georg Demcisin

Fotos Philipp Harnisch (c) Andrea Siegl

http://www.philippharnisch.com