Der Komponist Michael Amann hat seinen Weg gefunden

Michael Amanns Kompositionen werden von namhaften Ensembles und MusikerInnen gespielt und zahlreiche persönliche Kontakte zu MusikerInnen machen immer wieder interessante Kooperationen möglich. Der Komponist und Musikpädagoge hat seinen Lebensmittelpunkt in Wien, doch pflegt er oft und gerne Kontakte in Vorarlberg. Seit das Symphonieorchester Vorarlberg vor zwei Jahren sein Orchesterwerk „Broken Lines“ zur Uraufführung gebracht hat, waren hierzulande nur wenige Werke von ihm zu hören. Bereits zum dritten Mal komponierte Michael Amann im Auftrag der Hofhaymer-Gesellschaft. Ende Oktober wird das 40-minütige „Madrigalbuch für sieben Gesangsstimmen“ in Salzburg uraufgeführt. Aus diesem Anlass und als Nachlese der Erfahrungen mit dem heimischen Publikum sprach Silvia Thurner mit Michael Amann über Inspirationsquellen, die Zusammenarbeit mit MusikerInnen und über das neue Werk.

Literarische Text und optische Beobachtungen spielen in deinem kompositorischen Schaffen eine wichtige Rolle. Wo liegen die Gründe dafür?

Ich lese sehr gerne. Als autofreier Mensch bin ich fast ausschließlich öffentlich unterwegs und fast immer habe ich ein Buch im Rucksack. Und oft kommt es vor, dass ein Absatz, ein Satz, ein Wort hängenbleibt. Das wandert dann in meinen Ideenfundus, wo es sich langsam in Musik verwandelt.

Orchesterwerke

Anlässlich des 40. Geburtstages des RSO Wien hast du einen Kompositionsauftrag erhalten. Was hat dich an diesem Auftrag besonders gefreut?

Persönlich hat mich gefreut, dass das RSO, das ich hoch schätze, mich als Komponisten wahr- und ernst nimmt. Künstlerisch war die Möglichkeit, für ein großes Orchester komponieren zu können, sehr erfreulich. Solche Gelegenheiten sind ja für die meisten KomponistInnen sehr rar geworden.

„Broken Lines“ ist im Auftrag des Symphonieorchesters Vorarlberg entstanden, doch die Aufführung wurde durch Lachen und lautes Reden des Publikums gestört. Hast du aus dieser negativen Erfahrung irgendwelche Konsequenzen gezogen?

Erstaunlich für mich war damals, dass der „störende“ Teil des Publikums in mir wahrscheinlich einen frechen und dilettantischen Provokateur sah. Ich hingegen sah und sehe mein Stück als gediegenes, gut gearbeitetes Produkt einer musikalischen Entwicklung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese grundsätzlich unterschiedliche Auffassung rührt höchstwahrscheinlich von einem Informationsdefizit in Bezug auf Neue Musik her.

Folgeaufführungen

Zahlreiche deiner Werke beweisen ihre Qualität durch mehrmalige Aufführungen. Wie wichtig sind dir Folgeaufführungen und wie verändern sich die Interpretationen?

Uraufführungen sind wichtig, Folgeaufführungen sind wichtiger. Dabei kann alles Mögliche passieren, was Interpretation, aber auch die eigene Einschätzung des Stückes betrifft. Bei oftmaligen Wiederaufführungen von solistischen Stücken durch denselben Interpreten ist es vorgekommen, dass sich der Interpret das Stück „zurechtspielt“. Das sehe ich nicht negativ, sondern als persönliche Note in der Interpretation.

Eines meiner Ensemblestücke wurde von „der reihe“ uraufgeführt und ein paar Jahre später vom „ensemble 20. Jahrhundert“ zweimal wieder gespielt. Beide Interpretationen waren hervorragend, aber jedes der Ensembles hat einen anderen Aspekt der Musik unterstrichen. So etwas sehe ich als Glücksfall.

Solowerke

Zuletzt hast du auch Solowerke komponiert. Geschieht dies auch aus pragmatischen Gründen oder ist es Zufall?

Beide von dir genannten Elemente spielen eine Rolle. Der pragmatische Grund liegt auch auf der Seite der Interpreten, die dadurch Stücke bekommen, die sie unabhängig von anderen musikalischen Partnern programmieren und aufführen können. Solowerke ermöglichen das flexibelste, das wendigste und das nuancenreichste Komponieren überhaupt. Je größer das Ensemble, desto träger wird der „musikalische Apparat“.

Elektronik

Wie siehst du die Verbindung zwischen Musik und Elektronik?

Dieses Thema macht mich immer etwas wehmütig, denn ich habe das Gefühl, hier etwas versäumt zu haben. Ich mag sehr vieles an der Klangwelt der elektronischen Musik, ich weiß aber, dass man sich genau und intensiv damit beschäftigen muss. Es würde mir nichts bringen, ein vokal/instrumental gedachtes Stück durch „ein oder zwei elektronische Tricks“ zu erweitern.

Uraufführung

Ende Oktober wird das Paul-Hofhaymer-Ensemble unter der Leitung von Herbert Grassl in Salzburg das „Madrigalbuch für sieben Gesangsstimmen“ zur Uraufführung bringen. Wie bist du vorgegangen?

Die Stücke, die ich für die Hofhaymer-Gesellschaft geschrieben habe – die kommende Uraufführung ist das dritte – haben mich dem Komponieren von Vokalmusik nahe gebracht. Ich glaube, ich bin dabei von mal zu mal frecher und anspruchsvoller geworden. Auch die Länge des Stücks stellt für mich eine Neuheit da.

Das Werk umfasst neun Stücke, sechs davon auf Texte von Dichtern und drei textlose „Interludien“. Diese neun Abschnitte sind symmetrisch angeordnet. In vier Stücken werden tatsächlich alle sieben Stimmen verwendet, weiters gibt es ein Sextett, ein Quintett, ein Quartett und einige einander abwechselnde und ineinandergreifende Trios.

Der Titel des Werkes impliziert einen Verweis auf alte polyphone Vokalmusik. Warum hast du diesen Titel gewählt?

Zwischen den Texten besteht kein Zusammenhang, so erschien mir der Titel „neutral“ genug. Vorbilder dazu sind natürlich auch Madrigalbücher der Renaissance, deren Texte häufig auch nur inhaltlich lose miteinander verbunden sind.

Rezeption

Die aktuelle Ausgabe der Musikzeitschrift „Positionen“ ist der Rezeption und Subventionierung von neuer Musik gewidmet. Unter anderem ist dort zu lesen, dass die „Braven“ von Geldgebern bedient werden und gleichzeitig neue und originelle Werkzugänge verhindert werden. Wie siehst du die Szene des aktuellen Musikschaffens und die Rezeption der neuen Musik?

Diese Frage ist sehr komplex, weil heute so viele Musikstile und –arten nebeneinander existieren wie noch nie zuvor. Ich sehe das Problem in der Rezeption der Neuen Musik vor allem darin, dass viele Menschen, angeregt durch die tosende Überflutung der (neuen) Medien, mittlerweile Kunst nur mehr auf Unterhaltung reduzieren. Auch Veranstalter klassischer Musik tragen dem Rechnung, weil sich der Betrieb ja „rentieren“ soll und muss. Das schwächt die Position jener MusikerInnen, für die ihre Kunst noch etwas mit „unter die Oberfläche schauen“ zu tun hat. Und es rückt eben jene ins Rampenlicht, die brav ihre musikalischen Seifenopern abliefern.

Montag, 28.Oktober 2013, Christus Kirche, Schwarzstraße Salzburg, 19:30 Uhr
„Madrigalbuch“ für Sopran, Mezzosopran, Alt, Counter, 2 Tenöre und Bass. Paul-Hofhaymer-Ensemble unter der Leitung von Herbert Grassl. (UA)

Dieses Interview ist zuerst in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft erschienen.

http://www.michael-amann.at
http://www.musikdokumentation-vorarlberg.at