„Dem Maulwurf auf den Kopf gekackt …“ – mica-Interview mit HANNES DUFEK

Von „Momo“ über „Sturmkind“ und „Major Dux“ zieht sich eine kontinuierliche Linie zur nunmehr schon vierten Arbeit des jungen Wieners Hannes Dufek im Bereich Musiktheater für Kinder: Im Rahmen von Wien Modern hat am 7. November 2014 „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ Premiere. Mit dem Komponisten sprach Christian Heindl.

Kinderopern bzw. Musiktheaterstücke für Kinder sind nicht unbedingt eine bei jedem Komponisten vertretene Gattung. Wie kam es zu dieser Auseinandersetzung?

Hannes Dufek: Zunächst war das sehr sachlich: Der Verein makemake produktionen hat unserem Verein Platypus eine Anfrage geschickt, ob wir jemanden haben, der das machen kann. Die Kollegen haben alle abgewunken, aber mich hat das interessiert. Und mittlerweile sind wir ein Team in diesem Bereich und alle gute Freunde.

Das erste Projekt dieser Art war „MOMO oder die Legende vom Jetzt“, das bei Wien Modern 2011 im Dschungel Wien uraufgeführt wurde. Wie hat sich das in der Folge entwickelt?

Hannes Dufek: 2012 kam „Sturmkind“ mit denselben Leuten am Staatstheater Oldenburg. Das war doch schwierig, weil wir dort mit dem Druck des Staatstheaterbetriebs, der Arbeit an einem mittleren Haus, konfrontiert waren. Da war die Arbeit an „Momo“ um einiges lustiger. – Kurz darauf machten wir dann im Frühjahr 2013 im Festspielhaus St. Pölten „Major Dux“: ein Auftragswerk des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich, dem musikalisch die Suite aus „Porgy and Bess“ zugrunde lag. Da gibt es eine entsprechende Schiene, bei der man bekannte Komponisten heranzieht, und so habe ich mit Elementen von Gershwin gearbeitet, die ich aber mit neuen Kompositionen ergänzt habe.

Wie kam nun die Idee zum diesjährigen „Maulwurf“?

Hannes Dufek: Das habe ich vom Team übernommen. Das heißt, der Stoff und die Grundkonzeption waren schon da. Es gab das Kinderbuch von Werner Holzwarth und Wolf Erlbruch, Sara Ostertag und Christian Schlechter haben ein Konzept für Bühne und Regie erstellt, die Songtexte stammen von Peter Ahorner, den man von den Strottern kennt, und so haben wir versucht das gemeinsam im Team weiterzuentwickeln.

Wieweit kommt der Komponist bei einem so entwickelten Stück zur „Selbstverwirklichung“?

Hannes Dufek: Ich bin da vergleichsweise uneitel, was die Musik betrifft. Manchmal sagt mir Sara, das ist zu lang oder das ist zu dicht! – Da habe ich meistens kein Problem damit.

Richtet sich der „Maulwurf“ an Kinder als Publikum oder ist auch eine aktive Beteiligung der Kinder vorgesehen?

Hannes Dufek: Eine aktive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gab es bei „Supernova“ bei SZENE BUNTE WÄHNE 2013, da haben fünf Kinder bzw. Jugendliche zwischen 7 und 15 Jahren mitgespielt. Alle anderen dieser Stücke richten sich an die Kinder als Zuseher.

Gibt es da nach nun doch schon einer ganzen Reihe an Stücken einen durchgehenden Tenor oder sind die Reaktionen – vielleicht auch ortsspezifisch – sehr unterschiedlich?

Hannes Dufek: Bei „Momo“ war alles sehr direkt, sehr intensiv, weil der Raum auch sehr eng war und das Spiel sehr nahe an den Kindern stattfand, die Schauspieler ins Publikum gingen, Flyer verteilten etc. – Das kommt sehr gut an bei den Kindern. Auf der großen Guckkastenbühne, wie wir sie in Oldenburg und St. Pölten hatten, ist einfach eine Distanz da. Da sind die Kinder zwar auch gebannt vom Geschehen, aber die Reaktionen sind nicht so unmittelbar.

Faszinierend am Theater für Kinder ist ja, dass diese oft ganz anders als Erwachsene reagieren.

Hannes Dufek: Nach „Momo“ hat ein kleines Mädchen gesagt: „Wenn die Freunde auftreten, ist die Musik so warm, und wenn die grauen Herren auftreten, ist sie grau.“ – Das ist toll, völlig unvermittelt, vorbei an allen musiktheoretischen Begriffen.

Musiktheater für Kinder ist ja keine inflationär auftretende Gattung in der Musikgeschichte. Gab es konkrete Vorbilder?

Hannes Dufek: Als es mit „Momo“ begann, habe ich es einfach probiert. Natürlich hat man die Idee als zeitgenössischer Musiker: Es darf nicht zu banal werden.

Wieweit „verbiegst“ du dich als Komponist, wenn du für Kinder schreibst?

Hannes Dufek: Ich würde nicht sagen, dass ich mich verbiege. Ich habe nicht eine einzige „Form“, wie ich komponiere. Es gibt einfach verschiedene Möglichkeiten – natürlich muss aber alles mit Raffinesse gemacht sein. So ist es wirklich ein Privileg, ein Schatz, dass ich in verschiedene Welten eintauchen kann.

Kann man die Musik zum „Maulwurf“ eher in Richtung einer Bühnenmusik oder einer Oper einordnen?

Hannes Dufek: Eine Kinderoper – großes Wort! – ist es nicht, auch wenn darin Stücke wie z. B. Soloarien vorkommen. Es ist eben Musiktheater für Kinder. Es gibt gestaltete Momente, die hoffentlich nicht auseinanderfallen. Es soll jedenfalls keinen Revuecharakter haben, obwohl es Nummern sind.

Was sind konkrete Bestandteile der „Maulwurf“-Musik?

Hannes Dufek: Es gibt da drei Strategien. Die erste ist inszenatorisch bedingt und quasi-pragmatischer Natur – das sind „Suchmusiken“ zwischen den Tierszenen, während beispielsweise die Darstellerin der Tiere sich umzieht. Dann ist natürlich die Harmonik wesentlich, in diesem Fall arbeite ich oft mit bitonalen Akkorden bis hin zu sanften Clustern. Und drittens sehr markante Vorschläge – über die vor allem der Saxophonist flucht! – Diese drei Elemente ergeben doch ein sehr charakteristisches Ganzes. Dazu kommen auch sehr viele Zitate, z. B. von Beethoven und Schubert.

Können solche Zitate von den Kindern überhaupt aufgegriffen werden, immerhin richtet sich das Stück auch an ganz kleine Zuseher.

Hannes Dufek: Für Dreijährige kann es generell schwierig werden, aber wenn die Musik mit der Szene eine Einheit bildet, dann entsteht vermutlich keine Überforderung. Gerade die ganz Kleinen darf man aber nicht erschrecken, etwa durch Grellheit oder Lautstärke. – Die Zitatebene hat sicher eine Eigendynamik. Mir macht das Spaß, aber es soll auch ästhetisch passen! Die Zitate sind so „aufgeladen“, dass sie auf die andere Musik einwirken – wie eine unterirdische Ebene.

Weiß man bei den Zitaten jeweils, warum sie eingesetzt werden?

Hannes Dufek: Einerseits ist es eine schöne Brechung, wenn in einem Stück über das Kacken aus der Musikgeschichte zitiert wird. Aber es geht schon tiefer. Wenn gleich am Anfang, in der Ouvertüre das Schicksalsmotiv aus Beethovens Fünfter erklingt, dann hängt es damit zusammen, dass sich da auch das Schicksal des Maulwurfs in dem Moment ändert, als ihm auf den Kopf geschissen wird. – Oder der existentiell getriebene Hase, ein Fluchttier: Da erklingen die Wanderer-Fantasie und der zweite Satz aus der „Mondschein“-Sonate, der auch Getriebenheit versinnbildlicht. Mein Umgang mit den Zitaten ist immer auch ein bisschen respektlos.

Die Gefahr bei Musik, die mit Zitaten arbeitet, ist, dass das Neue überhört wird. Wird man auch echte Dufek-„Hits“ hören?

Hannes Dufek: Das Kuhstück geht einem nicht mehr aus dem Kopf! – Ich glaube schon, dass etwas von der Musik hängenbleibt. Aber ganz egal auf welcher ästhetischen Ebene man arbeitet: Man muss es gut machen. Die Sorgfalt muss bei allem, was man macht, vorhanden sein; die Liebe zum Detail! Davon – u. a. davon – lebt die Musik.

Eine Moral, die man aus der „Maulwurf“-Geschichte mitnehmen kann?

Hannes Dufek: Es ist schöner, das Leben mit Freunden zu verbringen, als allein.

Christian Heindl

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