„DAS WEGSEIN UND DAS FREISEIN SPIELEN BEIM MUSIZIEREN EINE GROSSE ROLLE.“ – NADINE ABADO IM MICA-INTERVIEW

Die Bassistin und Sängerin NADINE ABADO, bekannt von der rockigen All-Female-Formation PROPELLA, wird sich diesen Sommer in Ruhe ihrem ersten Solo-Album widmen. Einstweilen ist sie als Theatermusikerin im Rahmen des aktuellen Stückes des vielgerühmten AKTIONSTHEATER ENSEMBLES aktiv. In Wien wird MARTIN GRUBERS „Die wunderbare Zerstörung des Mannes“ von 13. bis 17. Juni im KOSMOSTHEATER gewohnte Männerbilder „überrollen“. Michael Franz Woels traf NADINE ABADO Ende April bei den Proben im Theater Heuschreck. 

Sie haben den Künstlernamen PH LION, welche Geschichte verbirgt sich dahinter?

Nadine Abado: Der Begriff steht für Philippinischer Löwe, ein Spitzname, den ich auf den Philippinen aufgrund meiner “wilden Haare” bekommen habe. Ich mag den Klang des Namens (Anm: [piː] [eɪtʃ] [ˈlaɪ̯ən]) und ich mag diese Assoziation des Reisens und Wegseins, des Freiseins. Dieses Wegsein und Freisein spielt ja auch beim Musizieren eine große Rolle. 2016 habe ich mich dafür entschieden, diesen Namen für meine Solo-Projekte zu verwenden, entstanden ist der Name schon ein paar Jahre früher. Ich hatte also schon etwas Zeit, mich mit dem Namen vertraut zu machen. Jetzt im Theaterkontext verwende ich auch meinen “echten Namen” und fühle mich wohl damit, beides zu verbinden und zu verwenden.

Was würden Sie als Ihren musikalischen Fokus bezeichnen?

Nadine Abado:
Bei mir baut sich viel über die Stimme auf, natürlich auch beim Song-Schreiben. Dann bediene ich mich des Basses oder der Gitarre, je nach emotionaler Lage. Um einen Sound zu kreieren, den ich mag, verwende ich Effektgeräte für die Stimme, mit denen ich Beats einklopfe, mit der Zunge schnalze, etc. Durch das Morphen und Loopen entsteht ein stimmlich generierter Beat, es entstehen verschiedene Layer, die Stimme legt sich dann darüber.

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Englisch ist die Sprache, in der Sie sich am liebsten musikalisch ausdrücken?

Nadine Abado: Deutsch fühlt sich für mich nicht wie meine natürliche Gesangs-Sprache an. Substanz und Authentizität sind mit dem Singen in Englisch einfach näher verbunden.

Könnte das nicht auch mit den persönlichen Hörerfahrungen zusammenhängen? Hören Sie vermutlich vor allem Musik mit englischen Texten?

Nadine Abado: Das ist bestimmt zum Teil ein Grund. Zum anderen gab es zu Hause ein Sprachen-Mischmasch, mit dem ich aufgewachsen bin. Es wurde viel Englisch gesprochen, auch Arabisch, manchmal wurden in einem Satz drei Sprachen verwendet. Deutsch war natürlich im Großen und Ganzen schon meine Hauptsprache, aber ich habe dazu nicht einen exklusiven Bezug.

Inwiefern haben Sie sich mit arabischer Musik beschäftigt?

Nadine Abado: Mein Onkel Marwan Abado ist Komponist, Sänger und Oud-Spieler. Ich habe mit ihm auch schon gemeinsam gespielt, 2016 im Rahmen des musikalischen Adventkalenders von Friedl Preisl im TAG (Theater an der Gumpendorferstraße). Ich mag seine Musik sehr gerne, sie ist wunderschön. Leider habe ich als Kind das Oud-Spielen nicht gelernt, aber vielleicht fange ich ja auch noch einmal damit an.

„Ich komme vom Grunge, das war ein wichtiger Baustein meiner musikalischen Sozialisation.“

Was sind aktuelle musikalische Einflüsse, oder anders gefragt, welche Hörgewohnheiten haben Sie stark geprägt?

Nadine Abado: Ich komme vom Grunge, das war ein wichtiger Baustein meiner musikalischen Sozialisation. Mike Patton hat mich sehr beeindruckt, ich fand ihn so umtriebig und habe gerne seine vielen, unterschiedlichen Projekte gehört. Und dann Musikerinnen wie PJ Harvey, Patti Smith, Lianne La Havas, Amanda Palmer oder Nina Simone.

Sie planen Ende des Jahres die Veröffentlichung Ihres ersten Soloalbums. Können Sie darüber schon etwas erzählen?

Nadine Abado: Die Sound-Ästhetik steht auf jeden Fall schon fest. Ich bin noch am Überlegen, ob ich auch mit anderen Musikerinnen und Musikern oder anderen Live-Instrumenten experimentiere. Das möchte ich über den Sommer erarbeiten, die Optionen selektieren. Der Pool an Songs, der schon vorhanden ist, wird ausgelotet.

Bild Die wunderbare Zerstörung des Mannes / Aktionstheater Ensemble
Die wunderbare Zerstörung des Mannes / Aktionstheater Ensemble (c) Stefan Hauer

Seit wann machen Sie Musik für Theaterstücke?

Nadine Abado: Ich habe 2011 mit meiner Band All-Female-Band Propella bei dem Stück Working Pure des aktionstheater ensemble mitgemacht. Wir haben damals für die Auftritte in Wien die Musik gemacht. Da war zum Beispiel auch noch Günther Berger von 78plus dabei. Ich habe als Solo-Musikerin auch bei einigen Salon d’ Amour des aktionstheater ensemble in Bregenz und in Wien mitgespielt.

Wie haben Sie den Probenprozess empfunden, wie haben Sie sich dieser Männerthematik genähert?

Nadine Abado: Ich mache hier als Frau Musik, sicher eine Komponente, die neben den Visuals von Claudia Virginia für Kontrast zu den sechs schauspielenden Männern sorgt. Nach dem Beobachten der Proben habe ich versucht, relativ unbefangen an die Musik heranzugehen und die Stücke auch von allen mitformen zu lassen. Es gab ja auch noch kein fertiges Stück, zu dem ich dann performen sollte. Ich bin sozusagen beim Entstehungsprozess eingestiegen. Das ist für alle die mitmachen denke ich eine schöne Zugangsweise.

Wie wirkt sich das konkret auf Ihre Spielweise aus?

Nadine Abado: Die zarten Elemente der Musik sind schon immer noch vorhanden, aber sie werden öfter gebrochen als in einem Solo-Set. Da sich alles so hochschaukelt im Stück, geht die Musik darauf natürlich ein.

Gibt es in dem Stück „Die wunderbare Zerstörung des Mannes“ auch autobiografische Elemente der sechs Schauspieler?

Nadine Abado: Es sind Fragmente von autobiografischen Erzählungen und Erfahrungen vorhanden, aber es ist kein Doku-Theater. Es gibt neben dem Text von Martin Gruber auch Texte von Elias Hirschl und Wolfgang Mörth, die miteinander verwoben wurden. Und es sollte auch für die Zuseher*innen dann nicht mehr klar unterschieden werden können, von wem die einzelnen Texte stammen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Michael Franz Woels

Links:
PH LION
Aktionstheater / Die wunderbare Zerstörung des Mannes