Das Universum Fuckhead – Ein mica-Interview mit Didi Bruckmayr

Fuckhead ist seit über zwei Jahrzehnten für seine aktionistischen und musikalischen Extreme weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Nicht nur weil Fuckhead (Michael Strohmann, Siegi Aigner, Didi Kern und Didi Bruckmayr) im nächsten Jahr wieder vermehrt auf der Bühne stehen werden und eine neue LP bei Noise Appeal Records veröffentlichen, sondern auch weil ihre Performances und Auftritte immer noch am Zahn der Zeit rütteln, haben wir zu einem Gespräch der Superlative gebeten. Als Interviewpartner haben wir Didi Bruckmayr, seines Zeichens Gründer von Fuckhead, Mitglied von Wipeout und Mussurunga vors Mikrofon gebeten. Nicht nur die Geschichte von Fuckhead, sondern auch etliche andere musikalische Randthemen und auch seine persönliche musikalische Sozialisation wurden mit ihm sehr ausführlich besprochen.

Fuckhead – Die Entstehung

Fuckhead gibt es seit 1988. Der erste Gig in der Linzer Kapu war für die Leute eher verstörend. Mein Bruder und ich sind damals mit einem richtigen Krachset angerückt. Wir haben damals keinen Tau gehabt. Wir haben einfach Bandmaschinen, Blechfässer und Soundeffekte benützt, um ordentlichen Lärm zu machen. Wir waren sehr zufrieden mit dem Ergebnis, dass Publikum hingegen war bestürzt.

Damals hatten wir unseren Proberaum im Keller unseres Elternhauses und noch dazu einen 4-Spur Kasettenrecorder. Ich habe lange Keyboard gelernt und wollte eigentlich auch Kirchenmusik spielen. Die Lehrer waren damals alle vom Linzer Musikhaus – so bin ich zu den ersten Drum-Machines gekommen. Ich habe alles dann auf das 4-Spurgerät aufgenommen. Wir haben damals aber nicht geprobt, sondern haben live eigentlich immer improvisiert.

Mit diesen 4 Spurrecorder habe ich damals auch Seven Sioux oder Stand To Fall aufgenommen. Damals ist das Mikro im Keller von der Decke gehangen. Irgendwie hat sich das herumgesprochen, dass da ein Typ ist, der lustige Eltern hat, die das tolerieren. Ich kann mich noch erinnern, wie dann in Fanzines wie dem Trust zu lesen war, dass das super Demos sind, nur die Hi-Hat ist zu laut! Also Hi-Fi war damals echt nicht angesagt und Perfektion war nicht gefragt. Das war halt der damalige Spirit: Punk. Es ist eher um die Energie gegangen.

Lautstärke
Mich persönlich hat das immer sehr interessiert, denn ich denke, es braucht eine gewisse Lautstärke, den Schalldruck. Leise kann ich es mir eh zu Hause anhören. Schalldruck ist auch ein wichtiger Moment in der Ekstase. Musik hat immer einen rituellen Charakter gehabt. Gewisse Frequenzen oder Rhythmen tasten den Körper ab und führen zu Endorphinausschüttungen und man gerät dadurch in Rauschzustände. Das ist meiner Meinung einer der ganz zentralen Faktoren.

Einer der Ansagen in der früheren Punkzeit war: “Schneller, Lauter, Härter”. Aber vor allem das “Lauter” war am wichtigsten, denn leise haben wir es eh zu Hause gehabt.
Ich war durch meine Mutter schon sehr früh auf klassischen Konzerten mit großen Klangkörpern wie zum Beispiel Barock- und Renaissanceopern. Da hab ich schon durch diese großen Orchester den Eindruck bekommen, dass Schall eine physische Wirkung hat, die dann auch immer eine geistige Wirkung produziert. Nachdem hab ich immer wieder gesucht. Deshalb hat mich auch der Industrial zu interessieren begonnen. Bands wie Whitehouse, die mit Sinusgeneratoren gearbeitet haben, wo es um das pulsieren gegangen ist, also um die Kickdrum, die schön in den Bauch fährt.

Beispielsweise war für mich einer der beglückendsten Erlebnisse als ich endlich einmal auf einer größeren Bühne stand und mein Bruder in die Kickdrum tritt und mich es gleich um einen Meter versetzt. Da hab ich mir gedacht: “Das ist es! Das ist die Kickdrum!”
Ich kann mich da beispielsweise noch an ein Motörhead-Konzert erinnern. Die habe ich gesehen als Kind und das war so laut, dass ich teilweise gar nicht sagen habe können, welche Nummern sie spielen. Aber es war egal, denn man hat es einfach gespürt – und das war beeindruckend!

Techno
Ja, Techno war für mich die Perfektionierung von dem, was eigentlich im Punk angefangen hat. Nehmen wir zum Beispiel“ Discharge” her, der schwere Bass und der Beat: das Repetitive. Und dann ein anderer Schauplatz: DAF. Diese Band war für mich auch ein Quantensprung, weil da auch die Bässe da waren. Und dann natürlich EBM. Der Techno hat das dann perfektioniert. Da habe ich mir gedacht: “Jetzt habe ich das, was ich haben will!” Die Kickdrum, die massiv reinfährt. Es ist repetitiv, manche Nummern haben auch Basslines und das ganze emuliert andauernd, verändert sich und ich muss mich gar nicht viel konzentrieren, einfach reinfallen lassen. Es ist wie ein Rausch gewesen.

Dann sind irgendwann mal die Breakbeats gekommen.  Dann war Jungle mit diesen abgedrehten Beats im Wiener Flex. Das stellte sich auch schnell als eine Alternative zum Techno heraus, weil damit noch tieferen Bässe gearbeitet wurde. Techno war zu dieser Zeit höherfrequenter.

Meine liebe zu Techno hat sich zwar ein bisschen abgekühlt, dennoch hat es mich über die Jahre immer interessiert, was gerade in dieser Szene geschieht. Aber was ich über die Jahre hinweg ständig gehört habe, war Drum&Bass. Mich interessiert einfach ganz stark der Grundgedanke der dahinter steht und das sind die Bässe. Der physische Eindruck wird mich immer begeistern. Soviel ich immer mit dem Avantgarde-Musik Sektor zu tun habe, ich kann damit immer weniger anfangen, es ist mir einfach zu kopflastig. Die Aufmerksamkeitsspanne ist da bei mir mittlerweile schon sehr beschränkt. Ich gehöre eher in einen Club als in einen “White Cube” wo einer an einem Sinusgenerator herumdreht und hochfrequente Töne fabriziert. Ich habe solche Veranstaltungen oft erlebt, aber das waren nie Orte einer Sinnlichkeit oder einer großen Freude. Da ist es eher um eine Pose gegangen. Gewisse Signale eignen sich eher nicht für freudige sinnliche Ereignisse. Da geht es einfach um etwas anderes. Wahrscheinlich um Reflexion und nachdenken, aber dafür laden sie mich auch zu wenig ein. Weil wenn ein Ton anfängt mich wirklich zu schmerzen, dann interessiert mich das überhaupt nicht.

Texte, Körperlichkeit, Sinnlichkeit

Die einzigen Texte, die ich als Kind noch viel gelesen habe, waren David Bowie Texte. 1976 war ich in England und da habe ich das schon mitbekommen mit den frühen Punkbands. Dann hat mich das auch mit den Texten nicht mehr so interessiert, außer die minimalistischen Texte, wie zum Beispiel von “The Wire –  1 2 X U” oder von “DAF – Verschwende deine Jugend”. Das waren ja Slogans und das hat sich ja auch perfekt eingefügt. Ich finde, dass diese Phrasen das damalige Lebensgefühl perfekt erklärt haben und das hat völlig ausgereicht. Ich persönlich habe auch als Texter nie viel Energie gehabt. Ich bemühe mich auch weiterhin, dass ich Aussagen treffe, aber je kürzer die Texte sind, umso besser. Am liebsten ist es mir, der Text ist so kurz, dass er die Musik nicht stört. Ich habe mich da auch immer mehr als Entertainer gesehen. Das hat mich auch bei den frühen Punkbands fasziniert, weil ich habe die Texte nie verstehen können und wenn ich die Band dann mal live gesehen habe, habe ich mir gedacht, der hat keinen Text, der grunzt und schreit. Aber war ja der beste Ausdruck überhaupt, das ist die nackte Wut.

Konzertcharakter vs. Performance 1. Phase

Nachdem der Josef Linschinger als Bassist zu uns gekommen war, der auch den Michael Strohmann brachte, hat sich etwas geändert. Zu dieser Zeit haben wir uns in einem relativ spießigen und Hardcore geprägten Umfeld behaupten müssen. Es gab Autrittsverbote und viele blödsinnige Missverständnisse, aber richtig eskaliert ist es mit dem neuen Lineup, das relativ brillant war.

Vor allem Linschinger hatte damals kapiert, dass man gewisse Sounds nicht durch technische Virtuosität erzeugt, sondern durch Experiment schafft – also das man eine Bassgitarre einfach anders spielt und anders angreift. Dadurch, dass beide (Strohmann und Linschinger) aus einem anderen Umfeld kamen, haben sie auch ihre Instrumente auch ganz anders benützt. Sie haben nach einem  Ausdruck gesucht, einen physischen Ausdruck, mit dem sie die Musik darstellen wollen. Damit waren Brüder im Geiste gefunden.

Dadurch dass sie aber auch manchmal Anleihen an der Konzertmusik des 20. Jahrhunderts und Free-Jazz genommen haben, waren mein Bruder und ich auch manchmal überfordert. In den großen Zeiten war das aber durch diese Pluralität eine aufregende Liveband. Also der Irrsinn, der da stattgefunden hat, war schon aufregend. “Die wissen nicht mehr was sie tun” war dann auch oft der Tenor im Publikum.

Wie gesagt, so hat diese Performancegeschichte auch angefangen. Wir haben schon relativ bald begonnen, eine Schlussbild zu stellen, das im Laufe der Zeit den Konzertcharakter “beschädigt” hat. Da war dann viel Zweifel im Publikum, weil einfach sehr viel Aggression von der Bühne herunter gekommen war, die ich aber eigentlich immer als sehr positiv empfunden habe. Aber für uns waren das dann die großen Momente. Und so hat das dann zum Wachsen begonnen.

Performance vs. Konzertcharakter – 2. Phase

Ich habe auch durch Techno gesehen, dass man einfach eine Band verschwinden lassen kann. Es hat da einmal eine Zeit gegeben, wo nur mehr der Klang da war und ich hab mir damals auch gedacht, vielleicht könnten auch wir “verschwinden”, wenn wir imstande gewesen wären, den Klang zu produzieren und wir diesen sozusagen gar nicht mehr “spielen” müssen. Und die Energie nur mehr durch Stimme und Körper transportieren und einhergehend damit, die Bühnensituation auflösen könnten. Und dann haben wir damals auch diese schwierigen Zeiten der Suche gehabt. Wir waren uns nicht sicher, ob wir noch eine Band sein wollen, die spielt. Damals hatten wir auch Themenabende wo gekocht worden ist, diese Banquette mit Performances und DJs. Und die DJs waren dann ein Problem. Linschinger hat beispielsweise diese Form von musizieren verabscheut. Er hat gemeint, dass es irgendwie eine dümmliche Form von Unterhaltung ist. Es hat damals auch mehrmals an Abenden, an denen auch DJs gekommen sind, Schreiduelle gegeben. Also da haben wir die Spannung gehabt, dass einer sagt, dass ist keine Musik und der Andere aber meint, dass ist der Kern der Musik. Und dazwischen haben wir uns aber auf die Performances einigen können. Wir standen immer zwischen allen Stühlen.

Wir waren dann auch bei Mego und haben elektronische Platten gemacht, die schon Post-Rock waren, aber auch diese Ambientelemente drin gehabt haben. Also wir waren weiterhin auf der Suche nach Ekstase. Dann sind meine blutigen Performances gekommen, die völlig abenteuerlich waren – ohne sorgfältige Vorbereitung und immer alles sehr spontan.
Wie uns dann Thomas Pichler (Bass) verlassen hat, war für uns klar, dass wir ihn nicht mehr nachbesetzen werden, weil jetzt die Zeit ist, wo wir mit Elektronik weitermachen werden. Wir haben zwar nicht genau gewusst, wie wir tun sollen, aber wir haben gewusst, dass das in die richtige Richtung gehen könnte.

Wir waren damals in vielen Sachen kritisierbar, aber nicht in Zusammenhang mit Originalität, weil es einfach anders war. Und da ist aber auch der damalige Bassist gekommen und hat gesagt, dass wir so weitermachen sollen, weil wir so unseren Weg finden können. Anders hat das kein Sinn, weil ihr werdet immer streiten. Und dann ist mein Bruder ausgestiegen und mit Didi Kern war dann der Mann da, der ein Jazzdrummer war. Er hat immer auch schon eine ganz schön rasante Double-Bass gespielt. Aber dann sind wir auch oft abgedriftet in diese elektronischen Experimente. Kern ist auch völlig zugute zu halten, dass er völlig anders sozialisiert worden ist, er hat sich nicht so viel auf den musikalisch-theoretischen Diskurs konzentriert, sondern wollte einfach nur spielen. Gerade sein direkter Zugang, auch weil er damals DJ war, schätze ich an ihm sehr.

Rockmusik vs. Techno

Die Rockmusik ist damals Anfang der 90er Jahre in eine Krise gestürzt worden und es hat plötzlich eine neue Semi-Prominenz gegeben, vor allem in Wien, die die Chance gesehen haben mit der Hornbrille am Kopf und mit einem Plattenkoffer sich massiv wichtig zu machen und plötzlich auch in Magazinen Credits gekriegt haben: so läppisch war das damals. Und das hat einen Haufen Leute erbost. Mich hat echt damals einer angesprochen, ich glaube er war ein Jazzdrummer oder Gitarrist, als wir damals auch schon mit Wipeout gespielt haben und gesagt: “Ich glaub ich fange jetzt auch an mit dem blöden Techno, damit ich auch wieder Publikum habe.” Als ob das so leicht gewesen wäre.

Die Leute haben das damals nicht kapiert, dass das ganz schwer war. Ein Quantensprung war das ja auch, weil die PAs auch ganz anders werden haben müssen. Weil es ja damals fast nur PAs gegeben hatte, die auf Rockmusik ausgelegt waren, sind die regelmäßig wegen Überhitzung auf Stand-By Mode gegangen. Diese Monotonie, so lange immer mit dem gleichen Pegel, dass waren die Anlagen nicht gewohnt. Die PA-Verleiher haben aber schnell kapiert, dass es jetzt in eine andere Richtung geht – da hat es dann die Basswürfel gegeben und sie haben ganz andere Boxen gebracht. Es hat sich auch da was geändert.

Es hat da auch eine Zeit gegeben, wo kein MC – außer beim Hip-Hop – auf der Bühne gestattet war: Techno. Das war auch bei Wipeout ein Riesenproblem und auch bei Fuckhead. Die Gitarre vom Didi Neidhardt hat sozusagen dazu geführt, dass wir einige Raves mit Wipeout nicht spielen haben können. Da sind Leute gekommen und haben gesagt, eine Gitarre interessiert uns nicht, denn eine Gitarre ist ein Statement für Rockismus und genau den wollen wir aus dem Genre draußen haben – und das hab ich im Endeffekt auch respektiert.

Ideologismen, Stil, politischer Hintergrund

Ja, jetzt sind wir in der Phase des totalen Eklektizismus. Im Prinzip soll jeder tun, was er will und dafür ist die Populärkultur auch da. Das Publikum regelt das doch sowieso. Ich brauche mir etwas auch nicht ansehen, ich brauche mir das auch nicht anhören, wenn ich damit nicht klar komme. Also ich habe diese Stilpolizei und die damit einhergehenden Ideologiediskussionen immer als unglaublich lähmend empfunden.

Ich bin so aufgewachsen, dass man schon eher in eine Richtung zu denken hat und quasi “uniform” auszusehen hat. Und wie ich dann einmal so ungefähr 1981 in Linz als Schüler Willy Warma gesehen habe, war ich einfach hin und weg: einfach mal nicht Denken. Mehr hat mich gar nicht interessiert und so haben es glaub ich die Meisten empfunden. Und das dann plötzlich die Ideologiediskussionen losgehen, also “Kultur hat immer Ideologie” in sich, einfach Party machen kann es ja nicht sein, wo ist die Botschaft? Fuck the System? Wir waren ja eigentlich alles Mittelstandskinder und Gymnasiasten, der Rest waren Lehrlinge. Die Form von wirklicher Armut und das Punkrock keine Pose ist sondern eine Art von kostümierten Sandlertum haben wir dann eh erlebt. In Deutschland war das eine Spur härter, also die besetzten Häuser, etc… Für uns war das eher eine Gaudi. Für mich war es eher wichtig, dass ich da mal nichts denken muss, dass ich mich für nichts rechtfertigen muss und aus. Ich gehe dort hin und schau mir das an. Dann habe ich mit Entsetzen mehr und mehr bemerkt, dass man einen Stil haben muss und das man aufpassen muss, was man sagt: also Sachen wie Sexismus oder das Gegenteilige von Links wären mir ja nie eingefallen. Aber das man sich plötzlich in seiner Darbietungsweise einer Selbstzensur unterwerfen muss, war für mich bizarr.

Mitte bis Ende 80er

Damals wurde die Musik ja sehr reich an Ausdrucksformen, deshalb sind andere Leute irgendwie dogmatischer geworden: also der Punk muss jetzt halt so klingen. Das ist unser Reich und es kann einfach nicht jeder dazu gehören. Das war die klare Abkehr vom Punk der ersten Stunde. Es hat in dieser Zeit jeder irgendwie angefangen seine Claims abzustecken. Es ist dann eh nichts mehr weiter gegangen und es war musikalisch auch unbefriedigend – es waren die dürren Jahre. Diese Claims hat man dann auch bei Konzerten bemerkt, wo beispielsweise in unserem Fall auch manchmal die Nazikeule gekommen ist, nur weil ein paar Verrückte nackt umher laufen. Und das hat mich dann so aufgeregt, weil ich mir gedacht habe, was wollen die, dass ist ja das pure Spießertum, die haben Angst vor sich selber! Haben sie Angst davor, dass ein paar nackte Typen für sie zu peinlich sind? Ist das für die harten Männer ein Problem oder haben sie Angst, dass diese Typen schwul sind? Also alles was in diesem Milieu nicht sein hätte dürfen ist gekommen: vor allem Homophobie. Also wir haben damals getan was wir wollten: Barockengerl sind nackt, also sind wir auch nackt. Darüber ist gar nicht lang diskutiert worden.

Ende der 1990er Jahre

Es kann schon sein, dass unsere Performances von der Ausstrahlung her negativ waren. Den Eindruck habe ich aber nicht gehabt. Wir haben auch immer aufgepasst, ob auch der Damenanteil bei einem Konzert stimmte, weil oft die Party “kippt”, wenn nur mehr Typen kommen. Wir haben ja diese Phasen auch erlebt, wie wir unsere Extremperformances gemacht haben, als dann nur mehr Typen gekommen sind. Es war nur mehr Härte, Härte, Härte – und dann kippt es einfach. Das war so Ende der 1990er Jahre. Da haben wir es schon übertrieben. Irgendwann zu dieser Zeit ist auch der Josef Linschinger ausgestiegen. Dann ist Siegi Aigner fix dazugekommen, der in der ersten Zeit als Gastsänger fungierte. Ich muss auch sagen, dass diese Zeiten wie im Rausch vergangen sind. Mir wird immer viel erzählt, einiges halte ich für urbane Legenden, aber ich kann mich an viele Konzerte einfach nicht erinnern. Das hatte jetzt nichts mit Drogen oder so zu tun. Aber es waren diese Erschöpfungs- und Rauschzustände, nicht viel schlafen, viel trinken: deshalb kann ich mich an viele Dinge nicht erinnern.

Fuckhead & Drogen
Also das wir bei Fuckhead jemals harte Drogen genommen hätten, sind absolute Mythen. Auch im Techno waren Drogen für mich nicht wichtig. Ich habe getanzt, getanzt, getanzt und Bier getrunken. Die spannenden Momente waren ja die, wenn man in der Nacht geschlafen hat und erst in der Früh zu den Raves gegangen ist, die bis Mittag gegangen sind. Da bist du plötzlich in einer Parallelwelt, wo die Zeit auch schon eine andere Dimension hat und die ganze Energie eine andere ist. Die Linzer Gayboys sind erst immer in der Früh tanzen gekommen. Es war für mich magisch, stundenlang tanzen zu können. Drogen haben wir bei Fuckhead nie genommen, außer Alkohol. Natürlich habe ich mit Drogen herumexperimentiert, habe das aber immer sehr sorgfältig gemacht und nie exzessiv betrieben. Also bei Fuckhead war es so, dass wir immer das Hirn bei der Garderobe abgegeben haben und gemacht haben, was wir wollten. Ich kann mir schon vorstellen, dass das streckenweise enorm krass gewirkt hat – nackte Typen mit zugeklebten Genitalien, die ordentlichen Krach machen. Aber die Faustregel war, maximal 3 Bier vor der Show. An das haben sich eigentlich immer alle gehalten.

Fuckhead & Gewalt

Über die Jahrzehnte hat es bei einer Show eigentlich ganz selten gröbere Wickel gegeben.  Es gab eher Anzeigen von Polizei und besorgten Eltern. Die haben sich dann durchwegs an mich gerichtet. In der langen Zeit hatte ich einmal eine Rauferei, die in irgendeiner Form im Zusammenhang mit der Show stand. Das war es, also können unsere Shows nicht so negative Gefühle provoziert haben. Für viele Zuschauer waren unsere Shows meistens irgendeine Form der Befreiung. Das hat man besonders in Japan gesehen. Ich habe eigentlich immer gute Erinnerungen.

Die Kunstwelt

Die Kunstwelt hat uns beobachtet, aber meistens immer außen vor gelassen, weil es zu viel Underground und zu viel Furor war. Wir waren dann aber das Missing Link in der Megowelt. Auf der einen Seite die Geeks, die an den Laptops schrauben, auf der anderen Seite aber ein Publikum, dass schon mehr erleben will. Die haben dass dann durch uns bekommen. Wir haben durch die elektronische Oberfläche einiges verbinden können – oder zumindest einiges “entschuldigen” können. Aber ich glaube, wenn wir nicht diese Späße dabei gehabt hätten, hätten wir irgendwann die Freude daran verloren – das war einfach jeden wichtig.

Der Mittelweg

Also es ist immer ein gewisses Problem gewesen, auf der einen Seite, musikalische Qualität zu bieten, auf der anderen Seite eine interessante Performance abzuliefern. Hier einen Mittelweg zu finden, war und ist auch heute noch immer nicht leicht. Also ich habe immer den Zugang gehabt, alle Rockartefakte völlig verschwinden zu lassen. Für das bin ich auch heute noch. Eigentlich nur mehr zu Gunsten einer gewaltigen Performance, mit dem Ziel, dass wir völlig verschwinden. Darum hat mich auch die 3D-Visualisierung zu interessieren begonnen. Also wir, die “Band” nur mehr als Operatoren des Ganzen. So hab ich auch immer das Idealbild eines Raves gesehen: du gehst wo rein, der Sound rüttelt dich durch und du hast was zu sehen – dieses Idealbild ist aber auch nahe am Industrial. Das war für mich eine Zeitlang das ultimative Ziel, aber meine Kollegen haben sich damit gar nicht einverstanden erklärt. Es sind bei uns immer alles demokratische Entscheidungen. Ich bin immer ein Teamplayer gewesen. So haben wir den Mittelweg immer eingehalten.

Kommerziell erfolgreich

Es haben uns Leute am Radar gehabt, die gesehen haben, da entsteht etwas Eigenartiges und Einzigartiges. Zum Beispiel waren Rammstein in der Frühphase bei eines unserer Konzerte. Sie haben damals sinngemäß gemeint, dass sie doch einen etwas anderen Plan als wir haben, aber unsere Musik und Performance einzigartig sind. Und das es vielleicht eine Variante wäre, ihr totalitäres Musikkonzept auch in dieser Form zu inszenieren. Sie haben auch gesagt, dass wir zu klein denken. Wir arbeiten mit einem individuellen Ausdruck, der nur funktioniert, wenn uns die Leute genau zu sehen. Ihr operiert gedanklich in einer Klubsituation für 200 Leute, wir denken aber hingegen an ein Fußballstadion. Und so haben Rammstein ihren Masterplan auch später umgesetzt.

Das hat mir schon zu denken gegeben, auch mein Zugang, wo ich die Band sozusagen verschwinden lassen wollte. Die Leute haben auch damals gemeint, für diese Multimediaexperimente sind wir jetzt nicht gekommen. Dann haben wir versucht, die Performance zu Gunsten der Musik ein wenig zu reduzieren. Also haben wir versucht, unseren Sound zu konsolidieren. Wir haben dann aber auch gemerkt, dass wir das nur machen können, wenn wir uns dazu bewegen. Es läuft auf das hinaus, wir können es nicht besser. Dabei wird es auch bleiben. Wir werden die Musik und die performative Schiene weiter machen, dass heißt die Band tritt auf und eskaliert, dann werden wir aber auch Abende designen, die eher Experimente sind. Wobei es um ein Gesamterlebnis geht, wo wir nur mehr der Teil sind. An dem arbeiten wir jetzt auch. Vor allem im letzten Jahr haben wir allesamt wieder sehr viel Spaß daran gehabt.

Aber was ich an mir selbst merke, dass ich nicht mehr unbedingt will, dass jedes Konzert ein Überlebenstraining wird. Ich sage, die Maschinen müssen mehr für uns arbeiten. Wir müssen uns selber helfen und nicht immer gegen die Maschinen ankämpfen.

Der Metal und seine Extreme

Also da waren zum Beispiel “Extrem Noise Terror” oder “Heresy” und “Napalm Death” aus Nottingham. Dann war plötzlich das Label Earache da und der Grindcore ist gekommen. Aus dem Grindcore ist dann auch der Death Metal entstanden. Dann sind so Bands wie “Morbid Angel” oder “Carcass” gekommen und der Sound war für mich einfach völlig wahnsinnig. Vor allem dieses irre Tempo und die runtergestimmten Gitarren und das Gegrunze. Das hat mich sehr beeindruckt. Und bei uns hat es ja auch “Disharmonic Orchestra” gegeben, die dann ja auch relativ schnell ziemlich berühmt geworden sind. Danach auch “Pungent Stench”. Eigentlich schon komisch, aber in diesem etwas “unkorrekten” Milieu sind die zwei größten Bands entstanden, die Österreich für lange Zeit gehabt hatte.

Mich hat auch Black Metal sehr interessiert. Ich hab mir “Mayhem” live angesehen, dass hat mich total beeindruckt. Da hat es auch irgendwann diese “Gods of Grind”-Tour gegeben und da sind in Wels sogar die Jazzer im Moshpit gewesen, weil einfach die Energie so extrem war. Das hat einen einfach mitgerissen. Und dann hab ich “Carcass” gesehen, dass war grandios! Für mich war die logische Entwicklung dann natürlich, dass es noch schneller und schriller wird, also hin zum Black Metal. Mich hat auch die Geisteshaltung interessiert, also nicht als Sympathisant, sondern weil es eben so nihilistisch war. Mir war klar, die wollen keine Freunde!

Es hat ja auch im extremen Metal immer wieder Affinitäten zur harten elektronischen Musik gegeben. Nimm einfach mal “Lenny Dee” von Industrial Strength Records aus New York her, eines der wichtigsten Hardcore-Techno-Label. Die haben schon gesehen, dass zwischen diesen Hyperspeedteilen und extremen Gitarren, die nur mehr eine Wand sind und pulsieren und diesen raufgepitchten Doublebass-Drums eine Ähnlichkeit besteht: Repetition und Ekstase. Enormer Druck. Kein Zufall war, dass sich die gegenseitig zu befruchten begonnen haben. Damals war aber auch natürlich alles trotzdem klar abgegrenzt, deshalb war es kommerziell nicht erfolgreich. “Fear Factory” war nach “Godflesh” halt noch ein Versuch, auf einer breitenwirksamen Ebene Elektronik mit Metal zu verbinden. Das hat schon besser geklappt. Dann sind auch diese Crossoverdinge wie “Clawfinger” entstanden.

An Black Metal hat mich vor allem interessiert, dass sie in Praxis und Theorie die Werte einer Zivilgesellschaft aushebeln wollten, so tragisch das auch ist, also dieser Antihumanismus. Die Frage war für mich auch: “wie lange hält man so was durch?”. Es war irgendwie der Soundtrack zu einer privaten Verzweiflung. Das die dann auch in einigen Fällen umkippt und zum Soundtrack von rechtsradikalen Spinnern geworden ist, das ist einfach bedauerlich.

Der Neofolk hat ja eine Zeit lang auch dieses braune Problem gehabt, als sich diese Subgenres mit den Uniformfetischisten gebildet haben, die dann plötzlich das Eiserne Kreuz ausgepackt haben. Das war äußerst uncool. Ich halte dieses kokettieren mit dieser faschistischen Ästhetik für äußerst blöd. Das habe ich nur bei Laibach durchgehen lassen, weil die ja gleich ein Theoriekonstrukt mitgeliefert haben. Das war was anderes.
Aber wie gesagt, diese Nihilisten und selbstdestruktiven Esoteriker lasse ich unter Freiheit der Kunst laufen. Die muss ich mit einer gewissen Distanz und Faszination beobachten, weil sie in ihrer Gedankenwelt Werke schaffen, die zumindest interessant sind. So tolerant muss man sein. Alles andere ist vollkommen abzulehnen.

Fuckhead & Provokation

Das war bei uns überhaupt nie ein Thema und hat uns auch nicht interessiert. Ich werde das immer wieder gefragt. Einmal hat zum Beispiel der ORF angerufen, ob ich zum Thema “Provokation in der Kunst” etwas sagen kann, aber ich habe abgelehnt, weil ich dazu einfach nichts zu sagen habe.

Blood & Gore Performance

Das war damals dann schon für viele Leute zu viel. Die einen wollte immer mehr, die anderen haben gemeint, jetzt können wir nicht mehr mit. Das war alles so vor den 2000er Jahren. Ich hab mir damals Fischerhacken zu Hause selbst geschliffen und angesetzt. Im Keller hab ich das damals versucht. Und noch dazu war es ja auch vorn auf der Brust, wo es eigentlich extrem gefährlich ist. Die Härte mir selbst gegenüber lässt mich heute schon erschaudern. Ich hab mir damals während der Shows unter Zeitdruck und im Dreck diese Hacken mit maximaler Kraft durch gefädelt, um mich dann mit selbstgeknoteten Schnüren aufzuhängen. Wenn das wirklich einmal asymmetrisch abgerissen wäre, hätte ich mir die halbe Brust aufgerissen.

Wie ich das dann letztes Jahr bei der Ars Electronica gemacht habe, war das ja sehr gut vorbereitet. In den 10 Jahren hat sich auch sehr viel auf dem Sektor getan. Es gibt spezielle Hacken und Seile aus geeignetem Material. Wir haben eben das letzte Jahr bei der Ars nichts dem Zufall überlassen. Die Hacken hat ein Routinier gesetzt, der das selbst schon oft gemacht hat und auch selbst oft hängt. Nach der Aktion haben sie mich auch noch massiert, sodass die Blutergüsse weggehen und sich der Wundkanal gut verschließt. So ist das okay, aber in den früheren Zeiten war das einfach der völlige Wahnsinn. Ich hab das damals in meiner Egomanie entschieden und gesagt okay, ich mach das jetzt. Aber heute siehst du sowas auf allen Tattooconventions. Diese ganze Entwicklung hat das aber auch irgendwie entwertet. Rückblickend hat es auch mir selbst nicht viel gebracht. Für mich war der Abschluss eben bei der Ars Electronica. Was sollte ich denn noch machen? Noch mehr Hacken setzen oder in anderen Positionen hängen?

Damit weiter machen wäre dann auch wirklich unfair gegen jeden anderen in der Band gewesen, denn Fuckhead nur mehr auf das zu reduzieren “Didi Bruckmayr hängen sehen zu wollen”, ist nicht Sinn der Sache. Wir sind Entertainer, kein Blood & Suspension Zirkus. Gewisse Sachen machen wir nicht, wofür? Die Leute sollen sich vielleicht kurz mal schrecken, aber sie sollen nicht ein Gefühl des Ekels und Entsetzen mit nach Hause tragen.

Kulturpolitik

In der hiesigen Musikwelt gib es gute Geschäftsleute mit guten Politkontakten und ohne einen Genierer. Warum haben sie keinen Genierer? Weil sie sehen, dass sich die Politik aus Kunst und Populärkultur völlig verabschiedet hat. Die haben daran kein Interesse mehr. Was die Kulturministerin sagt, ist völlig irrelevant. Jetzt werden die paar Sachen in Wien, die sie für identitätsstiftend befindet, wie Staatsoper, Burgtheater und Museen noch mehr Geld bekommen. Alles andere wird weniger bekommen. Daher brauchen sich auch Leute nicht fürchten, dass ihnen einer das krumm nimmt, wenn sie eine Party für den Strache ausrichten und gleich dazu auch noch den Soundtrack komponieren. Ich denke man sollte eine Haltung haben und manche Sachen gehen nicht zusammen. Ich kann nicht mit einen Mann, der Kontakte ins Neonazi-Milieu, die per se antidemokratisch, rassistisch und homophob sind, der Cliquen beschäftigt, die gewalttätig sind und mit kriminellen Skinheadorganisationen paktieren in die Nachtschicht tanzen gehen. Diese Typen wollen ausgrenzen sind in jeder Hinsicht destruktiv. Wieso will ich dann das Geld von ihnen? Die Haltung an sich muss in der Populärkultur einen Platz haben. Das bedeutet wiederum, eine politische Ausrichtung zu haben, also keine Parteimitgliedschaft, sondern ein Bekenntnis zu demokratischen Werten und zur Solidarität.

Fuckhead & Stirnprumzer

Sie sind an uns im Zuge des Spektakels im Brut zu Hieronymus Bosch herangetreten. Dort haben sie uns angesprochen, ob wir nicht mal Lust hätten, eine Session mit ihnen zu machen. Wir als Modelle und Gleichgesinnte wären ihnen sehr willkommen. So hat die Zusammenarbeit begonnen. Neben dieser musikperformativen Geschichte sozusagen “Ereignisse” zu kreieren ist ja wahnsinnig spannend. Und das lässt sich mit den Stirnprumzern hervorragend umsetzen. Sie sind sehr gute Graphiker und Maler. In der Zukunft wollen wir in die Richtung Happening gehen. Wir entwickeln verschiedene Räume und Tableaus, wo diese Sachen dann stattfinden werden. Wohin das in der Zukunft führt, weiß ich noch nicht konkret. Es wird mehr Fotoarbeit bzw. Bilder geben, die wir gemeinsam mit ihnen machen.

Da gibt es beispielsweise auch ein Theaterkollektiv, das mich sehr beeindruckt hat: “Societas Raffaello Sanzio”. Der Chef ist der Romeo Castelluci, der jetzt auch bei den Wiener Festwochen war. Das ist ein sehr finsteres, performatives Theater, aber auch sehr sinnlich. Ein Bild ist sehr suggestiv, dass sind zerrinnende Körper. Das wollen wir realisieren. Außerdem ist es auch super, dass wir mit den Leuten von Stirnprumzer andere Partner und Einflüsse gefunden haben.

Fuckhead und die Zukunft

Also mit großer Freude werden wir nächstes Jahr eine LP bei Noise Appeal Records rausbringen. Dann werden wir wieder sehr viel spielen. Es wird eine Videoserie geben. Und dann werden diese Happenings und Events mit den Stirnprumzer parallel zur “Konzertschiene” veranstaltet. Also voraussichtlich Donaufestival 2012, dann im WUK und dann noch in den Rinderhallen. Es gibt also sehr viel zu tun und wir freuen uns alle schon sehr darauf!

Fotos Fuckhead: David Murobi

 

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