Das Prinzip Freiheit – HANNES DUFEK im mica-Porträt

Er steht als einer der Organisatoren hinter dem Spezialensemble für Neue Musik PLATYPUS, was ihn in bescheidener Zurückhaltung als Komponist oft in den Hintergrund treten lässt. Mit seinen 31 Jahren hat HANNES DUFEK bereits einen beachtlichen Werkkatalog vorzuweisen, der ihn als Neuerer ebenso wie als Könner im Bereich des Musiktheaters für Kinder ausweist.

Als Hund ein Fisch im Wasser

Auch wenn er gerade keinen Hund spielt, der im Verdacht steht, einem anderen Tier auf den Kopf gekackt zu haben, ist Hannes Dufek ein Musikmensch, dem man manches zutrauen kann. Die Erfolgsproduktion „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ (2014) wird vom 27. bis 31. Oktober 2015 im Dschungel Wien wieder aufgenommen und rückt ihn einmal mehr in einem Bereich hervor, in dem er sich wie ein Fisch im Wasser fühlt: dem Musiktheater für Kinder. Scheinbar mühelos findet er zu den gleichermaßen netten und stets mit einer „moralischen“ Lehre verbundenen Geschichten seine Klänge und Melodien, die vom ganz jungen Publikum gerne aufgegriffen und in der Pause oder nach dem Schluss nachgesungen werden.

Von der Monsterpartitur zur Praktikabilität

Es wäre freilich einseitig, Dufek auf diese eine Schiene festzunageln und dabei zu übersehen, dass er als „absoluter“ Komponist in wesentlich komplexeren Systemen zu Hause ist. Das Suchen nach neuen und ungewöhnlichen Wegen ist für ihn essenziell – auch wenn er zwischenzeitlich erkannt hat, dass sich etwa eine während der Studienzeit entstandene zwei Meter hohe Partitur für die Arbeit mit Musikerinnen und Musikern denn doch als ein wenig unpraktisch erweist. Einer seiner Grundsätze ist zwischenzeitlich, dass die Interpretinnen und Interpreten seine Musik auch wirklich spielen können sollen.

Von Plattfüßen und Schnabeltieren

1984 in Wien geboren, studierte Hannes Dufek Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien in den Klassen von Chaya Czernowin und Michael Obst. Noch während seiner Studienzeit war er 2006 Mitbegründer des Vereins für neue Musik Platypus, wobei es zweifellos keine Schande ist, nicht zu wissen, dass dieser Begriff das griechische Wort für „Plattfuß“ und das englische für „Schnabeltier“ ist. Fast ein Jahrzehnt lang steht er dem Verein nun schon vor und hat wesentlichen Anteil daran, dass sich das gleichnamige Ensemble rasch zu einem der wichtigen österreichischen „Player“ im Bereich der Präsentation Neuer Musik entwickelte. Die logische Kehrseite, nämlich durch die organisatorische Arbeit entsprechend weniger Zeit für das Schöpferische zu haben, scheint ihn kaum aus der Ruhe zu bringen. Er weiß um die Wichtigkeit solch kulturpolitischen Einsatzes für seine Kolleginnen, Kollegen und sich selbst.

Ein Händchen für das junge Publikum

Seit 2011 ist Dufek auch im Verein makemake produktionen aktiv, mit dem er auf die für ihn mittlerweile kaum mehr wegzudenkende Schiene des Musiktheaters für Kinder geriet. Das erste Projekt dieser Art war „MOMO oder die Legende vom Jetzt“, das bei Wien Modern 2011 im Dschungel Wien uraufgeführt wurde und mit dem STELLA 2012 in der Kategorie „Herausragende Musik“ prämiert wurde. 2012 erarbeitete man für das Staatstheater Oldenburg „Sturmkind“ – für Dufek die erstmalige Konfrontation mit einem Haus dieser Größenordnung. Es folgte im Frühjahr 2013 als Auftragswerk des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Festspielhaus St. Pölten „Major Dux“, in dem er mit Elementen aus George Gershwins „Porgy and Bess“ arbeitete, und ebenfalls 2013 „Supernova“, das für das Festival SZENE BUNTE WÄHNE in Horn entstand. 2014 wurde besagter „Maulwurf“ (erneut im Dschungel) aus der Taufe gehoben. Für den Carinthischen Sommer 2015 stellte man sich mit „Vom Leben und all dem“ einer neuen Herausforderung, indem man gleichzeitig Kinder und Seniorinnen und Senioren als Darsteller integrierte.

Die andere Seite

Doch zurück zum „Konzertkomponisten“ Dufek und seinen weit progressiveren Arbeiten. Auch hier kann sich seine bisherige Laufbahn sehen lassen: Schon 2008 wurde er für das Promotionsprogramm „Young Austrian Composers“ von mica – music austria in Kooperation mit dem Österreichischen Komponistenbund (ÖKB) und der Österreich-Sektion der IGNM ausgewählt und sein Werk „(Inner) Solare Musik“ für Ensemble für die dazugehörige Promotion-CD aufgenommen. Als Auftrag für Wien Modern 2009 schrieb er „große musik“ für Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello und Tuba, das zweimal sehr erfolgreich aufgeführt wurde. 2010 erhielt er den 1. Preis beim Kompositionswettbewerb der RuhrTriennale Köln für das Ensemblestück „landschaft_interpretation; wiederkehr, neuanfang, spiegelung; verdopplung.___ bild (die strahlkraft des augenblicks)“. Schon 2011 kam er mit dem Chorwerk „wider“ erneut bei Wien Modern zu Aufführungsehren. Für das Projekt „arresting images. fragments of media society“ für Cembalo, Tapes, Looper und Live-Elektronik wurde ihm 2012 ein Preis des Theodor-Körner-Fonds zugesprochen.

2013 war er „Composer in Residence“ der 6th Shanghai New Music Week und im selben Jahr nahm er an impuls in Graz teil. Das Streichquartett „der horizont eine rose das andere (Übungen in Vergänglichkeit II)“ wurde bei den World Music Days 2014 im polnischen Wrocław aufgeführt und mit einer „Honorary Mention“ des ISCM Young Composers Award bedacht.

Abkehr von traditioneller Wahrnehmung

Wesentlich bei vielen Stücken von Hannes Dufek ist seine Einstellung zur formalen Anlage. Er liebt es, seine Musik mit fragmentartigen Teilen zu gestalten, die erst von den Interpretinnen und Interpreten nach deren eigener Entscheidung zu einem „kompletten“ Stück zusammengesetzt werden. Ein Schlüsselwerk dieser Methode ist das Opus „weil die dinge im fluss bleiben müssen. Übungen IV“ für Klarinette, Violine und Klavier, das nach der Uraufführung 2014 in Japan am 19. November dieses Jahres im Linzer Brucknerhaus gespielt wird. Einer der Gründe für diese Art des Arbeitens ist die den Ausführenden gegebene Möglichkeit des völlig individuellen, offenen Zugangs zu den Kompositionen, während die klassischen Formgefüge ihnen wie auch dem Publikum in einer quasi pädagogischen Weise die Wahrnehmung vorgeben.

Komposition ist aber für Dufek das Schaffen von Räumen, in denen Bedeutung entstehen kann – nicht das Schaffen von Bedeutung selbst. Auch dort, wo er sich an eine lose formale Struktur hält, geht es um möglichst große Freiräume und offene Interpretationen, so etwa hinsichtlich der strukturellen Längen, Rhythmen und der Art der Zuspielungen in „AUSSEN“ für Tenorhackbrett und verschiedene Objekte (2015). Und nicht minder in Bezug auf das verwendete Tonmaterial dominiert für den Komponisten einmal mehr die Freiheit, indem er etwa auf Grundakkorde oder -reihen weitgehend verzichtet und auf weniger fest gefügte, gleichsam improvisatorische Strukturen setzt: „[…] je offener die Anlage, desto besser.“ (Dufek)

„Alle dramatischen Formen sind gleich“

Es verwundert nicht, dass ihm das Genre der Oper abseits seiner Jugendproduktionen fremd ist. Die Aussage „Alle dramatischen Formen sind gleich“ drückt daher zwar ein Desinteresse am Althergebrachten aus, man wird aber gleichzeitig annehmen können, dass er im Fall eines entsprechenden Auftrags durchaus seinen eigenen Lösungsansatz finden würde.

Weitere neue Arbeiten für diesen Herbst sind „AUSSEN II“ für Sopran, Klarinette und verschiedene Objekte (2015) und „neben sachen“ für Stimme, Blockflöte und Elektronik für das Schweizer Duo UMS’n’JIP. Im Frühjahr 2016 schließlich wird das Ensemble PLENUM in der Schweiz ein neues Stück für sieben Bassblockflöten präsentieren, für das man – dem Charakter dieses Ensembles und der Philosophie des Komponisten entsprechend – ein weiteres Mal ein hohes Maß an Freiheit erwarten darf.

Christian Heindl

Foto Hannes Dufek: (c) Igor Ripak

http://www.verlag-neue-musik.de/verlag/authors.php?authors_id=573
https://soundcloud.com/hannesdufek
http://www.makemake.at
http://www.dschungelwien.at/programm/produktionen/801
http://www.platypus.or.at