„Das Lustige ist, dass das alles sehr unbewusst passiert.“ – AT PAVILLON im mica-Interview

AT PAVILLON ist eine vierköpfige, aus Wien stammende Indie-Pop-Formation, die mit ihrer neuen EP „Disco Demolition Night“ an die Musik der 70er und 80er erinnern möchte und den Charme aus „Saturday Night Fever“ versprüht. AT PAVILLON, das sind MWITA MATARO (Gesang, Gitarre), BERNHARD MELCHART (Gitarre), TOBIAS KOBL (Bass) und PAUL AMELI (Schlagzeug). Die Band im Interview mit Julia Philomena.

War der Prozess von Ihrer Debütsingle „Lions“ (2014) bis zur jetzigen EP sehr langwierig und aufwendig?

Mwita Mataro: Wir haben „Lions“ im vergangenen Herbst als unsere offizielle Debütsingle releast und daraufhin etliche Shows gehabt. Währenddessen haben wir einen neuen Produzenten gesucht, sind dann im Jänner auf Markus Perner gestoßen und die Kommunikation und die Sympathie haben auf Anhieb gestimmt. Wir haben versucht, uns musikalisch nicht zu wiederholen, haben uns gemeinsam künstlerisch ausprobiert und mit verschiedenen Ideen gespielt. Wir haben nach etwas gesucht, ohne genau zu wissen, wonach. Wir haben gelernt, dass dieses Prozedere mit den richtigen Leuten auch ohne den befürchteten Druck funktionieren kann.

Ist das Ziel einer EP gemeinsam mit dem Release und dem Erfolg von „Lions“ entstanden?

Bernhard Melchart: Das Ziel war nicht zwangsläufig eine EP, wir wollten aber auf jeden Fall weiterhin produzieren, mehr Songs machen, und das mit einem Konzept dahinter, einem starken Leitmotiv.

Es macht den Eindruck, als wäre es Ihnen sehr wichtig, schon auf den ersten Blick professionell und groß zu wirken, als hätten Sie – siehe Ihre bisherigen Musikvideos – die eigene musikalische Messlatte von Anfang an sehr weit nach oben geschraubt.

Bernhard Melchart: Definitiv! Da in Österreich gerade so viele Bands wie Wanda und Bilderbuch durchstarten, gewinnen wir selbst an Motivation, gleich sehr groß anzusetzen.

Wer steckt hinter den vorgenannten Videos?

Mwita Mataro: Die haben wir alle dem lieben Gabriel Hyden zu verdanken! Ohne seiner Gabe, sein Feingefühl hätten wir das nie geschafft. Der ist eine visuelle Maschine, könnte man sagen. Es ist unfassbar, wie gut der Gabriel arbeitet, wie gewissenhaft und flott.

„Bei uns fügt sich immer alles gut, eine Idee führt zur nächsten und so entsteht letztendlich tatsächlich ein Konzept […]“

Warum ist Ihnen das Konzept so wichtig? Und der politische Appell an Ihre Hörerschaft, der ja gerne in Ihre Lieder miteinfließt und einem leichtfüßigen Popmusik-Geschunkel widerspricht?

Paul Ameli: Popmusik oder Popkultur ganz allgemein hat den Vorteil, dass relevante, essenzielle Themen cool und vor allem einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt werden können. Und dieser Ausgangspunkt hat uns eigentlich immer schon gefallen, da wir alle aus Familien stammen, in denen eine Konfrontation mit beispielsweise Diskriminierung nicht selten der Fall gewesen ist. Wir haben es als sehr schön und wichtig empfunden, diese uns sehr nahestehenden und wichtigen Themen mit unserer Musik zu transportieren.

Mwita Mataro: Das Lustige ist, dass das alles sehr unbewusst passiert. Oft fällt mir erst später auf, dass man meinen Text auch gesellschaftskritisch lesen kann. Ich tue mir nämlich sehr schwer mit dem Begriff „Konzept“. Wenn Künstlerinnen und Künstler so bewusst auf der Suche nach einem Konzept sind, dann wirkt das oft nicht mehr authentisch, da geht etwas verloren. Aber bei uns fügt sich immer alles gut, eine Idee führt zur nächsten und so entsteht letztendlich tatsächlich ein Konzept, auch wenn es das ursprünglich gar nicht gegeben hat.

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Mit dem Titel Ihrer EP „Disco Demolition Night“ spielen Sie auf ein 1979 stattgefundenes Ereignis an, dass sich auf einem Baseballfeld in Chicago abspielte, auf dem während eines Spieles unzählige Disco-Platten zerstört wurden. Die Fans kamen angeblich vor allem wegen der angekündigten Zerstörung und weniger wegen des tatsächlichen Spiels. Warum dieser Event?

Mwita Mataro: Bei der Nummer „Disco Demolition Night“, die es vor dem Namen der EP gab, war als Titel ursprünglich „Gender Bender“ geplant, weil das tragende Thema die Transsexualität war. Und in der Mitte des Songs wussten wir nicht, wie wir weiterschreiben sollten, hatten eine Blockade. Wir haben uns dann von den alten Disco-Hits inspirieren lassen, sind der Musik total verfallen, und besonders Neil Rogers. Der hat in Interviews ständig von der „Disco Demolition Night“ gesprochen.

Paul Ameli: Und so kam dann auch sofort das Bedürfnis, über dieses sehr verstörende Ereignis zu schreiben, sich damit auseinanderzusetzen. Die Zeitreise hat uns sicher sehr beeinflusst und ist ein Grund dafür, dass wir uns musikalisch wie auch gedanklich in diese Richtung bewegt haben.

Und somit aber doch bei Ihnen geblieben sind, da Disco-Musik ja ursprünglich von den von Ihnen thematisierten Minderheiten stammt und sich somit mit der tanzbaren Botschaft gut verbinden lässt, liege ich richtig?

Bernhard Melchart: Genau! Stück für Stück haben wir das alles für uns entdeckt, haben Musik gefunden, die für uns alle wichtigen Elemente beinhaltet.

Und wer ist die „Cindy“ der vierten Nummer?

[Alle lachen]

Mwita Mataro: Die Cindy ist meine fiktive Freundin. Die wir einfach immer wieder gerne unsere Geschichten erzählen lassen, wie eben auch in der vierten Nummer dieser EP.

Paul Ameli: Es geht eigentlich eh viel mehr um die Botschaft als um die Cindy. Es geht um die in der Routine gefangenen Menschen. Wir haben uns da sehr von dem Film „Superwelt“ beeinflussen lassen. In dem Film erleben die Menschen überhaupt nichts mehr. Verfallen dem Stumpfsinn. In unserer Nummer verfällt die Cindy dem Haarewaschen, sie weiß schon überhaupt nicht mehr, warum sie sich die Haare wäscht. Ausbrechen soll sie aus diesem banalen Wahn.

Haben Sie die vier Nummern alle aufeinander abgestimmt, folgt jede Botschaft einleitend auf die nächste?

Mwita Mataro: Es freut mich voll, wenn das so rüberkommt. Eigentlich hat es vorweg nicht wirklich nach vielen Ähnlichkeiten ausgesehen, auch wenn wir alle Nummern parallel geschrieben haben. Unbewusst haben sie dann ähnliche Züge bekommen.

Bernhard Melchart: Wobei die erste Nummer „Hidden Key“ schon uralt ist.

Uralt?

Mwita Mataro: Ja! Die haben wir vor drei Jahren geschrieben, noch in einer alten Bandformation.

Bernhard Melchart: Die Nummer haben wir sicher schon drei- oder viermal umgeschrieben, weil sie sich für uns immer verändert hat. Und ich würde auch sagen, dass sie sich in Zukunft noch verändern könnte. Die Nummer war nie fertig, und die wird auch nie fertig sein, vermutlich.

Mwita Mataro: „Hidden Key“ ist quasi unser Kind, und das wächst im selben Tempo, wie wir es tun.

Bernhard Melchart: Ich glaube, es ist gerade 14 geworden.

Also sind Sie schon vor drei Jahren auf der Suche nach der Wahrheit gewesen?

Bernhard Melchart: Ja! Und glücklicherweise passt der Song deswegen auch so gut auf die EP! In der Nummer geht es eben genau um die Suche nach Wahrheit, nach Realität. Darum, dass der Protagonist aus seinem Blasen-Leben ausbrechen möchte. Die Nummer knüpft eigentlich gut an „Face it“ an, zumindest rein textlich.

„Wir wollen nicht, dass die Leute gelangweilt auf die Smartphones starren und benommen am Strohhalm ziehen […]“

Sind das Publikum und das Tanzen neben der Kritik im gleichen Maße wichtig für Sie?

Paul Ameli: Ja, absolut. Wir wollen nicht, dass die Leute gelangweilt auf die Smartphones starren und benommen am Strohhalm ziehen, während wir auf der Bühne stehen. Wir wollen, dass das Gesamtpaket gut funktioniert. Wir wollen, dass sie tanzen!

Bernhard Melchart: Nach den Konzerten reden wir gerne mit den Leuten, lernen sie kennen und machen weiter Party. Wir feiern gerne!

Mwita Mataro: Disco eben.

Wieso der Bandname At Pavillon?

Bernhard Melchart: Der Name ist ein Stück unserer Geschichte. Mwita und ich machen ja schon seit fünf Jahren gemeinsam Musik und seit fünf Jahren sind wir At Pavillon. Auch wenn mittlerweile 50 Prozent der alten Band ausgewechselt wurde, wäre es komisch, den Namen zu ändern.

Mwita Mataro: At Pavillon ist ein Kollektiv. Wir haben uns früher, noch zu Schulzeiten, immer in dem besagten Pavillon im Türkenschanzpark getroffen. Das war unser Zufluchtsort und der hat alles zusammengeführt, was wir als gut empfunden haben.

Paul Ameli: Außerdem ist der Pavillon für alle da! Der Name darf bleiben.

Danke für das Gespräch.

Julia Philomena

Fotos At Pavillon © Sara Meister

https://www.facebook.com/atpavillon