Das Ensemble Platypus online bei col legno

In bislang drei „Bundles“ ist auf der Website des CD-Labels col legno eine Online-Veröffentlichungsreihe des rührigen Ensemble Platypus abzurufen, das in ausgewählten Stücken jene Komponistinnen und Komponisten repräsentiert, die das Ensemble bei mannigfachen Gelegenheiten, nicht nur in seinen berühmt gewordenen „Marathons“, sondern laufend (etwa zuletzt bei der Serie „Im Banne des Unbekannten…“  im Echoraum) aufführte. Erstaunlich am seit 2006 bestehenden Verein Platypus, der von Fernando Riederer und Hannes Dufek gegründet und inzwischen zusätzlich von einer Menge anderer Gleichgesinnter betreut wird und dessen Ensemble in der Regel von Jaime Wolfson geleitet wird, ist die stilistische Bandbreite seiner Auswahl.

Platypus: Selected Works I-III kann man bei „col legno Digital“ abrufen und anhören, auch Bios und Werkbeschreibungen finden sich dort. Das Schicksal des Vergessens nach einmaligen Aufführungen will Platypus etlichen der Werke ersparen, die im Lauf der letzten Jahre von jungen Komponisten aus der ganzen Welt an das Ensemble herangetragen wurden. Dabei ist aber auch Musik, die zu Recht zum „Repertoire“ geworden ist. Der Aufgabe, alle diese Stücke der Reihe nach vorurteilslos anzuhören, hat sich für das mica Heinz Rögl gestellt. Die ständige, nach Bedarf durch Gäste erweiterte Besetzung, umfasst Kaoko Amano (Sopran), Sieglinde Grössinger und Doris Nicoletti (Flöte), Theresia Schmidinger und Ryuta Iwase (Klarinette), Hibiki Oshima, Marianna Oczkowska, Yuta Takase (Violine), Marie Yamanaka (Viola), Tomasz Skweres (Violoncello), Jaime Wolfson (Klavier, Leitung).

Volume Eins – „Das Wilde“

Der Untertitel solle ein Gefühl für den Grund der Zusammenstellung vermitteln, jedes Stück stehe jedoch prinzipiell für sich selbst, beeilten sich die Produzenten zu betonen. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Los geht es mit Sutel für Sopran, Flöte, Klarinette in B und Violine nach einem Gedicht von Mary Bautista (2009) von dem in Salzburg geborenen Robert Kellner, der ein Studium instrumentaler und elektroakustischer Komposition durchlaufen hat und etwa 2009 vom Ensemble im Rahmen eines Mexiko-Austauschprojektes gemeinsam mit Veronika Mayer, Matthias Kranebitter, Johannes Kretz, Tamara Friebel, Tomasz Skweres, Simon Vosecek, Jaime Wolfson, Hannes Dufek, Fernando Riederer und mexikanischen Komponisten in der Alten Schmiede präsentiert wurde. Kaoko Amano singt auf dieser Aufnahme den Sopranpart. Der Text beginnt mit den Zeilen „Muibtasbil ta xch’ailal pom li sikil ik’e./ Ta yelobal jsat xtoymuel li ik’e“ und kann vom Autor dieser Rezension leider nicht übersetzt werden. Die kleine kammermusikalische Miniatur ist durchaus von Reiz.

Ebenfalls auch Elektroakustiker ist der wohl bekanntere Matthias Kranebitter, von dem die Nummer 2 des Volumes stammt: dunkel ist das leben ist der tod heißt seine Komposition für Sopran, Klavier, Violine und Violoncello, bei der zuerst das Wort „Tod“ eine zentrale Rolle im Gesang spielt, sodann ein hysterisch anmutendes Lachen: „Nein, aber … ja…ich wollte überhaupt nicht laut… “ im zweiten Abschnitt. Sogar der Satz des Titels wird auf die Schippe genommen. „Konfrontation mit dem Klischee ebenso wie mit dem billigen Wegwerfklang“ will „enthierarchisieren, Ordnungen relativieren und von Dogmen befreien. Dieser Akt der Profanierung und Entweihung des sogenannten Musikalischen versucht eine klangliche Verwirklichung eines fröhlichen Anarchismus“ (Kranebitter).

Tania Lanfer lebt als Komponistin und Pianistin in San Francisco, Philippe Manoury wird als einer ihrer Förderer genannt. Ihr Stück heißt  I have Come on Foot.  Der Gedanke das Gebrauchs von „Filtern“ beim Komponieren, um auf die Einflüsse der Außenwelt zu reagieren, diese aber auch zu akzeptieren, sei wichtig für sie. In ihrem Stück war der Umgang mit dem gefilterten Material „sarkastisch, ironisch“.  Komponieren bedeute für sie, „mit ausgewählten Gruppen von Bildern aus der – musikalischen oder nicht musikbezogenen – Realität zu arbeiten“. Ähnlich wie bei Kranebitter lautet ihre Frage: „Was geschieht, wenn man von bekannten musikalischen Gesten, typischen Klängen, vertrauter Rhetorik umgeben ist?“ Fein an dem Stück ist der solistische Umgang vor allem mit Flöte und Klarinette, die auf Stille antworten, etwas aus der Außenwelt erinnern und transformieren. .

Der in Kalifornien geborene, in Österreich bei Rainer Bischof und Michael Jarrell ausgebildete Clay McMillan wurde für sein Stück Reflections beim Mauricio Kagel Kompositionswettbewerb 2010 mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Siste Viator ist in erster Linie ein Gesangsmonolog auf  Italienisch, bei dem man ein wenig an den berühmten „Lucky“-Monolog denkt (der aber vor sehr vielen Jahren komponiert wurde).

Samuel Cedillo, in Mexico häufig aufgeführt, beschäftigt sich in Soliloquio für Stimme, Flöte, Klarinette, Violine und Klavier mit dem Problem „Klang“ als Materie von Bewegung und Energie, die als zeitliches Objekt geformt werden müssen. In der Behandlung der Stimme zeigt sich sein besonderes Interesse an der Stimme als Instrument und an ihrem dramatischen, auch szenischem Potential.

Volume Zwei – Das Bittersüße

„Am Rande des Nichts schwebend, im für immer freien Fall, in haltloser Selbstüberschätzung, dabei stets manierlich“: So beschreibt Platypus-Mitbegründer Hannes Dufek, der 2012 für seine erfolgreiche Kinderoper „MOMO oder die Legende vom Jetzt“ zu Recht mit dem „Stella Award“, ein Jahr zuvor auch mit dem 1. Preis des Kompositionswettbewerbes der RuhrTriennale Köln ausgezeichnet wurde, selbstironisch seinen Kompositionsstil. Auf Selected Works Vol. II nimmt Unstern I–IV für Sopran, Violine, Altflöte, Klarinette und Klavier, zu dem Dufek auch den Text machte, die  Nummer 1 dieser Auswahl ein, die man gern auch ein zweites Mal hören will. Den 13 Minuten zu lauschen ist spannend und lohnend, Dufek vermag gekonnt zwischen den Stilen zu „floaten“.

Die in Australien geborene Komponistin und Performerin Tamara Friebel lebt derzeit in Wien und Graz und hat vor kurzem ihre Doktorarbeit („Generative Transcriptions, an opera of the self“) fertiggestellt. Zahlreiche Auftritte absolvierte sie unter anderem bei Wien Modern (Ensemble Phace im Palais Kabelwerk bei e-may im November 2012), dem Huddersfield Contemporary Festival, dem ICA in London und dem Qubit Festival in New York. Ihre  Kammeroper für Solo-Sopran Canto Morph hat Platypus bereits 2012 im Wiener Echoraum aufgeführt. Solistin ist auch bei dem hier eingespielten und vergnüglich zu hörenden  Yelobalkaraoke wieder die Sopranistin Kaoko Amano. In St. Ruprecht führte sie Anfang Mai kürzlich „A dried memory: Drei kurze Stücke für getrocknete Blumenpartitur, Ganassi-Blockflöten und Grammophon“ mit Gobi Drab als Partnerin an der Blockflöte auf (www. tamarafriebel.com).

Die freischaffende Schriftstellerin und Komponistin Sophie Reyer, die seit 2013  in Graz ein Literaturstipendium innehat und die bereits zahlreiche literarische Publikationen veröffentlichte, lebt auch in Wien und studierte in Köln. Als Komponistin elektronischer Musikstücke sowie als Soundpoetin und Performerin arbeitete sie etwa bei einem Projekt (faimme) mit Gina Matiello zusammen. das sad  changiert zwischen (instrumentalem) Singen und Sprechen mit den begleitenden  Instrumenten. Zu dem  2010 vom Ensemble Platypus im Konzerthaus aufgeführten Stück kann man auf der reichhaltigen Website der Komponistin (www.sophiereyer.com) auch einen Textauszug finden.

Das vom in Wien freischaffenden Komponisten und Bratschisten Daniel Oliver Moser auch stark von Viola- und Kontrabassklängen geprägte TIDE I  kommt dem Untertitel dieser Edition ( „Das Bittersüße“) vielleicht am Nächsten, wobei bei der einnehmenden Komposition auch das „Bittere“ nicht zu kurz kommt. Das Streichsextett wurde 2010 im Konzerthaus vom Ensemble LUX uraufgeführt. Ab 2004 studierte Moser Komposition bei Wolfgang Liebhart und Christian Minkowitsch an der Konservatorium Wien Privatuniversität, seit 2013 absolviert ein Postgradualstudium bei Tristan Murail.
am Mozarteum Salzburg (www.danielolivermoser.com) .

Volume Drei – Das Freischwebende

Die junge, am Royal Northern College of Music in Manchester als Tutorin für Komposition tätige Emily Howard ist jedenfalls freischwebend gleichermaßen von Dichtung, Philosophie und Wissenschaft stark beeinflusst. Sie stammt aus Liverpool, war Schachmeisterin und hat Abschlüsse in Mathematik und  Komposition. (www.emilyhoward.com). 2011 stand sie im Fokus von Wien Modern. In der Edition III „New Colours of Music“ steht die gesprochene und gesungene Mini-Opera Ada Sketches (über die Mathematikerin Ada Lovelace) für Mezzosopran, Flöte, Klarinette und Percussion am Anfang, die erstmals 2011 bei „Soundings“ im Austrian Cultural Forum (ACF) London aufgeführt wurde.

Es folgt das Quartett Vom Kreis Brechen für Bassklarinette und Streichtrio des Steirers Peter Jakober, der durch sein  Gitarrenquartett, für allem auch seine Blechbläserskulptur „Molekularorgel“ für Orgelpfeifen berühmt wurde und der etwa 2015 auch vom Klangforum Wien mit einem neuen Werk aufgeführt wird.  Es wurde von den Platypus-Solisten im Studio von  Christoph Amann aufgenommen und gemischt. Zuletzt wurde es bei „..im Banne des Unbekannten VIII (im Banne der Rund- und Bogengänge)“ im April im Echoraum gespielt. Eine Sonderart des Kreisens also.

Simon Voseček ist als Komponist, Performer, Chansonnier, Konzertorganisator, Videokünstler und Theaterpädagoge tätig. Er studierte Komposition in Prag und in Wien. Die Oper Biedermann und die Brandstifter nach Max Frisch wurde 2008 mit dem Outstanding Award des bm:ukk ausgezeichnet und im September 2013 in Wien durch die Neue Oper Wien unter Walter Kobéra uraufgeführt. Das Sextett Mäuse gibt es neben der Platypus-Aufnahme, die Simon Voseček selbst dirigierte, auch als Musikvideo im Auftrag des Ensemble Nostri Temporis mit der Musikaufnahme vom Konzert des Ensembles am 15.10.2012 in Lemberg.

Voseček dirigiert auch die Komposition Buo für Solosopran und Ensemble der chinesischen Komponistin, Klangkünstlerin und Interpretin Hui Ye, die bis 2011 in Wien Komposition und elektroakustische Musik studierte.

Umbrales ist das letzte Stück der Edition Nr. III. Es  stammt von Alejandro Romero, dessen Musik das Ensemble Platypus bereits 2009 in Österreich und Deutschland aufführte. Die Komposition für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier wurde im Mai 2013 bei „..im Banne des Unbekannten VI“ im Echoraum gespielt. Romero ist Mitglied des Sistema Nacional de Creadores de Arte in Mexico City, wo er auch unterrichtet. Derzeit arbeitet er an ekphrastischen Prozessen mit komplexen Klanggebilden.
Heinz Rögl

Foto Ensemble Platypus: Igor Ripak
Foto Sophie Reyer: sophiereyer.com

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