Eben hat die Band DRITTE HAND ihr drittes Studio-Album „Olle Viecha, Olle Fisch“ veröffentlicht: Jürgen Plank hat mit BERNHARD SCHEIBLAUER und MARIO SCHLAGER über den Aufnahme- und den Arbeitsprozess gesprochen. Lesen Sie warum die Band am Weg zum Studio abgeschleppt werden musste und welche Bezüge TextschreiberMARIO SCHLAGER zu William Blakes Gedicht „The Tyger“ hergestellt hat. Und die beiden erzählen, warum Austropop trotz Dialekt-Gesang nur wenig Einfluss auf die Musik von DRITTE HAND hat.
Ich habe unlängst ein Interview mit der Band Hakon und die Jungfrauen gemacht, deren Album heißt „Welthits II“. Warum sind auch auf eurem neuen Album Welthits?
Mario Schlager: Ich glaube nicht, dass Welthits drauf sind, weil nur ein relativ kleiner Prozentsatz der Weltbevölkerung die Texte versteht. Deswegen vielleicht weltbekannt in Österreich, irgendwann.
Bernhard Scheiblauer: Nun, das Konzept des Albums war, dass wir kein Konzept haben. Das Album zeigt, wie die Band gerade klingt. Mario schreibt die Lieder und wir entwickeln uns immer ein bisschen weiter. Wir sind immer sehr froh, wenn es eine Neuerung, eine Weiterentwicklung im Sound gibt. Beim letzten Album war es das Lied „Kuchl“, das aus einem großen Fragezeichen entstanden ist und zu einem Sound geführt hat, den wir davor noch nicht gehabt haben. Auf dem neuen Album ist es zum Beispiel das Lied „Beograd“, das produktionstechnisch und soundtechnisch in eine Richtung geht, die wir noch nicht gemacht haben. Das macht uns Spaß und ist uns wichtig. Wir haben weiterhin den Bandsound, den man live kennt. Aber wir haben wieder etwas gemacht, was neu für uns ist.
Was ist neu? Um welchen Sound habt ihr euch bei „Beograd“ bemüht?
Mario Schlager: Wir haben vor allem sehr viel herum probiert. Von Samba-Grooves bis Bossanova haben wir Latin-Beats probiert. Das ist sich alles nicht gut ausgegangen. Wir haben bei diesem Lied viel versucht und viel verworfen. Irgendwann haben wir gejammt und plötzlich war etwas Neues da, vielleicht war da auch ein bisschen Frust dabei.
Bernhard Scheiblauer: Das Lied ist sensorisch intim, kann man sagen. Uns ist es im Studio passiert, dass Mario sehr leise und zart gesungen hat. Und alles, was leise aufgenommen wird, kann man dann beim Mix laut machen. Das hat eine große Wirkung ergeben.
Erzählt bitte etwas zum Titel des Albums: „Olle Viecha, Olle Fisch.“
Mario Schlager: Ich schreibe öfters mal in einem Rausch-Zustand, in einer Mischung aus Trinken und Sich-in-einen-Rausch-schreiben. Manche Sachen sind ziemlich unreflektiert. Ich habe das Lied „Üwan Krauperg wiad ois finsta“geschrieben, da heißt es im Refrain: „Es wiad scho olles schief geh / kummts nur auffe auf mei Boot.“ Es hat mir ganz gut gefallen, dass Schiff und Fisch die Umkehrung eines Wortes ist. Mir ist schon klar, dass die Fische bei den Viechern dabei sind, das finde ich lustig.
Im letzten Jahr habe ich an der Donau einen Biber gesehen und ihr habt auf eurem Album ein Lied mit dem Titel „Biber, Biber“.
Mario Schlager: Man sieht die Biber relativ selten, aber man sieht ihren Impakt, den Kahlschlag der Weiden in der Au. Ich komme ursprünglich aus Amstetten und dort gibt es die Ybbs und es gibt einen Ybbs-Begleitweg, wo ich öfters Spaziergänge gemacht habe. Dort sieht man, dass die Biber kleine Bäume umknicken und sie nehmen sich auch riesige Weiden vor. Die Förster wickeln dann einen Draht um die Bäume, aber die Biber versuchen es immer wieder. Das hat mich fasziniert und dieses Lied hat auch viel mit William Blake zu tun. Von ihm gibt es das Gedicht „The Tyger“: Tiger burning bright, in the forrest of the night. Darin geht es um einen sehr gefährlichen Tiger und ich habe mir einen Vergleich mit den Bibern erlaubt.
Wie ist denn das Album entstanden? ihr habt euch dafür ja auch aufs Land zurückgezogen.
Bernhard Scheiblauer: Wir sind im letzten Mai ins Stress-Studio nach Graz gefahren, gemeinsam mit Wolfgang Möstl, der uns aufgenommen hat. Die Reise war strapaziös, weil uns das Auto mitten auf der Autobahn eingegangen ist und wir uns ins Studio haben abschleppen lassen. Der Produzent hat dann auch noch rund 40 Grad Fieber bekommen, all das ist innerhalb von vier Tagen passiert. So waren wir gezwungen sehr fokussiert zu arbeiten. In Wien haben wir ein paar Overdubs gemacht und ein paar musikalische Gäste aufgenommen. Die Arbeit mit dem Wolfgang war sehr gut, er hatte diesen Esprit, der wenig mit klassischen Regeln zu tun hatte: wir haben uns nur gefragt, was gut klingt und uns taugt. Und genau diesen Weg haben wir kompromisslos verfolgt und das gemacht, was uns Spaß macht.
„ICH BIN EIN VISUELLER TYP UND BESCHREIBE DIE BILDER, DIE BEI MIR IM KOPF PASSIEREN“
Mario, deine Texte sind poetisch, inwiefern gibt es für dich beim Texten auch einen Bezug zur Realität und du verarbeitest Erlebnisse oder Erfahrungen?
Mario Schlager: Es geht viel um Erinnerungen, die in mir viel auslösen. Ich bin in der Wahrnehmung schon recht sensibel. Diese einzelnen Bilder, die mir einfallen, schreibe ich nieder. Ich bin ein visueller Typ und beschreibe die Bilder, die bei mir im Kopf passieren. Deswegen gibt es bei mir recht wenige Texte, die eine Geschichte erzählen, bei der jemand etwas von A bis B macht oder erlebt. Die Texte sind bildhaft und man kann sich selbst eine Geschichte dazu vorstellen.
Mir ist aufgefallen, dass der Biber-Song ähnlich wie ein Lied von Der Nino aus Wien den Besuch beim Psychiater thematisiert.
Mario Schlager: Ich habe in Wien mal in einer kleinen Wohnung gewohnt und im Haus waren hörbare Geräusche immer ein Thema. Ich beziehe mich weniger auf Der Nino aus Wien, sondern auf ein Lied von Bernhards Band SarahBernhardt. Die haben einen Text, in dem es heißt: Die Dusche ist mein blecherner Psychiater. An dieser Zeile stricke ich weiter.
Bernhard Scheiblauer: Ich habe mich sehr darüber gefreut. Das ist sehr cool. Duschen sind so wichtig wie Psychiater. Die Dusche ist ein intimer Ort, man hat dort kein Handy, hat kein Gewand, sondern ist einfach nur nackt für einige Minuten.
Mario Schlager: Damals habe ich auch neben einer Psychiaterin gewohnt, wir hatten denselben Eingang, das spielt wahrscheinlich auch mit.
Das letzte Stück am Album ist ein Schlaflied, wie kam es dazu?
Mario Schlager: Weil ich nach einer durchzechten Nacht in einem Nachtcafé in Wien geschlafen habe. Ich wurde da gut von der Kellnerin umsorgt. Das Lied ist eine Erinnerung an diese Nacht, es heißt daher auch „Wia’s Liachd wird“, das ist Mostviertlerisch und bedeutet: wenn es hell wird. Man geht also schlafen, wenn es hell wird. Das ist ohnehin ein wichtiges Thema in meinem Leben, weil ich viele Nachtdienste in meinem Job mache. Oder eben auch wenn ich nach dem Fortgehen in der Früh nach Hause gehe. All das fließt in dieses Lied ein.
„ICH FINDE ES SCHÖN, DASS IHRE LINIEN JETZT AUF UNSEREM ALBUM-COVER SIND“
Das Cover eures Albums ist das Bild einer Künstlerin, was könnt ihr dazu sagen?
Mario Schlager: Das Coverbild hat Nele Hazodgemacht. Sie ist Fotografin und Videomacherin und arbeitet, wenn sie zeichnet sehr grafisch und viel mit Linien. Ihr ist die folgende Textzeile gewidmet: „I mechad nua gspian, de Linien vo dia / auf ana Koatn aus Kreta.“ Ich finde es schön, dass ihre Linien jetzt auf unserem Album-Cover sind.
Ich habe euer Album auch in Richtung Austropop gehört, inwiefern seht ihr euch in dieser Tradition?
Bernhard Scheiblauer: Wenn wir die Lieder entwickeln, spielt Austropop eine sehr geringe Rolle. Es gibt selten konkrete Vorbilder, selten eine Richtung, in die wir konkret gehen wollen. Es geht quer durchs Gemüsebeet. Wir haben Lieder, die von Santana inspiriert sind, andere sind von Hip-Hop-Nummern inspiriert. Es tauchen dann automatisch Parallelen auf, weil man Popmusik mit österreichischem Dialekt macht. So kann man gewisse Ähnlichkeiten nicht vermeiden. In den letzten Jahren haben wir von verschiedenen Seiten sehr oft zu hören bekommen, dass wir schwer einzuordnen sind. Das fassen wir immer als Kompliment auf. Das bestärkt uns darin, dass wir auf dem richtigen Weg sind, etwas Neues zu erschaffen.
Mario Schlager: Ich höre selbst wenig klassischen Austropop, Ambros und so weiter. Früher habe ich relativ viel Ostbahn-Kurtigehört, aber das ist geradliniger Rock’n’Roll. Und das sind wir auch nicht. Aber ich finde es lässig, was Ostbahn-Kurti gemacht hat. Eine Rockband, die auch sanft sein kann, etwa mit dem Lied „Tankstö“.
Wir bedienen viele Genres, sodass Austropop zu kurz greift, aber ich verstehe deinen Hinweis schon. Ich habe mir die erste Ambros-Platte „Alles Andere zählt net mehr…“ angehört und die klingt schon nach Bob Dylan aus dem Jahr 1966: Hammond-Orgeln, Bass, Schlagzeug und E-Gitarren. Die haben sich damals auch viele Vorbilder gehabt und sich aus dem amerikanischen und britischen Rock etwas zusammengesucht und dagegen habe ich gar nichts und dieser Sound hat wohl denselben Ursprung wie bei uns.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Dritte Hand live:
12.3.2024 – Wien, Chelsea
16.3.2024 – Bad Ischl, Kurdirektion
17.3.2024 – Salzburg, Academy Bar
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