„Bluesorientierte Rockmusik war immer ein Einfluss“ – GEORG SIEGL im mica-Interview

Die ORIGINAL STIEFELBEIN BLUHS-BÄND feiert die ersten zwanzig Jahre ihres Bestehens mit der CD „Zwanz’g“ (Dobrec Dobrovolny Records). Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählte Bandmitbegründer GEORG SIEGL, wie der Name zu verstehen ist, welche Einflüsse die „Bänd“ in all den Jahren aufnahm und wie vor ein paar Jahren ein Support-Gig für KINKY FRIEDMAN im AERA zustande kam.

Welche Idee steht hinter der Bezeichnung Die Original Stiefelbein Bluhs-Bänd?

Georg Siegl: Die Idee wird sofort klar, wenn man den Bandnamen auf Englisch sagt: „Bootleg Blues Band“ wird zu Stiefelbein Bluhs-Bänd. Vor zwanzig Jahren haben wir mit Blues und Cajun begonnen, aber mit wienerischen Texten. Wir wollten in unserer eigenen Sprache etwas machen und so haben wir den Namen „Bootleg Blues Band“ wörtlich übersetzt.

Wie kam es zur Gründung der Stiefelbein Bluhs-Bänd, wie haben Sie sich gefunden?

Georg Siegl: Ich war in den 1980er-Jahren als Liedermacher unterwegs, habe ein Kabarettprogramm gemacht und auch eine Rockband, The Bolschoi Beat, betrieben. Nach ein paar Jahren Pause – nachdem mein Sohn auf die Welt gekommen war – wollte ich wieder etwas machen. Hubert von Goisern, der gerade begonnen hatte, hat mir auch gefallen, aber ich habe mir gedacht: „Das ist schon wieder alpin.“ Meine Texte waren Gstanzln und ich bin draufgekommen, dass die genau in die Bluesmetrik hineinpassen. Dann habe ich den Akkordeonisten Billy Wotawa angerufen und ihn gefragt, ob er bei einem neuen Projekt mitmachen möchte.

Daraus sind jetzt 20 Jahre geworden, den Blues trägt die Band im Namen. Wie stark ist diese musikalische Wurzel tatsächlich für Sie und welche anderen Wurzeln haben Sie noch?

Stiefelbein Bluhs-Bänd (c) Jürgen Plank

Georg Siegl: Der Blues ist bei uns so stark, wie er in der gesamten Folk- und Popmusik überhaupt ist, als Wurzel von allem. Unser Blues ist kein Delta Blues und kein Chicago Blues, sondern kommt eher aus den Präblueswurzeln der Jug-Bands heraus. Das sind alte Melodien, die von vielen interpretiert worden sind, zum Teil mit verschiedenen Texten. Bei Mississippi John Hurt gibt es etwa die Nummer „Make me a pallet on the floor“, die es schon 20 Jahre früher gegeben hat. Das war dann in den 1910er- oder 1920er-Jahren. Wir speisen unsere Musik aus diesen Wurzeln und Cajun ist auch ein Einflussbereich.

Irgendwann ist auch Andi Fasching zur Band gestoßen.

Georg Siegl: Mit dem Hinzukommen von Andi Fasching 1999 sind wir mehr in Richtung Country gegangen. Er hat uns Hank Williams nähergebracht, den wir natürlich gekannt haben, aber er hat uns auch den Bereich Alternative Country nähergebracht: von Steve Earle über Townes van Zandt und Guy Clark bis Willie Nelson. Aus diesem Bereich haben wir wieder viele Einflüsse aufgenommen. Bluesorientierte Rockmusik war immer ein Einfluss.

Sie sind auch in Richtung Bluegrass verortbar und spielen auch ein Gitarrenbanjo. Wie wichtig ist Ihnen diese Verortung?

Georg Siegl: Bluegrass haben wir für uns entdeckt, das ist eindeutig meine Schuld. Denn ich habe mich vor Kurzem in eine Band verliebt, die es zwar schon ewig gibt, die ich bis dahin aber nicht kannte, nämlich Old Crow Medicine Show. Eine amerikanische Band, die auch schon einen Grammy bekommen hat, die spielt Newgrass. Mit Bass, Mandoline, Banjo und Gitarre und Dobro. Da bin ich voll hineingekippt und so bin ich letztes Jahr für die Aufnahmen der neuen CD wieder zum Gitarrenbanjo gekommen.

Auf der neuen CD „Zwanz’g“ gibt es ein Lied mit dem Titel „Fraunz Kiabiskean“, das führt auch hin zu einem Traditional.

Cover „Zwanz’g“

Georg Siegl: Die Geschichte ist dem Folksong „John Barleycorn must die“ nachempfunden, das ist ein alter Folksong aus England, der unter anderem auch von der Band Traffic gecovert worden ist. Da geht es um das Gerstenkorn, aus dem schließlich der Whiskey wird. Das Gerstenkorn wird ordentlich malträtiert und gequetscht, bis der Whiskey entsteht. Wir haben die Geschichte ins Steirische übertragen und da haben wir den Kürbiskern, dem alles mögliche Schlimme widerfährt, bis schließlich das Kürbiskernöl daraus wird.

„Das Lied „Adi“ beruht auf einer wahren Begebenheit, den „Adi“ habe ich im Fernsehzimmer einer Pension kennengelernt und er hat mir seine Lebensgeschichte erzählt.“

Überhaupt gibt es einige Bezüge zur Steiermark, denn es gibt ein Stück, das auf die Stadt Eisenerz verweist. Ist das ein Zufall oder warum ist das so?

Georg Siegl: Ich sage immer: „Zufälle gibt es nicht.“ Ich habe mit meinem Sohn die Sommer seiner Kindheit immer in der Steiermark verbracht. Und dort sind natürlich auch Lieder entstanden, aus der Gegend heraus waren Inspirationen da. Das Lied „Adi“ beruht auf einer wahren Begebenheit, den „Adi“ habe ich im Fernsehzimmer einer Pension kennengelernt und er hat mir seine Lebensgeschichte erzählt. Und die war die Basis für das Lied.

Aber Billy Wotawa spielt keine steirische Knopfharmonika?

Georg Siegl: Nein, er spielt ein Akkordeon.

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In Ihren Liedern geht oft um die Arbeit, da gibt es auch das Lied „Hacklabua“. Warum ist das ein Thema für Sie?

Georg Siegl: Das Thema tritt auf dieser CD auf, Billy Wotawa und ich werden bald sechzig Jahre alt, und da zieht man dann Bilanz über die Arbeitswelt und das Arbeitsleben. Was hat sich da geändert? Was hat sich gesellschaftlich geändert? Die Thematik ist der Politik, mit der wir uns immer beschäftigt haben, und dem eigenen Lebensalter geschuldet.

Sie haben mal als Vorgruppe von Kinky Friedman im Aera gespielt, wie war dieser Auftritt?

Georg Siegl: Dieser Auftritt war uns ein Volksfest mit Lampionbeleuchtung. Eine Belohnung, ein Höhepunkt in der Bandgeschichte. Wir haben Kinky Friedman schon zehn Jahre davor kurz kennengelernt, als er das erste Mal in Wien war, und waren begeistert. Wir haben dann auch zwei Stücke von ihm in unser Programm aufgenommen. Und dann kam er wieder und wir waren der Supporting Act, das war wunderbar. Wir haben mit ihm backstage gesprochen, er war schon ein bisschen erschöpft von der langen Tour.

Vor rund acht Jahren sind Sie als Band verjüngt worden: Ihr Sohn ist seitdem in der Band. Wie kam das?

Georg Siegl: Ich habe schon davor mit meinem Sohn gespielt. Erwin hat sich mit ungefähr 16 Jahren ernsthaft für Musik interessiert und viel geübt und wir haben bei open mics und bei Themenabenden etwa zu Townes van Zandt oder Willie Nelson gespielt. Der Höhepunkt war ein Ostbahn-Kurti-Tribute in der Szene Wien, da waren wir die Einzigen die Ostbahn-Kurti-Lieder gespielt haben. Als bei einem Konzert Andi Fasching nicht dabei sein konnte, ist mein Sohn als Vertreter eingestiegen. Seitdem ist er als Leadgitarrist nicht mehr wegzudenken.

Was inspiriert Sie beim Songwriting?

Georg Siegl: Inspirierend ist wie bei allen das, was andere machen. Manchmal fallen einem ein paar Zeilen ein und darum herum spinnt man eine Geschichte, das kann auch das Nacherzählen anderer Geschichten sein. Musikalisch schöpfen wir aus einem Genre wie Blues. Bei den Blueskadenzen gibt es ein paar Varianten, an denen sich alle, die in diese Richtung etwas machen, bedienen. Eine Inspiration für uns sind auch die Wiener Liedermacher der 1970er-Jahre. Die Wurzeln, von denen wir unbedingt herkommen, sind Erich Demmer, Fritz Nußböck, Sigi Maron, Heli Deinböck, Reinhart Sellner und Lennart Zalesak. Ambros war keine Inspiration, auch Danzer nicht.

Wie bei Johnny Cash beginnt nun Ihr Alterswerk.

Georg Siegl: Bei mir kann man das auf jeden Fall sagen. Das Alterswerk oder das reife Werk, genau.

Wie geht es in den nächsten 20 Jahren weiter, nachdem nun Ihre fünften CD erschienen ist?

Georg Siegl: Ich möchte mich noch ein bisschen mehr mit dieser Präblueszeit beschäftigen. Musik aus den 1920er-Jahren möchte ich ein bisschen in die Band holen, weil das mit unserem Line-up mit Gitarre, Dobro, Geige, Banjo gut zusammenpasst und sich fast aufdrängt. Mir schwebt sozusagen eine Wiener Version der Nitty Gritty Dirt Band vor. Wir wollen auf jeden Fall in den nächsten drei bis vier Jahren ein Ausrufezeichen setzen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Jürgen Plank

Live:
Sa 22.4.2017, Konrad Uferhaus, Stockerau, 16h
Fr 30.6.2017, Bierkanzlei, Breitenfeldergasse 22, 1080 Wien, 20h

Links:
Stiefelbein Bluhs-Bänd