„Bilder im Kopf“: Vorschau auf WIEN MODERN 2017

Vergangenen Donnerstag lud BERNHARD GÜNTHER, der künstlerische Leiter von WIEN MODERN, zum Pressegespräch in die barocken Suiten über dem Haupteingang des MUSEUMSQUARTIERS, um das Programm der 30. Ausgabe vorzustellen: „Bilder im Kopf“ ist heuer das Motto, unter dem vom 31. Oktober bis zum 1. Dezember 2017 eindrucksvolle rund 90 Veranstaltungen an 32 Spieltagen und 25 Spielstätten in elf Wiener Gemeindebezirken vorgesehen sind. Insgesamt stehen im November rund 50 Ur- und Erstaufführungen auf dem Programm, es sind auch etliche Musiktheaterproduktionen (etwa „Die Antilope“ von JOHANNES MARIA STAUD) geplant. Zu den herausragenden Produktionen des Jubiläumsjahrs zählen beispielsweise OLGA NEUWIRTHS „Le Encantadas“ mit dem ENSEMBLE INTERCONTEMPORAIN und dem INSTITUT DE RECHERCHE ET COORDINATION ACOUSTIQUE/MUSIQUE, HANS WERNER HENZES „Floß der Medusa“, GÉRARD GRISEYS „Les espaces acoustiques“ und eine groß angelegte Kooperation zwischen Wien und Paris.  

Koproduktionen und Partnerschaften verbinden das Festival 2017 mit dem Wiener Konzerthaus, dem Musikverein, dem MuseumsQuartier, dem RadioKulturhaus, dem Filmmuseum Wien, dem Künstlerhaus, dem sirene Operntheater, netzzeit, der Neuen Oper Wien, der Christine König Galerie, dem Wohnpark Alt-Erlaa u. v. a. m. Der Vorverkauf begann am 8. Juni.

Bevor Bernhard Günther das Programm (bereits unter www.wienmodern.at abrufbar) und die Zielsetzungen der heurigen Ausgabe erläuterte und nicht ohne Freude den grafisch schön gestalteten Faltprospekt vorstellte, der nicht nur mit Fotos von Komponistinnen und Komponisten sowie Landschaftsbildern die Hauptlinien des Festivals visualisiert, sondern in dem es auch gelang, sämtliche Veranstaltungen mit Orten, Werken und Mitwirkenden auf einer Übersichtsseite aufzulisten, kamen die zwei maßgeblichen Vorstandsmitglieder des Wiener Konzerthauses und des Musikvereins zu Wort.

Der Präsident von Wien Modern, Matthias Naske, würdigte die gute Planung und die durchaus kluge frühe Ankündigung des Programms, die auf ein noch stärkeres Interesse und ein noch größeres Publikum hoffen lassen. Auch Thomas Angyan konnte in einem Bericht über die Finanzen Bernhard Günther Rosen streuen: Gegenüber 2015 haben sich die Einnahmen des Festivals – auch durch den guten Kartenverkauf – von 180.000 auf 295.000 Euro erhöht. Trotz des Rückgangs und der De-facto-Einfrierung der Subventionen der Stadt Wien, die gegenüber dem Bund die Hauptlast der öffentlichen Finanzierung trägt, betrage das Minus im Budget lediglich 50.000 Euro. Angyan erwähnte auch, dass sich Unterstützung durch die Erste Bank beträchtlich erhöht hat.

Wien Modern kriegt Farbe

Nach der Rückschau auf die (Wiener) Vorgeschichte der Neuen Musik im Vorjahr geht es heuer um die Kraft der Imagination. Bernhard Günther versprach „einen bunten Regenbogen von Klängen, etwas, was einen anspringt“.  Denn: „In den letzten Jahrzehnten hat sich die Musik immer mehr von der Abstraktion befreit. Die extrem bildhaften Möglichkeiten der Gegenwartsmusik werden bei Wien Modern 2017 auf durchaus spektakuläre Weise vor Augen geführt. Olga Neuwirth versetzt in „Le Encantadas“ mit raffinierter Raumelektronik in die Akustik einer jahrhundertealten Kirche in Venedig. Gérard Grisey legte mit „Les Espaces acoustiques“ ein glitzerndes, irisierendes Alternativmodell zur Musik der Nachkriegsavantgarde vor. Peter Eötvös braucht für seine „Chinese Opera“ weder Bühne noch Kostüme, nur seine Klangfantasie.

Wien Modern 30 (c) Pentagram Design Berlin

Film, Video, Malerei, Fotografie und Medienvielfalt spielen – auch wenn es in erster Linie um jene Bilder geht, die beim Hören von Musik im Kopf des Publikums entstehen – eine wichtige Rolle im Programm. Zum Auftakt mit den Wiener Symphonikern am 31. Oktober steht mit dem Stummfilm „J’accuse“ von Abel Gance aus dem Jahr 1919 mit Orchestermusik und Elektronik von Philippe Schoeller ein Antikriegsfilm mit den Soldaten von Verdun im Ersten Weltkrieg auf dem Menü. Das Eröffnungskonzert mit dem RSO Wien gehört Hans Werner Henzes Oratorium „Das Floß der Medusa“, dessen Uraufführung in Hamburg 1968 in Tumulten unterging und die eigentlich erst 1971 in Wien stattfand – doch auch wieder „Wiener Vorgeschichte“. Auch beim „The Acousmatic Project“, natürlich auch bei Jennifer Walshe, in François Sarhans „One Shot Train“ im Echoraum, bei Carole Bauckholts „Oh, I See“ im Künstlerhaus sowie in der Film-Text-Musik-Installation „Daily Transformation“ von Anna Henckel-Donnersmark, Lisa Spalt und Clemens Gadenstätter spielen visuelle Medien eine tragende Rolle.

Ein Schwerpunkt des Festivals gilt der Musique spectrale und der Musique concrète mehrerer Generationen französischer Komponisten von Messiaen über Hugues Dufourt, Tristan Murail bis Georges Aperghis – darunter eine lang verschollene Uraufführung des 1973 verstorbenen Jean Barraqué. Die Zusammenarbeit mit dem Dschungel Wien wird heuer auch durch das ZOOM Kindermuseum verstärkt, und generell sollen auch verstärkt jüngere Generationen von Komponistinnen, Komponisten und Ensembles eingebunden werden, etwa auch Studierende der Universität für Musik und darstellende Kunst, der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, der Technischen Universität Wien, Anton Bruckner Privatuniversität Linz und des Conservatoire national supérieur d’art dramatique Paris.

Der Erste-Bank-Preisträger ist heuer der 1981 in Brixen geborene Komponist Hannes Kerschbaumer, der in Innsbruck lebt. Fünf seiner Werke, davon zwei beim Preisträgerkonzert mit dem Klangforum Wien, werden von ihm zu hören sein.

Heinz Rögl

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