Das RALPH MOTHWURF ORCHESTRA ist das Ensemble des Komponisten und Musikers RALPH MOTHWURF, den man bisher vor allem durch seine Beteiligung bei YASMO & DIE KLANGKANTINE kennt. Das Orchester besteht aus 22 ProfimusikerInnen, die sich zwischen den Polen Jazz und zeitgenössischer Moderne bewegen. In seinen Kompositionen verbindet der gebürtige Linzer unterschiedliche Musikwelten, ohne dabei die eigene Vision aus den Augen zu verlieren. Der Sound erstreckt sich auf diese Weise zwischen Komplexität, Popularität und Zugänglichkeit. Im Gespräch mit Ada Karlbauer erzählt RALPH MOTHWURF über sein musikalisches Doppelleben, der Symbiose von Jazz Big Band und Kammermusikensemble, dem Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Spielkulturen, dem finanziellen Kampf gegen die Gratis-Kultur und dem Dirigenten als Diener.
Wie kam es zu der Entscheidung, das Ralph Mothwurf Orchestra zu gründen?
Ralph Mothwurf: Das eigentliche Bedürfnis, ein Orchester zu gründen, liegt eigentlich schon fünf, sechs Jahre zurück. Der Wunsch entstand durch den Kontakt mit meinem damaligen Lehrer Gerd Hermann Ortler, der mittlerweile an der MDW unterrichtet. Er war der Erste, bei dem ich in Bezug auf mein künstlerisches Potenzial und dem Feuer, das ich für die Materie habe, eine besondere Resonanz erfahren habe. Die Zeit bei ihm, obwohl sie eher kurz war, war für mich eine sehr prägende.
„Das Orchester zeigt die andere Seite meines musikalischen Doppellebens“
Man kennt deine Arbeit bisher vor allem in Verbindung mit Yasmo & die Klangkantine. Ein Solo-Weg lag dabei eher im Schatten. Es ist ein großer Schritt, mit einem eigenen Orchester nun an die Öffentlichkeit zu gehen.
Ralph Mothwurf: Eigentlich hat das Ralph Mothwurf Orchestra relativ wenig mit Yasmo & die Klangkantine zu tun, auch wenn ein paar Musikerinnen und Musiker aus der Klangkantine bei dem aktuellen Projekt auch mit dabei sind. Bei Yasmo & die Klangkantine habe ich vor allem lernen dürfen, für eine größere Besetzung zu schreiben und Text zu inszenieren.
Das Orchester zeigt dagegen die andere Seite meines musikalischen Doppellebens, in dem ich neben Kompositions- und Arrangement-Aufträgen hauptsächlich im universitären Rahmen unterwegs bin. Dieser bietet mir die Strukturen, mich weiterzubilden und für große Formationen zu schreiben. Mein eigentlicher Werdegang ist der eines Komponisten. Die Klangkantine ist über die Zeit schlagend geworden. Die kennt man halt, aber ich habe zeitgleich immer instrumentale Musik geschrieben. Der Schritt ist also nicht von der Klangkantine weg – die wird ja weitergeführt-, sondern vielmehr eine Präsentation meiner Musik, wenn sie nicht textbezogen agiert. Das ist es auch, was ich schon seit Jahren nebenher mache, aber in dem Ausmaß noch nicht gehört wurde.
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„Mein eigentlicher Werdegang ist der eines Komponisten.“
Wie lässt sich die Besetzung des Ralph Mothwurf Orchestras beschreiben?
Ralph Mothwurf: Die Besetzung ist im Kern so etwas wie eine Big Band, in der die sogenannten Doublings im Holz – also Flöten und Klarinetten – mit eigenen Leuten besetzt werden. Das heißt, es gibt weniger Saxofone, dafür aber zwei Flöten, zwei Klarinetten, drei Saxofone, einen ausgedünnten Blechbläsersatz mit drei Trompeten, zwei Posaunen, einer Tuba und zwei Hörnern. Das führt dazu, dass grundlegende und entscheidende Arrangementtechniken der Jazzkomposition nicht mehr funktionieren und ich das große Potenzial habe, viel mehr Farben in die Orchestration zu bringen, damit ich diese Big Band besser als zeitgenössisches Kammerensemble klingen lassen kann. Das ist eine meiner Hauptinteressen.
Die Rhythmusgruppe ist eigentlich auch die einer Jazz-Band, aber durch Schlagwerke erweitert, die man tendenziell auch eher aus einem zeitgenössischen, orchestralen Kontext kennt. Kurz gesagt: von der Besetzung her gehe ich von einem Jazz-Ensemble aus, das ich in ein zeitgenössisches Kammermusik-Ensemble ausfransen lasse. Das führt dazu, dass in meiner Band einerseits Musikerinnen und -musiker aus dem Jazz mit dabei sind, andererseits auch solche aus der zeitgenössischen und klassischen Musik. Es treffen also völlig unterschiedliche Spielkulturen aufeinander. Meine persönlichen Lieblingsmusikerinnen und -musiker sind jene, die in beiden Welten daheim sind, weil sie einfach alles spielen können und Musik in ihrer Breite kennen.
Sind in diesem Kontext soziale Aspekte und Überlegungen wesentlich?
Ralph Mothwurf: Ich sehe das nicht vorwiegend gesellschaftspolitisch, sondern ich denke da relativ eigensinnig an die Realisierung meiner Musik. Meine Musik ist ganz stark davon abhängig, dass nicht nur professionell gearbeitet wird, sondern auch die Art und Weise, wie die Musik gesehen wird und wie man mit ihr arbeitet. Um das zu realisieren, brauche ich eine heterogene Gruppe. Ich habe in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass es extrem wichtig ist, Frauen und Männer, junge und erfahrene Leute in einer Gruppe zu haben. Das war ein wesentlicher Fokus in der Zusammenstellung der Besetzung. Junge Profis, hochkarätige Orchestermusikerinnen und-musiker und große Namen der Szenen werden beim Ralph Mothwurf Orchester zusammengeführt. Das führt dazu, dass alles ein bisschen ungewöhnlicher wird. Auf diese Weise wird auch ungewöhnlichere Musik offener angenommen, habe ich das Gefühl.
“Zu behaupten, man habe keine Stilistik, ist eine Illusion.”
Wie lässt sich der musikalische Kosmos des Ralph Mothwurf Orchestras auf ästhetischer Ebene beschreiben?
Ralph Mothwurf: Zu behaupten, man habe keine Stilistik, ist eine Illusion. Ich bin durch meine Ausbildung im Jazz verwurzelt und aus meiner Jugend durch Hip-Hop beeinflusst. Außerdem bin ich fasziniert von einigen zeitgenössischen Kompositionsansätzen. Mir ist es wichtig, alle Felder zu respektieren, und ich finde es schrecklich, wenn Musikkultur nicht ernst genommen wird.
Ein klassisch ausgebildeter Musiker, der Jazz spielt, klingt nicht wie ein Jazzmusiker. Gleichzeitig ist das Spiel eines Jazzers in vielen Aspekten unbrauchbar für klassische Settings. Das hat meiner Meinung nach mit der Spielkultur, in der die jeweiligen Musikerinnen und Musiker verwurzelt sind, zu tun. Das sind Dinge, die sich in ihrer Gesamtheit ausschließen, aber ein großes Potenzial aufweisen, einander zu veredeln. Wenn ich sage, ich setze mich mit Jazz auseinander, muss das nicht nur bedeuten, dass ich eine klassische Swing-Nummer mache, sondern auch, dass ich mich genauso mit einem Teilaspekt von Jazz beschäftigen kann. Bei mir sind das unter anderem die Jazzimprovisation, die Rhythmik, aber genauso gut strukturelle Prozesse im Jazz, die ich wiederum mit Aspekten zeitgenössischer und klassischer Kompositions- und Orchestrationstechniken verknüpfe.
Mir ist es extrem wichtig, mich vor den unterschiedlichen Welten zu verneigen, mein inneres Hören ernst zu nehmen. Denn wenn man Musik schreibt, die man selber gar nicht verkörpern kann oder will, dann glaubt es dir auch keiner und man hört es auch. Authentisch zu sein, ist für mich wesentlich. Wobei, authentisch zu sein, für mich nicht nur damit zu tun hat, wie ich die Musik komponiere, sondern auch, wie ich die Musik als Dirigent vermittle. In den Probenarbeiten stehe ich mit 21 Profimusikerinnen und -musikern auf der Bühne, die meine Musik interpretieren. Das ist ein großer Druck auf relativ vielen Ebenen. Mein Weg damit umzugehen, ist der der Kommunikation und Arbeit. Aber nie mit vorwiegend autoritären Ansätzen. Ich fühle mich als Dirigent vor dieser Band mehr als Diener, als wie ein Leiter. Ich merke, dass das mit der Gesamtdynamik sehr viel macht. Denn auf einmal ist vielmehr Platz für Musik und Persönlichkeit.
Das Orchester wurde durch staatliche Förderungen, Crowdfunding, sowie Eigenkapital finanziert. War der Finanzierungsprozess ein Hindernis bei der Realisierung?
Ralph Mothwurf: Eva Bauer, die mir bei der strukturellen Arbeit im Projekt hilft, hat mit mir gemeinsam einen Fahrplan erstellt, der es ermöglichen sollte, das Projekt zu realisieren. Dieser Fahrplan beinhaltete auch die Ansuchen um staatlichen Förderungen. Diesbezüglich ist Österreich relativ gut aufgestellt, im Endeffekt aber funktionieren die wie Voodoo (lacht). Niemand hat da die absolute Gewissheit, dass man eine Förderung letztlich auch wirklich bekommt. Aber wir haben zwei erhalten, und zwar vom Bund und von der Stadt Wien. Da muss man die Wiener Kulturstadträtin Frau Kaup-Hasler positiv erwähnen, die Anfang des Jahres das Komposition-Budget deutlich erhöht hat. Dadurch waren dann auch ein paar tausend Euro für mein Projekt drinnen. Alle anderen Förderungsansuchen wurden abgelehnt. Das is grundsätzlich ein Wahnsinn, aber es gehört zu unserer Realität. Wir sind dann auf Crowdfundig gekommen, auch mit dem Gedanken, dass es einen gewissen Mobilisierung-Effekt auf Facebook und anderen Kanälen geben kann. Das hat sich durchaus bewehrt, auch wenn der tatsächliche Gewinn nicht so hoch war, wie wir uns das erhofft haben.
„Mir ist es wichtig, von Anfang an die Gratis-Kultur zu durchbrechen.”
Die finanzielle Realität dieses Projekts ist, dass ich eine, für meine Verhältnisse, wahnwitzige Summe an Eigenkapital auslegen musste, um die Realisierung zu gewährleisten. Das Orchester heißt Ralph Mothwurf Orchestra und es ist mein Debüt als Komponist. Deshalb ist es mir aus ideellen Gründen auch extrem wichtig, die Musikerinnen und Musiker zu bezahlen. In der Produktion sind die Gagen für die Musikerinnen und Musiker, für den Transport und die Unterbringung am kostenintensivsten. Mir ist es wichtig, von Anfang an die Gratis-Kultur zu durchbrechen, besonders dann, wenn ich selbst im Rampenlicht stehe und davon profitiere. Ich habe immer schon gewusst, wenn ich so etwas mache, bezahle ich die Leute auch. Leistung gehört bezahlt und ich erwarte es mir umgekehrt genauso. Wenn es dazu führt, dass ich selber eine finanzielle Belastung auf mich nehmen muss, dann mache ich das, weil ich es den Leuten schuldig bin.
Die Konzert-Debüts des Ralph Mothwurf Orchestras finden nun am 5.und 6. Dezember in Wien und Linz statt. Was kann man sich erwarten?
Ralph Mothwurf: Das erste Konzert am 5. Dezember findet an der Bruckner Universität statt. Ein wunderbares Haus, um Komposition zu studieren, weil da das Genreübergreifende etwas ganz Selbstverständliches ist. Wir spielen am letzten Konzert-Tag des zeitgenössischen Musik-Festivals „Leicht über Linz” um 19.30. Am 6 Dezember spielen wir im Wiener Porgy & Bess. Das Porgy war für mich von Anfang an der Ort, der, sobald ich in Wien war und mich intensiv mit Musik auseinandergesetzt habe, ganz wichtig war. Ich hatte eine Membership-Card und war über einige Jahre mehrmals in der Woche dort, um die Konzerte zu erleben. Wir haben im Frühjahr schon mit der Klangkantine dort gespielt und die Kommunikation und der Support sind großartig. Das Porgy & Bass ist aus meiner Perspektive eine der wichtigsten musikalischen Institutionen, die Wien zu bieten hat.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Ada Karlbauer
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Ralph Mothwurf Orchetra live
5.12. Anton Bruckner Privatuniversität, Linz
6.12. Porgy & Bess, Wien
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