Aspekte 2016 – ein Nachbericht

Die ASPEKTE SALZBURG feierten Anfang Juni ihr 40-Jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass war der Bogen New York – Paris – Salzburg gespannt worden. Ein Unterfangen, bei dem mehrere Generationen von MusikerInnen zur Sprache kamen. mica – musicaustria war dabei.

Bei Jubiläen werden oft die großen Fragen standortbestimmender sowie rück- und ausblickender Natur gestellt. Wie spannend sie beantwortet werden, hängt von der Substanz ab, aus der sie genährt werden. Dass bei den Aspekten Salzburg vieles an Substanz zu finden ist – im Sinne einer Herkunft wie eines Ist-Zustandes – ließ die Beantwortung durchaus anregend ausfallen.

Alte Freundschaften – Neue Musik

Um den composer in residence Tristan Murail, der so wie Klaus Ager bei Olivier Messian studiert hatte, wurde ein umfassender Bezugsrahmen induziert. Der Komponist hatte schon 1978 mit dem Ensemble L’itinéraire die Aspekte besucht und kann als Vertreter jener internationalen Ausrichtung des Festivals gelten, die aus der Not in einem Niemandsland Neuer Musik zu residieren, die Tugend machte, statt auf Nabelschau auf internationale Vernetzung zu setzen.

Die Achse Salzburg – Paris wurde durch New York, in der Frühzeit der Aspekte insbesondere vertreten durch John Cage, zur Dreiheit erweitert. Der künstlerische Leiter des Festivals, Ludwig Nussbichler, triangulierte aus dem Jahrbuch alter Tage ein konzeptuell schlüssiges aber trotzdem offenes Programm:

Vier Ensembles und ein Orchester aus New York, Paris und Salzburg schlossen sich zu einem Abendkonzerte – Reigen im Salzburger republic zusammen: Das Mozarteumorchester (Salzburg), ensemble xx. jahrhundert (Wien), dem œnm . österreichisches ensemble für neue musik (Salzburg), International Contemporary Ensemble / ICE (New York) und das Ensemble L‘Itinéraire (Paris) zeigten verschiedenste Aspekte (ja…) des Festivals:

Vier Konzerte – 5 Formationen

Das Mozarteumorchester steckte mit Klaus Agers „Sinfonie für Bläser und Schlagwerk op. 63“ und Tristan Murails „Reflections / Reflets“ wesentliche Eckpunkte des Festivals ab und setzte mit Dutilleux’ Violinkonzert “L´Arbre des Songes” auf eher gemäßigteres und virtuoses Vokabular, das dem zumeist breiteren Charakter einer Festivaleröffnung entgegenkam. Etwas profilierter wurde es beim ensemble xx. jahrhundert am nächstem Abend angegangen: composer in residence Murail und Festivalpatron Ager wurden die jüngeren KomponistInnen Liza Lim (*1966), Christian Ofenbauer (*1961) und Julia Purgina (*1980) gegenübergestellt. In der Uraufführung Christian Ofenbauers Werk „vergessenes zimmer / staubiger raum 2016“ wurde die Schwebungen in ihrer Periodizität leicht voneinander abweichender Rhythmen in Fülle ausgekostet.

Tristan Murail bei der Aspekte Eröffnung
© aspekte/Wolfgang Kirchner
Tristan Murail bei der Aspekte Eröffnung

Im Konzert des œnm . österreichisches ensemble für neue musik wurde hauptsächlich auf französische Musik gesetzt. Die uraufgeführten Werke des Abends, wurden von ehemaligen Studenten Tristan Murails am Mozarteum komponiert: Vasiliki Krimitza und Matthias Leboucher. Das finale Abendkonzert wurde von gleich zwei Ensembles, dem International Contemporary Ensemble / ICE und dem Ensemble L‘Itinéraire gespielt. Steve Lehmans „For McCoy Tyner, Tristan Murail, Anthony Braxton, and Alexander Scriabin“ für Saxophon und Klavier nützte den spielerischen-experimentellen Klang-Geräusch-Grenzgang als eine der Schnittstellen Neuer Musik und des Jazz‘.  Er zeigte, wie Emotionalität ohne der Fratze des Kitsches oder der Distanziertheit der Abgeklärtheit auch in Neuer Musik gehen kann.

Tristan Musails und Hervé Bailly-Basin Gemeinschaftswerk („création commune“) „Liber Fulguralis“  nützte die klangliche / visuelle Symbolkraft von Gewittern als archaische Urgewalt vollauf und durchwegs beeindruckend aus.

Aspekte – Viermal anders

Den Abendkonzerten wurden drei Spätabendkonzerte in den Kavernen, einen ehemaligen Kühlkeller direkt  in den Salzburger Fels geschlagen, entgegengesetzt. „Au Poisson Rouge“ wurde die Reihe nach dem New Yorker Club (Le) Poisson Rouge nachempfunden. Clubatmosphäre – das hieß gedämpftes Licht, Getränke, (vorwiegend) bequeme Sitzgelegenheiten und entspannteres Verhältnis zu Publikumsgeräuschen.

Au poisson rouge 1: von rechts: Hsin-Huei Huang, Barbara Lüneburg, Barbara Riccabona, Horia Dumitrache
© aspekte/Wolfgang Kirchner
von rechts: Hsin-Huei Huang, Barbara Lüneburg, Barbara Riccabona, Horia Dumitrache

Kuratiert wurde innerhalb der Reihe nicht von Ludwig Nussbichler, sondern von jeweils einer (auch selbst spielenden) Pianistin: Ariane Haering, Hsin-Huei Huang und Ardita Statovci. Technisch und künstlerisch wurde hier von wechselnden Besetzungen mit bis zu vier MusikerInnen ein besonders hohes Niveau erreicht. Die Energie mit der die KünstlerInnen, die von ihnen ausgewählten Werke (mit drei Uraufführungen von Mirela Ivičević, Peter Jakober und Alexander Müllenbach) zum Leben brachten  und die persönliche Atmosphäre führten zu einem anderen Musikerlebnis.

Musik der wirklich jungen ZeitgenossInnen

Einen großen Anteil des Festivals macht auch das Angebot für Jugendliche aus. Einerseits fand die sehr spannende „Jugend komponiert Finalrunde“ und die darauffolgenden „aspekteSPIELRÄUME“ mit eingebetteter Preisverleihung statt.  Kiron Atom Tellian (*2002) gewann mit „Für mein Stoffhuhn“, einem expressiven und auch in der größeren Strukturebene stringenten Stück, den ersten Preis. Stephan Winkler stellte sein Educationprojekt „Blechenwind“ bei ConTempOhr dar und Martin Losert, Harald Münz und Ludwig Nussbichler (hier als Komponist) und diskutierten im Rahmen eines Etüden-Konzertes über die Möglichkeiten und Ansprüche von Unterrichtsliteratur/Etüden für Neue Musik.

Programme für junge MusikerInnen und Musikinteressierte laufen schnell in Gefahr neben dem eigentlichen Programm herzulaufen und von diesem quasi abgegrenzt stattzufinden. Zumindest von dem was der Autor hier gesehen hat, war doch das eine oder Gesicht aus den Wettbewerben bei den Folgeabenden wiederzusehen und auch eine vielleicht vorsichtiges Interesse des Hauptabendpublikums am jungen Musikschaffen ließ sich bemerken.

Alles in allem ein Festival bei dem sich Altgediente wie Grünschnäbel wohl fühlen konnten und bei dem vielen Fäden die es in seiner Geschichte und Gegenwart ausmachen sicht- und hörbar zusammenlaufen konnten.

(red: phR)

Website der Aspekte: aspekte-salzburg.com