Anlässlich des International Jazz Day: Ein Blick auf die österreichische Jazzszene

Man kann durchaus sagen, dass die österreichische Jazzszene in den vergangenen Jahren einen regelrechten Aufschwung erlebt hat. Zumindest kann man durchaus zu diesem Schluss kommen, betrachtet man das auch außerhalb der Landesgrenzen gesteigerte internationale Interesse für Jazz aus Österreich. Und das quer durch alle Spielarten des Genres. In die Fußstapfen solcher legendären Größen wie Joe Zawinul oder Werner Pirchner ist eine selbstbewusste Generation von Musikerinnen und Musikern getreten, die mit eigenen Ideen und Vorstellungen ihrer Kreativität freien Lauf lassen und europaweit erfolgreich die Konzertbühnen bespielen. Anlässlich des 2011 von der UNESCO ausgerufenen International Jazz Day, welcher jährlich am 30. April begangen wird, wirft Michael Ternai einen Blick auf die gegenwärtige österreichische Jazzszene und zieht Linien zu ihren Wurzeln.

Was die österreichische Jazzszene heutzutage auszeichnet, ist ihre enorme musikalische Vielfalt, die sie abbildet. Egal ob in den eher noch traditionelleren Schienen, in den Groß- und Kleinbesetzungen, in den experimentellen und avantgardistischen Nischen, in den freien oder stileübergreifenden Bereichen, quasi auf allen Gebieten lässt sich ein sehr reges innovatives Treiben festmachen.

Die Generation VAO

Untrennbar mit der Geschichte des österreichischen Jazz verbunden ist der Name Vienna Art Orchestra (VAO). Die 1977 von Mathias Rüegg gegründete Big Band galt über drei Jahrzehnte – 2010 kam es zur Auflösung des Orchesters – als eines der Aushängeschilder der heimischen Szene. International überaus erfolgreich diente das Jazzorchester für nicht wenige Musiker*innen auch als Sprungbrett für ihre Karrieren. So musizierten unter anderem die beiden heute renommierten Saxofonisten Wolfgang Puschnig und Harry Sokal im VAO. Ebenso ihre ersten Schritte in legendären Jazz-Klangkörper tätigten der Trompeter Thomas Gansch und der Kontrabassist Georg Breinschmid.

Aber auch abseits des Vienna Art Orchestras gelang es einer Vielzahl von Musiker*innen einen über die Landesgrenzen hinaus reichenden Ruf zu erarbeiten. Seinen Weg in die USA gemacht hat der aus der Steiermark stammende Gitarrist Wolfgang Muthspiel. Ebenso rege im internationalen Umfeld unterwegs waren der burgenländische Trompeter und Freejazzer Franz Hautzinger, der steirische Jazzorganist Raphael Wressnig, der Saxofonist und Klarinettist Ulrich Drechsler, die Saxofonisten Max Nagl und Herwig Gradischnig, der Gitarrist Martin Philadelphy, der Trompeter Lorenz Raab, die mit ihren vielen Projekten zwischen Österreich, Afrika und New York hin und her pendelnde Wiener Saxofonistin Edith Lettner, die international einen hervorragenden Ruf genießende steirische Improvisations-Künstlerin Mia Zabelka und die Komponistin und Kontrabassistin Gina Schwarz, die seit vielen Jahren auch als Fördererin der jungen Szene in Erscheinung getreten ist. In Graz gelang es den beiden Jazz Big Band Graz Gründern Heinrich von Kalnein und Horst Michael Schaffer eine rege Szene zu formieren, die sich als Anlaufstelle und Plattform für Musiker*innen aus allen Richtungen und Ländern etabliert hat.

Bild Kry at Kick Jazz Festival 2021
kry / Kick Jazz 2021 (c) Severin Koller

Die neue Generation

Einen großen Anteil an der weiteren dynamischen Entwicklung der heimischen Jazzszene in der jüngeren Vergangenheit hat auch die 2004 von Clemens Wenger, Clemens Salesny, Wolfgang Schiftner, Daniel Riegler, Bernd Satzinger und Peter Rom gegründete Jazzwerkstatt Wien. Die sechs Musiker teilten die Meinung, dass es in Wien für die junge heimische Jazzszene damals einfach zu wenig Möglichkeiten gegeben hätte auf sich aufmerksam zu machen, und bündelten daher ihre Kräfte, um an dieser Situation etwas zu ändern. Sie riefen gemeinsam den Verein Jazzwerkstatt Wien mit einem dazugehörenden gleichnamigen Label ins Leben. Was die Beteiligten damals im Sinn hatten, war die Schaffung einer Plattform, die als Anlaufstelle für die junge Szene dienen und ihr die Möglichkeit bieten sollte, sich zu präsentieren und zu vernetzen. Aus der einstigen kleinen Gruppe von sechs Personen ist eine bedeutende musikalische Institution geworden, die mittlerweile weit über das Wiener Musikleben hinaus wirkt. Nicht unerwähnt dürfen in diesem Zusammenhang auch die vielen Labels und Plattformen wie Freifeld, Session Work Records, Alessa Records, Jazzwerkstatt Graz, TonArt Tirol, Listen Closely, Laub Records und Fraufeld bleiben, die ihrerseits viel zur Lebendigkeit der Szene beigetragen haben.

Vor allem ab dem Anfang der 2010er Jahre begann Einiges in Bewegung zu geraten. Es gründeten sich zahlreiche Bands und Ensembles, die langfristig gedacht waren und mit der Zeit auch mehr und mehr ins Rampenlicht drängten, wie etwa Lukas Kranzelbinders Bandprojekt Shake Stew, das Trio Mario Rom`s Interzone, Kompost 3, Edi Nulz, Woody Black 4, Purple is the Color, chuffDRONE, TREE, Synesthetic4, Sketchbook Quartet, Trio Infernal, HI5, First Gig Never Happened, Little Rosies Kindergarten, Namby Pamby Boy, Gnigler, Klio, The Ruff Pack, SK Invitational, Dsilton, /kry, BartolomeyBittmann, Sinfonia De Carnaval, Sain Mus oder das Roman Britschgi Quintett. Nicht weniger Aufmerksamkeit konnten Solokünstler*innen wie David Helbock, Martin Listabarth, Verena Zeiner, Sophie Abraham, Millycent, Golnar Shahyar, Anna Anderluh, Maja Osojnik, Viola Hammer, Julia Siedl, Matthias Löscher, Lukas König, Judith Schwarz, Lisa Hofmaninger, Beate Wiesinger, Emiliano Sampaio, Matthias Gottschlich, Christof Dienz, Christoph Pepe Auer und Manu Delago auf sich ziehen. Eine Liste, die sich beliebig lange fortführen ließe, und auch zeigt, dass sich hierzulande ungemein viel tut.

Bild Kick Jazz: Sophie Abraham
Sophie Abraham / Kick Jazz 2019 (c) Werner Müller

Das Besondere an all den Genannten und nicht Genannten ist, dass sie musikalisch allesamt ihren ganz eigenen unverkennbaren Ausdruck entwickelt haben, einen, der nicht an den Grenzen des Jazz Halt macht, sondern sich auf mannigfaltige Weise auch zu anderen Genres öffnet. Für die immense musikalische Vielfalt und die hohe Qualität, die die österreichische Jazzszene abbildet, gibt es verschiedene Gründe. Eine große Rolle spielen mit Sicherheit die diversen Musikunis, an welchen Jahr für Jahr eine hohe Zahl an Musiker*innen ihr Studium absolvieren. Ebenso gibt es diverse Förderprogramme, wie etwa NASOM – New Austrian Sound of Music oder das Focus Acts-Programm des Austrian Music Export, die vielversprechende Acts auf ihrem Weg in die Internationalität unterstützen.

Clubs und Festivals

Und dann gibt es noch die Clubs, die dem heimischen Jazz und all seinen Vertreter*innen die Bühne bieten und Öffentlichkeit schaffen. Da wären die Wiener Jazzinstitution Porgy & Bess, das Theater am Spittelberg, die Sargfabrik und das ZWE (ebenfalls Wien), das Jazzit in Salzburg, das Nexus in Saalfelden, das Treibhaus in Innsbruck, das Stockwerk in Graz, der Spielboden in Dornbirn, die Villa For Forrest in Klagenfurt, die Bühne im Hof in St. Pölten und der Alte Schlachthof in Wels. Auch Festivals wie das Jazzfestival Saalfelden, das Jazzfest Wien, das Kick Jazz Festival, das Ulrichsberger Kaleidophon, das Salzburger Jazz & The City, das Unlimited Festival in Wels oder die Konfrontationen in Nickelsdorf tragen – wenn nicht gerade Pandemiezeit ist – viel zur Sichtbarkeit des österreichischen Jazz bei.

International Jazz Day

Der International Jazz Day bringt Gemeinschaften, Schulen, Künstler*innen, Historiker*innen, Akademiker*innen und Jazz-Enthusiast*innen auf der ganzen Welt zusammen. Dabei werden Jazz, seine Wurzeln und seine Zukunft gefeiert und das Bewusstsein für die Notwendigkeit des interkulturellen Dialogs, des gegenseitigen Verständnisses und der internationalen Zusammenarbeit gestärkt.

Jedes Jahr am 30. April wird die internationale Kunstform dafür gewürdigt, dass sie den Frieden, die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und den Respekt vor den Menschenrechten fördert. Jazz öffnet Türen, um Diskriminierung zu bekämpfen, freie Meinungsäußerung zu unterstützen sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Rolle der Jugend bei der Durchsetzung des sozialen Wandels zu stärken. 

Link:
https://jazzday.com/