Nein, langweilig dürfte es ANKATHIE KOI – ihres Zeichens einer der beiden Köpfe des Popzweiers FIJUKA – im Moment mit Sicherheit nicht sein. Als ob die diversen Kooperationen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern und die Arbeiten am Soloalbum nicht schon genug wären, zeigt sich die gebürtige Deutsche als Teil des Kuratorenteams auch noch für die Programmierung des POPFESTS WIEN verantwortlich. ANKATHIE KOI sprach mit Michael Ternai unter anderem über das rasende Tempo in ihrem Leben, ihren Arbeitsdrang, ihre musikalischen Vorstellungen und die Dinge, die sie zu ihren Songs inspirieren.
Die Zusammenarbeit mit dem Black Palms Orchestra und mit POWERNERD, die Arbeit an Ihrem Soloalbum, die Funktion als Kuratorin des Popfests Wien – es scheint im Moment eine recht arbeitsintensive Zeit für Sie zu sein.
Ankathie Koi: Ja, das stimmt in der Tat. Ich denke, die aktuelle Phase ist meine arbeitsintensivste ever. Ich kann bei Dingen, die mir so taugen, aber generell nur schwer Nein sagen. Außerdem bin ich eine Person, die lieber zu viel als zu wenig zu tun hat. Daher musste ich diese Angebote einfach annehmen. Man bekommt im Leben ja nicht immer solche Gelegenheiten, solche Jobs, in denen man mit so spannenden Leuten zusammenarbeiten kann. Der Wind steht im Moment also ganz günstig. Und ich kann das durchaus beurteilen. Ich hatte schon auch meine Phasen, in denen ich nicht wusste, ob die Melange um 2,80 Euro noch drin ist oder nicht.
Es ist im Moment ein sehr intensives Rad, in dem ich mich bewege. Aber wenn es in eine gute Richtung rollt – damit meine ich, in eine Richtung, die ich auch wirklich mit Herz und Verstand vertreten kann –, bleibe ich auch gerne in diesem. Alle diese Sachen machen aber auch aus der künstlerischen Perspektive einen Sinn. All die Kooperationen, die man eingeht, all diese Projekte, die man in Angriff nimmt, sie bereichern einen und verhindern, dass das Hirn vor lauter „Ich-ich-ich“ verklebt. Und als Künstlerin bzw. Künstler ist man viel „ich“. Das ist zwar gut und wichtig, sollte aber nicht zu viel sein.
Das Einzige, was in solch arbeitsintensiven Phasen natürlich hardcore auf der Strecke bleibt, ist das Privatleben samt Familie und Freunden. Ich habe meine Familie jetzt bald ein halbes Jahr nicht mehr gesehen, und die wohnen nicht in Novosibirsk, sondern in Oberbayern [lacht]. Die brauchen schon viel Geduld mit mir. Mein Freund ebenso. Der hat sich eigentlich einen Orden verdient, wie ich finde. Ich kann, wenn ich fertig und übermüdet bin, so eine arge, miese Krätze sein [lacht].
Wie laufen die Arbeiten am neuen Album? Was kann man sich von diesem erwarten?
Ankathie Koi: Oh, sehr gut! Wobei ich dazusagen muss, dass wir erst einen Song aufgenommen haben. Und zwar die Single, die im Herbst als Vorbote fungieren wird. Die Veröffentlichung des Albums ist für das Frühjahr 2017 geplant. Es wird „I hate the way you chew“ heißen. Der Titel bezieht sich auf meine Kindheit bzw. meine jugendlichen Jahre, in denen ich sehr arge Probleme mit kauenden Menschen und Kaugeräuschen hatte. Man muss wissen, ich leide ein wenig unter Misophonie, einer Form selektiver Geräuschintoleranz.
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Wer ist bei den Arbeiten mit von der Partie? Wer unterstützt Sie?
Ankathie Koi: Mit dabei ist der Paddy von Powernerd. Der ist mittlerweile auch Bandkollege und Ideen-Mitgeber, deswegen ist der Ausdruck „Soloprojekt“ auch gar nicht mehr so zutreffend. Ebenso wieder mit an Bord ist Bartellow [Beni Brachtel; Anm.], der ja schon die EP „Sticky Fins“ produziert hat. Der vierte im Bunde ist Patrick Pulsinger, in dessen Studio wir aufnehmen und der zusätzlich überall noch seine Magics dazumixt. Ich kann also durchaus sagen, dass ich mit einer extrem luxuriösen Situation konfrontiert bin. Mit Leuten zusammenzuarbeiten, die ich alle sehr, sehr schätze, das ist schon sehr klasse.
„Man braucht sich anscheinend nur ein bissl Haarspray reinhauen, Schulterpolster ranmontieren und ab geht die Schubladen-Post.“
In welche Richtung wird es musikalisch gehen? Mehr Pop oder Elektronik? Welche musikalischen Akzente haben Sie vor, zu setzen?
Ankathie Koi: Eigentlich in beide Richtungen, würde ich fast sagen. Auf jeden Fall mehr Elektronik. Es soll ein Set, ein Album entstehen, zu dem die Leute 50 Minuten lang durchtanzen können. Es wird ein „schnelles“ Album werden. Und definitiv auch eines, durch das sich sicher manche Leute wieder an die 80er erinnert fühlen. Was aber nicht wirklich meine Intention ist. Aber ich habe es mittlerweile aufgegeben, gegen diese Zuschreibung anzukämpfen. Warum sollte ich das auch tun? Ich mag die 80er und renne ja auch im echten Leben mit einem Vokuhila herum.
Auch Fijuka fanden alle immer irgendwie 80er-lastig. Was ich selbst aber nie so stark empfunden habe. Aber man braucht sich anscheinend nur ein bissel Haarspray reinzuhauen, Schulterpolster ranzumontieren, und ab geht die Schubladen-Post. Mit Koi spiele ich vielleicht noch mehr mit diesen Dingen, aber eben viel bewusster. Ich mag es, wenn die Musik dancy ist, ich mag cheesy Synthiesounds, große Melodien und hohe Frisuren. That’s it. Über mehr denke ich dann auch nicht nach. Ob das, was ich fabriziere, dann 70er, 80er, 90er, 2010er oder what the fuck ist, ist mir eigentlich egal.
Woher beziehen Sie eigentlich Ihre Inspirationen für Ihre Songs?
Ankathie Koi: Wie ich vorher schon erwähnt habe, das Album wird ein schnelles werden. Einfach auch deshalb, weil das dem Tempo meines derzeitigen Lebens entspricht. Es geht bei mir im Moment schnell, arg, intensiv, exzessiv und auch ein bissel destruktiv zu. Gleichzeitig aber auch sehr produktiv. Diese Art des Lebens mitsamt all den gemachten Erfahrungen bildet sich natürlich auch in den Songs ab.
Ich habe vor einiger Zeit versucht, eine Art Liebestext zu schreiben. Und was dabei herausgekommen ist, war „I could make your life a little hell“. Ich gehöre anscheinend zu der Gattung Songwriter, die selbst sehr positive Aussagen oder Absichten irgendwie durch den Mixer drehen und dann ein bitterböser Text mit einer gänzlich anderen Message herauskommt. Vor ein paar Jahren war ich während einer Beziehung irgendwie komisch eifersüchtig auf die Vergangenheit meines damaligen Partners. Aus dieser leichten Besessenheit ist dann schließlich „I’m so jealous of my boyfriend’s past (a nasty habit that’s left)“ entstanden.
In der Anfangsphase von Fijuka hat mich der Rollentausch Mann/Frau sehr interessiert. Ich schreibe gern aus der Sicht eines Mannes. Es gibt auch Tage, an denen ich mich durchaus sehr männlich fühle. Das klingt zwar blöd, aber es ist so. Ich singe auch manchmal gerne wie ein Mann, der versucht, wie eine Frau zu singen. Klingt komisch, oder?
Und wer sind Ihre musikalischen Heldinnen und Helden? Gibt es Acts aus der Gegenwart, die Ihnen sehr zusagen?
Ankathie Koi: Musikalische (Über-)Heldinnen und -Helden, die mich quasi seit meiner Kindheit begleiten und deswegen wohl auch sehr geprägt haben, sind Klassiker wie Joni Mitchell, Stevie Nicks, Patti Smith, David Bowie, Debbie Harry, Bryan Ferry, Morrissey, Kate Bush, Paul Simon und John Lennon. Was mir von den aktuelleren Sachen taugt, ist Chromeo. In die Band habe ich mich echt verliebt. Dann fallen mir spontan auch noch Acts wie Beach House, Bon Iver, Jungle und Roisin Murphy ein.
„Jetzt haben wir uns einmal eine Verschnaufpause verschrieben …“
Inwieweit unterscheidet sich die Arbeit an Ihrem Soloprojekt von der mit Fijuka? Und warum überhaupt ein Soloprojekt?
Ankathie Koi: Puh, eine schwierige Frage. Die ganze Sache hat vor zwei Jahren angefangen. Ich habe Songs geschrieben, bei denen ich mir nicht sicher war, ob ich sie auch mit Fijuka umsetzen kann. „Kate, it`s Hunting Season“ war zum Beispiel so einer. Irgendwann habe ich mich selbst dann einmal spontan nach München eingeladen. Dort habe ich mich mit dem Manu [Manuel da Coll; Anm.] von Pollyester und ein paar Bier ins Kellerstudio verzogen, um einfach nur so etwas aufzunehmen. Dann kam noch der Bartellow dazu, und plötzlich war dann auch schon die EP „Sticky Fins“ fertig.
Die Arbeit an meinem Soloprojekt unterscheidet sich schon sehr von der mit Fijuka. Zunächst sind schon einmal viel weniger Leute im Studio. Zudem liegt die künstlerische Letztentscheidung hauptsächlich bei mir. Und auch mein Fokus beim Songschreiben ist ein anderer. Daher lassen sich Fijuka und mein Soloprojekt nicht wirklich vergleichen.
Mit Fijuka waren Judith [Judith Filimónova; Anm.] und ich in den letzten Jahren sehr fleißig und haben vieles geschafft. Jetzt haben wir uns einmal eine Verschnaufpause verschrieben, auch um darüber nachzudenken, was wir als Fijuka vielleicht noch schaffen und was wir überhaupt als Nächstes machen könnten. Währenddessen füttere ich das Projekt Koi, bis es dick und prall ist. Ich möchte im Moment alles ausleben, was mir in den Sinn kommt. Da kommt mir dieses Projekt sehr gelegen. Und wenn irgendwann einmal eine Koi-Pause ansteht, kommt dann wieder Fijuka. Diese crop rotation ist sehr, sehr wichtig für mich.
Sie sind in diesem Jahr gemeinsam mit Gerhard Stöger für das Programm des Popfests Wien verantwortlich. Wie läuft es?
Ankathie Koi: Sehr gut, das Programm [präsentiert wird es am 28. Juni; Anm.] steht. Es war sehr viel Arbeit und es gab – verbunden mit etlichen schlaflosen Nächten – viele, viele, viele schwere Entscheidungen zu treffen. Aber dennoch, sollte ich noch einmal gefragt werden, das Popfest zu programmieren, würde ich sofort wieder Ja sagen. Ich muss auch wirklich betonen, dass ich mit Gerhard als Partner echt Glück gehabt habe. Es war einfach extrem angenehm, mit ihm zu arbeiten. Wir sind zwar sehr unterschiedliche Menschen, aber ich denke, genau das hat es ausgemacht.
Wie sind Sie eigentlich zu dieser Ehre gekommen?
Ankathie Koi: Tja, das habe ich mich natürlich auch gefragt. Ich war extrem überrascht, als ich die Anfrage erhielt. Ich denke, ich war in den letzten Jahren einfach auffällig umtriebig. Ich rede gerne mit Leuten, lerne gerne neue Leute kennen und interessiere mich auch sonst für vieles.
Unser Auftritt mit Fijuka im letzten Jahr war vielleicht auch ein Grund dafür. Der war nicht nur für uns ein echtes Highlight. Ich denke, es hat vielen Leuten imponiert, was Judith und ich auf der Bühne abgezogen haben. Und vielleicht wollten die Leute vom Popfest einfach so eine Frauenfigur wie mich. Eine Mischung aus Helge Schneider, Peaches, Klaus Nomi, der Frau von Popeye und Dolly Parton.
Gibt es bestimmte Akzente, die Sie in Ihrer Programmierung setzen wollten?
Ankathie Koi: Ja, zwei Dinge waren uns sehr wichtig. Zum einen, so viele Bands wie möglich zu buchen, die noch nicht auf dem Festival gespielt haben. Das haben wir hinbekommen. Achtzig Prozent der 2016 eingeladenen Acts waren zuvor auf dem am Popfest noch nicht vertreten. Zum anderen haben wir – mit Blick auf das Electric Spring Festival – versucht, Wiederholungen in der musikalischen Schwerpunktsetzung zu vermeiden, um die Profile beider Festivals zu schärfen. Daher haben wir uns in der Auswahl weniger auf elektronische und mehr auf rockigere, gitarrenlastigere Bands fokussiert.
War die Suche nach geeigneten Acts schwierig?
Ankathie Koi: Nein. Genau das Gegenteil war der Fall. Es war schwierig, keine geeigneten Acts zu finden!
„Großartige neue Bands sprießen im Moment ja wie Schwammerl aus dem Boden.“
Haben Sie viele Neuentdeckungen gemacht?
Ankathie Koi: Oh, etliche! Großartige neue Bands sprießen im Moment ja wie Schwammerl aus dem Boden. Da weiß man oft nicht, wo man da anfangen und wo man aufhören soll.
Wie sehen Sie das Treiben in der österreichischen Popszene generell?
Ankathie Koi: Es fühlt sich so an, als würden wir wirklich gerade auf einer hohen Welle reiten. Ich hoffe, dass das auch so bleibt. Freundinnen und Freunde in Berlin posten immer irgendwelche Videos von X und Y und sind dann ganz erstaunt und meinen: „Was, wie, du kennst die? Wie cool!“
Ich freue mich sehr, dass Österreich seine Pop- und Rockhelden wiedergefunden hat. Die BHs fliegen wieder, der große Exzess wird gelebt, die großen Gesten werden geliebt, man darf wieder Fan sein, ohne dabei uncool zu wirken, und – zumindest ein bissel – Rock ‘n’ Roll machen. Und das auch als Ü-30er! Ist doch wunderbar, oder?
Mein Fazit lautet: Was das Treiben, das Künstlerische betrifft, sehe ich sehr viel Gutes. Ich hatte auch noch nie so viele österreichische Musik in meinem iPod wie jetzt gerade. Über den generellen Frauenanteil und die generellen Gagen von Musikerinnen und Musikern aus der österreichischen Popszene unterhalten wir uns aber dann bitte das nächste Mal.
Vielen Dank für das Gespräch.
Michael Ternai
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Ankathie Koi