„An eine Wurstsemmel denken und ein inneres Lächeln“ – Andreas Dauböck und Martin Gruber (DUN FIELD THREE, AKTIONSTHEATER ENSEMBLE) im mica-Interview

Der gebürtige Linzer ANDREAS DAUBÖCK lebt seit 2001 in Wien und hat mit seiner markigen Stimme und seinem rauen, puristischen Blues-Rock-Sound schon viele seiner Bandformationen mit hochenergetischer Melancholie ausgestattet. Mit dem Trio DUN FIELD THREE lieferte er letztes Jahr ein überzeugendes Debut-Album und wird vielleicht schon Ende des Jahres mit einem Nachfolge-Album aufhorchen lassen. MARTIN GRUBER, Regisseur vom gefeierten AKTIONSTHEATER ENSEMBLE und ANDREAS DAUBÖCK verbindet eine jahrelange Freundschaft und Zusammenarbeit. DUN FIELD THREE haben MARTIN GRUBER wieder einmal nachhaltig beeindruckt und so sind die Musiker nun, unterstützt durch zwei Clapper, im aktuellen Theaterstück „Heile mich“ live im Werk-x zu erleben. Michael Franz Woels traf die beiden Masterminds im düsteren Kerzenlicht des Legendenumschlagplatzes Ungar Grill um allfälligen Heilserwartungen nachzugehen. 

Wie habt ihr euch kennengelernt, seit wann arbeitet ihr zusammen?

Andreas Dauböck: Seit 2013. Bei der Albumpräsentation von meiner damaligen Band Morbidelli Brothers war der Dramaturg Martin Ojster im Publikum und hat Martin später erzählt, dass das die Band sein könnte, die für das nächste Stück „Werktagsrevolution“ gebraucht würde.

Martin Gruber: Andreas war der Leadsänger der Morbidelli Brothers Produktion, er hat dann als solitärer Künstler die Kompositionen zu dem Stück “Werktagsrevolution” gemacht. Ich mag diese coole Düsterheit, diese unheimlich melancholische Spannung, die einem aber auch das Herz wärmen kann.

„Körperlichkeit ist im Theater einer der wichtigsten Momente, sonst ist es ein Hörspiel auf Stelzen.“

Was würdet ihr sagen zeichnet eure Zusammenarbeit im Speziellen aus?

Martin Gruber: Was ich nicht mag, ist wenn man Musik im Theater als Pausenfüller einsetzt. Früher wurde Musik dann gespielt, wenn das Bühnenbild umgebaut wurde. Körperlichkeit ist im Theater einer der wichtigsten Momente, sonst ist es ein Hörspiel auf Stelzen.

Andreas Dauböck: Vor meinem Engagement beim aktionstheater ensemble war ich eigentlich nie im Theater. Ohne diese Möglichkeit, bei Martin mitzuspielen, wäre ich vielleicht bis heute kein Theatergeher. Mein musikalischer und auch dramaturgischer Horizont wären viel kleiner geblieben.

Bild Andreas Dauböck
Andreas Dauböck (c) Gerhard Breitwieser

Martin Gruber: Für mich ist Musik auf der Bühne genauso ein Bedeutungsträger wie Sprache. Die Sprache hat beim aktionstheater ensemble nicht immer das Primat. Ich möchte eine Gleichwertigkeit. Musik ist eine andere Form von Sprache und Ausdrucksmittel. Was ich an der Musik mag, ist, dass sie das Kognitive, das rein Intellektuelle verlässt. Dieses Zusammenspiel mit Sprache ist für mich ein großer Reiz, weil Sprache bei mir auch oft eine Form von Stimmung ist: Gossip, der hardcore und extrem präzise verdichtet wurde.

Es geht nicht um eine simple Aussage, sondern darum, Stimmungen zu erzeugen. Und oft versagt die Sprache, weil wir es nicht schaffen, wirklich miteinander zu kommunizieren. Musik ist für mich eine der schönsten Möglichkeiten, kognitiv oder inhaltlich nicht mehr Fassbares zu transportieren. Musik trifft dich auf der emotionalen Ebene. Ein Thema, das sich bei aktionstheater ensemble immer wieder durchzieht ist das Thema Einsamkeit, die aus einem bestimmten Narzissmus-Gelaber entsteht. Auch bei „Heile mich“ wird es darum gehen.

Andreas, hat sich dein Performen im Theaterkontext vor Theaterpublikum verändert?

Andreas Dauböck: Das Performen als Musiker auf der Bühne ist zu 99 Prozent, um Martin zu zitieren: „An eine Wurstsemmel denken und ein inneres Lächeln“. Aber im Theater ist man auch immer wieder gefordert, unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen und generieren und das muss aus einem selbst kommen.

Martin Gruber: Musiker*Innen drücken sich ja nicht zuletzt durch ihre Instrumente, das kann auch die Stimme sein, aus und das ist, ob dieser Präsentation, schon pur. Diese Purheit interessiert mich an Musiker*Innen und nicht irgendein Kasperl-Overacting. Ich sage ja auch zu den Schauspieler*innen: „Hört auf, Theater zu spielen.“

Bei „Heile mich“ haben wir Songs von Dun Field Three bearbeitet, die schon gegeben waren, und diese “zersägt”. Dieses Grundmaterial hatte eine unheimliche Nähe zum Text. Am Arbeiten mit Musiker*Innen mag ich auch diese Form des Erspürens, abseits einer rein kognitiven Ebene.

„Diese Idee des Clappings wolLten wir diesmal wieder einbauen.“

Ihr habt ja mit insgesamt fünf Musikern gearbeitet?

Martin Gruber
Martin Gruber (c) Apollonia Bitzan

Martin Gruber: Es sind noch zwei Clapper dabei, die auch singen. Sie werden von mir gnadenlos ausgestellt, um das Nichtstun in einer Interaktion mit den Schauspielerinnen zu veranschaulichen. Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten für diese Produktion habe ich mir immer wieder das Album von Dun Field Three angehört und das hat mich auf einer Meta-Ebene sehr inspiriert; all diese Illusionen, die Beziehungen oder die Politik betreffen.

Andreas Dauböck: Neben Klaus Hämmerle und Michael Lind von Dun Field Three sind noch Ernst Tiefenthaler von Ernesty International und Emanuel Preuschl von Krooked Tooth dabei. Bei einem Popfest in Wien bin ich mit meiner Band Ash My Love einmal mit einem Clapping-Orchester aufgetreten. Diese Idee des Clappings wollten wir diesmal wieder einbauen.

Magst du, Martin, näher auf das Stück “Heile mich” eingehen?

Martin Gruber: Wenn es eine Form von Katharsis gibt, dann kann es nur die sein, für die du dich selber entscheidest und sie auslöst und nicht von außen, weil sonst sind wir im Faschismus. Meine erste Idee zu diesem Stück beruhte auf den Heilserwartungen, die im Rechtspopulismus deklamiert werden. Und der Starting Point ist auch immer die eigene Unzulänglichkeit. Wir beim aktionstheater ensemble reißen das immer auf das Einzelschicksal runter. Wir versuchen, unsere eigene Blödheit zu untersuchen. Wenn du einen künstlerischen Ansatz hast, kommst du immer zu einem Punkt.

Es geht mir um eine gewisse Haltung, nicht um eine Ideologie. Es gibt keine richtige oder falsche Lesart meiner Stücke, die übrigens als post-postdramatisches Theater bezeichnet wurden. Auch in der Sprache bevorzuge ich den Begriff der Komposition: Dieses Zusammensetzen von Medien mit einer gewissen Gleichwertigkeit. Was ich nicht mag ist Dekoration, sie ist für mich kitschig und letztlich auch durchaus faschistoid.

Und du, Andreas, beschreibe doch bitte noch einmal kurz dein aktuelles Bandtrio Dun Field Three?

Andreas Dauböck: Ich habe oft gehört, dass es an Theatermusik erinnert, ohne theatralisch zu sein. Ich arbeite mittlerweile acht Jahre mit Martin zusammen und habe sicher dadurch gelernt. Dieser Lernprozess spiegelt sich auch in der Musik wider. Ich wollte mit Dun Field Three einen harten, rockigen, massiv energetischen Sound, der aber trotzdem berührend bleibt.

Bild Dun Field Three
Dun Field Three (c) Gerhard Breitwieser

Für das Bandprojekt Dun Field Three habe ich mir mehrere Jahre Zeit gelassen und geprobt. Ich habe mir auch noch nie so lange Zeit gelassen, um die Texte zu schreiben. Anfangs habe ich alle Songs auf Jibberish gesungen und dann geschaut, in welche Wörter sich dieses phonetische Gebrabbel entwickelt. Ich wollte diesmal zuerst das Album und die Musikvideos fertig haben, bevor die Band öffentlich bei einem Konzert präsentiert wird.

Ich habe mich dann über die Lobeshymne von Fritz Ostermayer sehr gefreut, als er uns auf FM4 bei Im Sumpf gespielt hat. Und bei unserer Albumpräsentation im Fluc, die ja auch gleichzeitig die Bandpräsentation war, hat uns Christian Schachinger gehört und als „Österreichs beste Live-Band derzeit” bezeichnet. Das fand ich als Kompliment sehr schön. Lustigerweise hat es außerhalb von Österreich in Norwegen, Schweden und England sehr viel Presse gegeben. 

„Das Musikmachen, das Songschreiben kommt wahrscheinlich einer PSychOtherapie sehr nahe.“

Wo findet ihr euer tägliches Heil?

Andreas Dauböck: Im Moment ist das sicher meine Familie. Wenn du mich vor ein paar Jahren gefragt hättest, wäre es noch die Musik gewesen. Das ändert sich ja immer mit den Lebensumständen. Das Musikmachen, das Songschreiben kommt wahrscheinlich einer Psychotherapie sehr nahe. Etwas zum Ausdruck bringen, dass dich schon länger beschäftigt, wofür du aber bis zu diesem Zeitpunkt keine richtigen Worte finden konntest. Ich gehe oft auch stundenlang im Kreis um einen Tisch, um einen Text hervorzubringen. Man beginnt dann, Dinge in sich zu erkennen.

Martin Gruber: Ein befreundeter Therapeut sagte einmal: „Du weißt schon, dass du den Vorteil hast, Kunst zu machen.“ Und die Poesie sagt: „Ist das nicht schön, dass wir das alles in der Kunst behaupten können?“ Den Mut zu haben, sich fallenzulassen diesen Zustand möchte ich erreichen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Franz Woels

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Dun Field Three Live:
Heile Mich / aktionstheater ensemble
30.1.2020 – 2.2.2020 Werk-X
http://aktionstheater.at/produktionen/heile-mich-2019/

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Link:
Andreas Dauböck